Kindersterblichkeit in Deutschland & weltweit
„Mama, warum sterben eigentlich manchmal auch Kinder?“, hat mich mein Sohn gefragt, als er selbst noch im Kindergartenalter war.
Eine berechtigte Frage, denn genau genommen sterben Kinder nicht nur manchmal, sondern tagtäglich tausendfach. Viele von ihnen vor dem fünften Lebensjahr. Und in den meisten Fällen hätte diese unfassbare Tragödie vermieden werden können. Die gute Nachricht: Heute überleben mehr Kinder denn je.
Kindersterblichkeit: Warum sterben eigentlich Kinder?
Was genau bedeuten eigentlich Kindersterblichkeit und Säuglingssterblichkeit? Wie hoch ist die Sterblichkeitsrate von Kindern, welche Länder sind besonders betroffen und was kann man tun, damit jedes Mädchen und jeder Junge eine Chance auf Überleben und eine gesunde Entwicklung hat?
Hier haben wir die wichtigsten Statistiken und Infos zur Kindersterblichkeit für Sie zusammengestellt.
Kindersterblichkeit weltweit
Aktuelle Statistik zur weltweiten Kindersterblichkeit
Die gute Nachricht vorweg: Laut den neuesten Schätzungen von UNICEF ist die weltweite Kindersterblichkeit für Kinder unter fünf Jahren erstmals unter die Marke von fünf Millionen gefallen: Demnach starben im Jahr 2022 rund 4,9 Millionen Kinder vor ihrem fünften Geburtstag.
Das sind aber umgerechnet noch immer rund 13.400 Kinder pro Tag, 560 Kinder pro Stunde oder neun Kinder pro Minute, die ihr Leben verlieren, bevor sie fünf Jahre alt werden – und zwar tragischerweise aus meist vermeidbaren Gründen. Übrigens ist die Kindersterblichkeit bei Jungen etwas höher als bei Mädchen.
Zum Vergleich: In Deutschland lebten 2022 laut Statischem Bundesamt knapp vier Millionen Kinder unter fünf Jahren – rein rechnerisch sterben also jedes Jahr weltweit mehr Kleinkinder, als in unserem Land leben.
Zusätzlich sterben jährlich rund 2,1 Millionen Kinder und junge Menschen zwischen fünf und 24 Jahren. Diese Zahlen stammen aus dem jährlichen Bericht der Vereinten Nationen zu Kindersterblichkeit, der sich auf die neuesten verfügbaren Daten stützt; der aktuelle Bericht bezieht sich auf das Jahr 2022. Es sind Schätzungen, mit denen man etwas vorsichtig sein muss, weil es in vielen Ländern keine genauen aktuellen Statistiken oder Erhebungen gibt. Federführend bei diesem Bericht sind unsere Kolleg*innen vom Kinderhilfswerk UNICEF zusammen mit Expert*innen der Weltgesundheitsorganisation WHO, der Weltbank-Gruppe und der Bevölkerungsabteilung der Vereinten Nationen.
Definition Kindersterblichkeit und Kindersterblichkeitsrate
Mit Kindersterblichkeit ist meist die Unter-5-Kindersterblichkeit gemeint. Das ist die geschätzte Zahl der Kinder weltweit, die lebend geboren wurden, aber sterben, bevor sie fünf Jahre alt sind. Die Kindersterblichkeitsrate bezeichnet die Wahrscheinlichkeit für Kinder unter fünf Jahren zu sterben, und zwar gerechnet pro 1.000 Lebendgeburten.
Die traurige Wahrheit ist, dass für viele Kinder das Leben endet, bevor es richtig begonnen hat.
Viele Babys werden nie krabbeln oder laufen lernen, erste Zähnchen bekommen oder ihren ersten Geburtstag feiern. Als Säuglingssterblichkeit (englisch: infant mortality) bezeichnet man alle Todesfälle von Kindern unter einem Jahr.
Die Neugeborenensterblichkeit (neonatal mortality) ist die jährliche Anzahl der Todesfälle von Kindern innerhalb des ersten Lebensmonats, also während der ersten 28 Lebenstage nach der Geburt. 2022 haben 2,3 Millionen Neugeborene diese besonders kritische Phase nicht überlebt. Es ist also so, dass fast die Hälfte der Kinder, die vor ihrem fünften Geburtstag sterben, nicht einmal den ersten Monat überleben. Das zeigt, dass eine gute Versorgung von Mutter und Kind rund um die Geburt besonders wichtig ist.
Während es gute Fortschritte dabei gibt, die Überlebenschancen von älteren Kindern zu verbessern, kommt der Kampf für das Überleben von Babys nur langsam voran. Dadurch nimmt unter den Kindern, die viel zu früh ihr Leben verlieren, der Anteil der Babys zu.
Totgeburten: Wenn Babys nie gelebt haben
Bei der Kindersterblichkeitsrate werden nur Lebendgeburten berücksichtigt. Es kommt aber leider auch vor, dass es bei der Schwangerschaft oder Geburt Komplikationen gibt und Babys tot zur Welt kommen, ohne je einen Atemzug gemacht zu haben. Auch das ist für die Mütter und die Väter ein schwerer Schicksalsschlag.
2021 gab es nach Schätzung der Vereinten Nationen weltweit rund 1,9 Millionen Totgeburten – durchschnittlich kamen also pro Stunde rund 200 Babys tot zur Welt.
Um diese Tragödien zu verhindern, sind gute Betreuung während der Schwangerschaft und Geburt essenziell.
Trend: Weltweite Kindersterblichkeit auf einem Tiefstand
Die gute Nachricht ist, wie oben schon erwähnt, dass heute deutlich mehr Kinder überleben als jemals zuvor. Die Kindersterblichkeit hat sich seit 2000 halbiert, von 9,9 Millionen Kindern unter fünf (2000) auf 4,9 Millionen Kinder unter fünf (2022). Im Jahr 1990 waren es noch 12,8 Millionen. Damit ist die Sterblichkeitsrate bei Kindern auf einem historischen Tiefstand. Die globale Unter-5-Sterblichkeitsrate ist von 93 (1990) über 76 (2000) auf 37 (2022) pro 1.000 Lebendgeburten gesunken.
Auch in vielen ärmeren Entwicklungsländern ist es gelungen, die Kindersterblichkeitsrate sehr deutlich zu senken: Durchschnittlich ist die Rate in Subsahara-Afrika von 151 (2000) auf 71 (2022) und in Südasien von 94 (2000) auf 36 (2022) gesunken. In so unterschiedlichen Ländern wie Kambodscha, Malawi, der Mongolei und Ruanda ist es gelungen, die Kindersterblichkeitsrate seit 2000 um über 75 Prozent zu senken.
Dazu beigetragen haben bessere Gesundheitssysteme, bessere Nahrung, Trinkwasser- und Sanitärversorgung und ebenso einfache wie wirksame und kostengünstige vorbeugende Maßnahmen, zum Beispiel Moskitonetze zum Schutz vor Malaria und Impfungen zum Schutz vor vermeidbaren gefährlichen Krankheiten wie Polio, Tetanus oder Masern.
Hoffnung macht auch ein neuer Malaria-Impfstoff, der bereits in einigen von UNICEF unterstützten Pilotprojekten eingesetzt wird und künftig viele Kinder besser vor einer der häufigsten Todesursachen schützen könnte.
Parallel zur Sterblichkeitsrate bei Kindern ging auch die Müttersterblichkeit zuletzt weltweit zurück. Zwischen 2000 und 2017 ist sie um 38 Prozent gesunken (das ist zur Zeit die aktuellste vorliegende Schätzung). Vor allem in Zentral- und Südasien gab es große Fortschritte, wo die Müttersterblichkeit in diesem Zeitraum um 60 Prozent verringert werden konnte.
Kindersterblichkeit: Welche Länder sind am stärksten betroffen?
Die Überlebens-Chancen von Kindern sind sehr ungleich und hängen stark davon ab, in welcher Weltregion ein Kind geboren wird. Zusammen genommen ereignen sich über 80 Prozent aller Todesfälle von Kleinkindern in Subsahara-Afrika (57 Prozent) und Südasien (26 Prozent).
Statistisch gesehen stehen die Überlebens-Chancen für ein Kind in Subsahara-Afrika am schlechtesten. Von 1.000 Kindern, die lebend geboren werden (so genannte Lebendgeburten), sterben im weltweiten Durchschnitt 38 Mädchen und Jungen vor ihrem fünften Geburtstag, aber 74 von 1.000 Kindern in Subsahara-Afrika.
Zum Vergleich: In Deutschland sind es rund vier von 1.000 Kindern.
Alle Länder, die eine Kindersterblichkeitsrate von um die 100 haben – wo also durchschnittlich mehr als jedes zehnte Kind stirbt – liegen in Subsahara-Afrika. Dazu gehören Niger (Kindersterblichkeitsrate 117 pro 1.000 Lebendgeburten), Nigeria (107), Somalia (106), Tschad (103), Sierra Leone (101), Südsudan (99), Zentralafrikanische Republik (97), Mali (94). Man kann also sagen, in Deutschland sind die Überlebenschancen eines Kindes etwa 25-Mal höher als in diesen Ländern.
In absoluten Zahlen gerechnet sterben – wegen der Bevölkerungsgröße – die meisten Kleinkinder in Nigeria, Indien, Pakistan, Demokratische Republik Kongo und Äthiopien.
Was sind die häufigsten Todesursachen von Kindern?
Für Babys und Kleinkinder gehören Infektionskrankheiten wie Lungenentzündung, Durchfallerkrankungen und Malaria immer noch zu den häufigsten Todesursachen. Besonders gefährlich sind außerdem Frühgeburten und Komplikationen bei der Geburt, wenn es keine gute und hygienische medizinische Versorgung gibt.
Akut mangelernährte Kinder, vor allem schwer akut mangelernährte Kinder, sind besonders gefährdet, weil ihr Körper so geschwächt ist, dass er den Krankheiten nichts entgegensetzen kann. Sehr häufig ist Unterernährung daher für den Tod eines Kindes mitverantwortlich, auch wenn es letztlich an einer Krankheit stirbt.
Bei älteren Kindern über fünf Jahren spielen Infektionskrankheiten eine geringere Rolle, dafür nehmen Verletzungen und Unfälle – vor allem Verkehrsunfälle oder Ertrinken – sowie Gewalt als Todesursache zu.
Kinder haben ein Recht auf Überleben
Jedes Kind, überall auf der Welt, hat ein Recht auf Überleben und gesundes Aufwachsen. So steht es in der UN-Kinderrechtskonvention.
Mit den sogenannten „Nachhaltigen Entwicklungszielen“ (englisch: Sustainable Development Goals, kurz SDGs) hat sich die Weltgemeinschaft ehrgeizige Ziele gesteckt, damit wir zukünftig in einer gerechteren, besseren Welt friedlich zusammen leben. Dazu gehört auch, dass künftig kein Neugeborenes und kein Kind mehr an vermeidbaren Ursachen sterben soll.
Konkret heißt es im Entwicklungsziel Nummer 3.2, dass bis zum Jahr 2030 die Neugeborenensterblichkeit in jedem Land der Erde auf maximal 12 pro 1.000 Lebendgeburten und die Kindersterblichkeit der Unter-Fünfjährigen auf maximal 25 pro 1.000 Lebendgeburten gesenkt werden soll – besser natürlich noch darunter.
Das Kindersterblichkeits-Ziel wird bereits in vielen Ländern erreicht – aber wenn der aktuelle Trend anhält und der Fortschnitt nicht beschleunigt wird, werden 59 Länder das Ziel zur Kindersterblichkeit und rund 64 Länder das Ziel zur Neugeborenensterblichkeit verfehlen.
Hier geht es um Kinder, nicht um Statistiken: Wenn alles so weitergeht wie jetzt, werden bis 2030 viele Millionen Kinder unter fünf Jahren ihr Leben verlieren, obwohl es hätte verhindert werden können. Umgekehrt können schätzungsweise zehn Millionen Babys und Kleinkinder gerettet werden, wenn die Entwicklungsziele erreicht werden. Deshalb müssen wir jetzt etwas tun!
Welche Auswirkungen hatte die Corona-Pandemie auf die Kindersterblichkeit?
Hier lautet die gute Nachricht: Nach allem, was wir bis jetzt wissen, hat die Corona-Pandemie zum Glück nicht dazu geführt, dass es einen drastischen Anstieg der Kindersterblichkeit durch Covid-19 gab. Allerdings gibt es Daten-Lücken, und die indirekten Folgen, die zum Beispiel durch unterbrochene Routine-Impfungen und eingeschränkte Vorsorge-Untersuchungen von Schwangeren, Geburtshilfe und Nachsorge nach der Geburt entstanden sind, werden sich vielleicht erst später zeigen. Außerdem sind durch die Pandemie Millionen von Kindern und ihre Familien zusätzlich in Armut gerutscht – auch das hat Folgen für ihre Gesundheit, Ernährung und damit ihre Überlebens-Chancen.
Auswirkungen von Dürre, Hunger und Kriegen
Nicht nur die Corona-Pandemie, auch andere Krisen und Konflikte – zum Beispiel die schwere Dürre am Horn von Afrika, die Folgen der Klimakrise, Wirtschaftskrisen oder der Krieg in der Ukraine und dadurch gestiegene Preise für Lebensmittel – haben Auswirkungen auf die Gesundheit der Kinder. Wie genau sich diese Krisen auf die Kindersterblichkeit auswirken, ist sehr schwer zu messen. Aber klar ist: Wenn sauberes Trinkwasser und ausreichende, gesunde Nahrungsmittel sowie Medikamente fehlen, sind die Kleinsten und Schwächsten in großer Gefahr.
In Konfliktländern oder Ländern, die als "fragil" eingestuft werden, ist die Kindersterblichkeit durchschnittlich drei Mal so hoch wie in anderen Ländern.
Was man tun kann gegen Kindersterblichkeit – und für das Überleben
Und was kann man tun, um Kinder zu retten und ihr Überleben und Wohlergehen zu sichern? Wie erwähnt, es wurde schon viel erreicht. Wir wissen also, was hilft, und können auf den Erfolgen aufbauen.
Eigentlich ist es ganz einfach.
Kinder brauchen einen guten Schutz, von Anfang an – und das heißt schon vor der Geburt. Wenn Mädchen und Frauen vor ungewollten oder zu frühen Schwangerschaften geschützt sind und wenn sie bei einer Schwangerschaft gesund, gut ernährt sind und von erfahrenen Helfer*innen betreut werden, sind das die besten Voraussetzungen für ihr späteres Kind.
Gesundheitssysteme müssen so ausgestaltet sein, dass jede Geburt unter sicheren und hygienischen Umständen stattfindet und das nötige Personal, medizinische Ausstattung und Medikamente zur Verfügung stehen.
Jedes Kind sollte selbstverständlich sauberes Trinkwasser, sanitäre Anlagen, ausreichend gesunde Nahrungsmittel sowie umfassenden Impfschutz haben und mit den nötigen Medikamenten behandelt werden, wenn es einmal krank ist. Kein Kind sollte je Hunger leiden müssen.
All dies ist heute wichtiger denn je.
Wir alle können etwas tun, um einen Beitrag zur Senkung der Kindersterblichkeitsrate zu leisten. Wenn es unser Kind, unser Enkel oder das Kind von Freund*innen oder Nachbar*innen wäre, würden wir doch auch nicht zögern zu helfen, oder?
* Dieser Beitrag erschien zuerst im September 2013. Wir aktualisieren ihn laufend für Sie mit den neuesten Zahlen.
Quelle: Levels and Trends in Child Mortality Report 2023, United Nations Inter-Agency Group for Child Mortality Estimation (UN IGME), März 2024