Kind sein im Sudan: 5 Fakten
Der Krieg im Sudan hat gravierende Auswirkungen für alle Kinder, die im Land aufwachsen. Lesen Sie, wie es ist, jetzt im Sudan Kind zu sein.
Ganz ruhig sitzt das kleine Mädchen, das Sie oben auf dem Foto sehen, mit den anderen Kindern zusammen und tut das, was für Kinder das Normalste der Welt sein sollte: Spielen. Für Millionen Kinder im Sudan ist diese alltägliche Situation jedoch alles andere als selbstverständlich.
Seit im Frühjahr 2023 Kämpfe zwischen Regierungstruppen und paramilitärischen Milizen ausgebrochen sind, geraten Kinder immer wieder zwischen die Fronten. Anstatt zur Schule zu gehen, sich mit Freund*innen zu treffen und zu spielen, mussten Millionen Kinder aus ihrem Zuhause fliehen, sind schwerer Gewalt ausgesetzt und leiden Hunger. Sie erleben keine normale Kindheit – ihre Kindheit ist unter Beschuss.
Seit Jahrzehnten kommt es im Sudan immer wieder zu bewaffneten Konflikten und Gewalt, die politische Lage ist instabil. Der Sudan ist flächenmäßig der drittgrößte Staat und gleichzeitig eines der ärmsten Länder auf dem afrikanischen Kontinent. Schwerwiegende Folgen des Klimawandels wie Dürren und Überschwemmungen treffen Familien im Sudan immer wieder.
Die humanitäre Lage im Land war schon vor dem Krieg dramatisch. Nun hat sich die Not der Familien noch einmal massiv verschärft. Etwa 14 Millionen Kinder im Sudan benötigen dringend humanitäre Hilfe – das sind so viele Kinder wie in ganz Deutschland leben. Von der Gewalt besonders betroffen sind die Hauptstadt Khartum sowie die Region Darfur im Westen des Landes. Und auch in anderen Bundesstaaten, zum Beispiel Jezira und Sennar, erleben die Menschen schwere Gewalt.
Was es für Kinder bedeutet, jetzt im Sudan aufzuwachsen, erklären wir in fünf Fakten in diesem Blog:
Fakt 1: Millionen Kinder sind auf der Flucht
Aufgrund der anhaltenden Gewalt im Land mussten unzählige Menschen unter gefährlichsten Bedingungen fliehen. Seit April 2023 haben mehr als elf Millionen Menschen ihr Zuhause verlassen, um Schutz zu suchen – darunter fünf Millionen Kinder. Der Sudan hat sich inzwischen zum Schauplatz der weltweit größten Vertreibungskrise für Kinder entwickelt. Auf der Flucht sind Kinder gefährdet, von ihren Eltern getrennt und Opfer von Menschenhandel, Ausbeutung oder Gewalt zu werden.
Schon vor dem Ausbruch der Gewalt im April 2023 lebten Millionen Menschen im Sudan als Binnenvertriebene in Flüchtlingscamps und Notunterkünften. Viele Unterkünfte sind hoffnungslos überfüllt, es mangelt an Wasser und sanitären Einrichtungen. Die aufgestellten Zelte bieten kaum Schutz vor Regen, Hitze oder anderen Wetterextremen.
Ein Großteil der Menschen ist innerhalb des Sudans vertrieben, viele Familien suchen aber auch in den afrikanischen Nachbarländern wie Tschad, Ägypten oder Südsudan einen sicheren Ort, an dem sie erstmal bleiben können. Familien, die alles zurücklassen mussten, stehen vor dem Nichts. Sie brauchen dringend Unterstützung.
Fakt 2: Kinder werden in den gewaltsamen Konflikt hineingezogen
Bei den Kämpfen geraten Kinder immer wieder selbst unter Beschuss. Sie werden schwer verletzt oder getötet, es kommt zu Angriffen auf Schulen oder zu Fällen sexualisierter Gewalt. Auch gibt es Berichte darüber, dass Kinder als Kindersoldatinnen und Kindersoldaten rekrutiert werden – eine schwere Kinderrechtsverletzung, die den Kindern ihrer Kindheit beraubt und traumatischen Erlebnissen aussetzt. Dabei können sie am allerwenigsten für die Auseinandersetzungen.
Durch den aktuellen Konflikt hat die Gewalt gegen Kinder dramatische Ausmaße angenommen: 2023 verzeichnete der Sudan die höchste Zahl schwerer Kinderrechtsverletzungen seit über einem Jahrzehnt. Für die Kinder sind die Erlebnisse traumatisierend. Viele stehen unter Schock.
UNICEF setzt alles daran, Kinder vor Gewalt in jeglicher Form zu schützen und ehemaligen Kindersoldatinnen und Kindersoldaten den Weg zurück in eine normale Kindheit zu ermöglichen. In unseren Programmen unterstützen wir Kinder mit Bildungsangeboten, medizinischer Versorgung und psychosozialer Betreuung. Das hilft ihnen, traumatische Erlebnisse zu verarbeiten. In der ersten Jahreshälte 2024 hat UNICEF zum Beispiel 2,1 Millionen Kinder und Betreuungspersonen mit psychosozialer Hilfe sowie Lern- und Schutzangeboten erreicht.
Fakt 3: In Teilen Sudans herrscht eine Hungersnot
In Folge des Krieges ist der Sudan nicht nur zum Schauplatz der größten Vertreibungskrise, sondern auch der schlimmsten Hungerskatastrophe weltweit geworden. Etwa 730.000 Kinder sind so schwer mangelernährt, dass ihr Leben in Gefahr ist – viele von ihnen leben in Gebieten, in denen ständig gekämpft wird und die deshalb nur schwer zugänglich sind.
Der Sudan weist eine der höchsten Raten von Mangelernährung bei Kindern weltweit auf. Schon vor dem aktuellen Konflikt wussten etliche Familien aufgrund von Wirtschaftskrise und Folgen des Klimawandels nicht, wie sie sich und ihre Kinder ausreichend ernähren sollen. Nun hat sich ihre Situation dramatisch verschärft.
Wenn Mangelernährung nicht rechtzeitig behandelt wird, kann sie schwere Folgen für die Entwicklung der Kinder haben und im schlimmsten Falle sterben Kinder. Auch Arafa, eine junge Mutter aus Port Sudan, befürchtete, dass sie ihre Zwillingsmädchen verlieren wird. Beide Mädchen sind mangelernährt, eines davon, Mawada, sogar lebensbedrohlich. In der Gesundheitseinrichtung Dar Al Salam bekommen sie Hilfe.
Unsere Kolleg*innen im Sudan tun alles, um schwer mangelernährte Kinder rasch zu behandeln. Der erste Schritt dafür ist, dass Mangelernährung überhaupt erkannt wird. Dafür untersuchen geschulte Gesundheitshelfer*innen die Kinder. Eltern erhalten Informationen, wie sie ihre Kinder mit allen wichtigen Nährstoffen versorgen können. Damit die Kinder, die tatsächlich von Mangelernährung betroffen sind, schnell wieder zu Kräften kommen, stellt UNICEF lebensrettende, therapeutische Nahrung wie eine spezielle Erdnusspaste bereit. In diesem Jahr konnten so bis August bereits 174.000 schwer akut mangelernährte Kinder behandelt werden.
Mawadas Zustand hat sich schon deutlich verbessert, seit Arafa vor ein paar Wochen das erste Mal mit den Mädchen in die Gesundheitseinrichtung kam. Arafa blickt hoffnungsvoll in die Zukunft: „Ich hoffe, dass ich sie ‘Mama’ und ‘Papa’ sagen höre und dass sie gesund aufwachsen“.
Fakt 4: Krankheitsausbrüche bedrohen das Leben von Kindern
Immer wieder kommt es im Sudan zu schweren Krankheitsausbrüchen. Der fehlende Zugang zu sauberem Wasser sowie mangelnde Hygiene bedingen, dass Krankheiten sich leichter ausbreiten können. Überschwemmungen während der Regenzeit im Sommer 2024 haben zusätzlich zu Ausbreitungen beigetragen und zu einem Choleraausbruch geführt. Bis Ende des Jahres drohen 500.000 Kinder an Cholera zu erkranken. Insgesamt sind mehr als drei Millionen Kinder durch Cholera und andere Krankheiten wie Masern, Malaria, Durchfall und Lungenentzündung gefährdet.
Gleichzeitig haben viele Menschen keinen Zugang zu medizinischer Versorgung. Das Gesundheitssystem steht kurz vor dem Zusammenbruch. In den Gebieten, die vom gewaltvollen Konflikt betroffen sind, sind über 70 Prozent der Gesundheitseinrichtungen nicht funktionstüchtig. Viele Ärzt*innen oder Pfleger*innen können aus Sicherheitsgründen nicht ins Krankenhaus kommen. Es fehlt an Medikamenten und medizinischer Ausrüstung.
Wenn Infektionskrankheiten wie Polio, Masern oder Cholera grassieren, sind Kinder gefährdet, lebensbedrohlich zu erkranken, insbesondere mangelernährte Kinder. Denn ihre Körper sind bereits geschwächt und haben der Krankheit wenig entgegenzusetzen.
Unsere Kolleg*innen vor Ort tun alles dafür, Kinder vor Krankheiten zu schützen und trotz der schwierigen Bedingungen Zugang zu Gesundheitsversorgung zu ermöglichen. Um einer Infektion vorzubeugen, hilft UNICEF zum Beispiel dabei, Kinder zu impfen. In den vergangenen Monaten wurden mit der Unterstützung von UNICEF Impfkampagnen gegen Cholera und Polio durchgeführt. Anfang November haben unsere Kolleg*innen gemeinsam mit den Gesundheitsbehörden und Partnern zudem damit begonnen, Kinder im Sudan erstmals mit dem neuen Malaria-Impfstoff zu impfen.
Fakt 5: Schulen im Sudan sind geschlossen
Im Sudan herrscht eine der schlimmsten Bildungskrisen weltweit. Hunderte Schulen sind aufgrund der anhaltenden Gewalt geschlossen oder werden als Notunterkünfte für geflüchtete Familien genutzt. Die Folge: Mehr als 17 Millionen Kinder können nicht zur Schule gehen. Eine ganze Generation von Schüler*innen verpasst wichtige Zukunftschancen.
Die Schule ist gerade in Konfliktzeiten mehr als ein Klassenzimmer: Neben Lesen, Schreiben und Rechnen lernen Kinder in der Schule auch soziale und emotionale Kompetenzen, die ihnen helfen, Gewalt, Verlust und Traumata zu bewältigen. Außerdem haben viele Kinder über die Schule Zugang zu wichtigen Dienstleistungen wie Schulmahlzeiten, Impfungen oder auch psychosoziale Unterstützung. Kinder, die nicht zur Schule gehen, verpassen nicht nur den Unterricht, sie sind zudem unmittelbaren Gefahren ausgesetzt, darunter Rekrutierung durch bewaffnete Gruppen und sexualisierte Gewalt.
Für Mädchen ist die Schule ein sicherer Ort, an dem sie Hilfsangebote zum Schutz vor Kinderheirat oder Genitalverstümmlung erhalten. Jetzt, wo Schulen geschlossen haben, scheint die Unterstützung für viele unerreichbar. Die dreizehnjährige Kinderrechtsaktivistin Fiyha gibt nicht auf: „Viele Leute glauben, dass wir heiraten sollten, weil die Schulen geschlossen sind. Aber wir sagen: Ob es nun eine Schule gibt oder nicht, wir werden mit den Aufklärungsaktionen in Krankenhäusern, Nachbarschaften oder bei gesellschaftlichen Veranstaltungen weitermachen."
UNICEF arbeitet unermüdlich daran, dass alle Kinder Zugang zu Bildung erhalten. Wir richten zum Beispiel Lernzentren ein und verteilen Lernmaterialien wie Stifte und Schulbücher. UNICEF setzt sich darüber hinaus zusammen mit Partnern dafür ein, dass Schulen wieder sicher öffnen können.
In sechs Bundesstaaten des Sudan konnten Schulen in den letzten Monaten teilweise wieder geöffnet werden – ein Zeichen der Hoffnung – doch weiterhin sind etwa 90 Prozent der Schulen geschlossen.
Die Kinder im Sudan brauchen dringend Hilfe!
UNICEF ist seit mehr als 70 Jahren im Sudan vor Ort, um die Kinder und ihre Familien zu unterstützen. Auch in der aktuellen schwierigen Situation setzen wir alles daran, die Grundversorgung der Kinder aufrechtzuerhalten.
Wir brauchen Ihre Unterstützung, um den Kindern und Familien ausreichend helfen zu können – gerade jetzt, wo die Not durch den Konflikt immer größer wird. Vielen Dank, dass Sie uns mit Ihrer Spende helfen. Jeder Beitrag zählt!