In Sicherheit: Ukrainische Familien in Deutschland
Sechs lange Monate dauert der Krieg in der Ukraine mittlerweile an. Millionen Kinder mussten vor den Kämpfen fliehen. Viele von ihnen haben in Deutschland Zuflucht gefunden – darunter auch Natalia und ihre Tochter Kira. Im Blog erfahren Sie, was ihnen und anderen geflüchteten Familien hilft, das Erlebte zu verarbeiten.
Fast jeden Tag stellt die dreijährige Kira ihrer Mutter Natalia die gleichen Fragen: „Wird Kiew heute bombardiert? Wann fahren wir wieder nach Hause?" Fragen, die Natalia das Herz brechen, denn sie hat keine Antworten darauf.
So geht es ukrainischen Familien in Deutschland
Im Februar – als der Krieg in der Ukraine begann – mussten Natalia und Kira wie Millionen andere Ukrainer*innen aus ihrer Heimat fliehen. Inzwischen sind mehr als sechs Millionen Menschen aus der Ukraine geflohen, darunter über zwei Millionen Kinder. Die Kämpfe haben nicht nur viele Leben gekostet, sondern auch die Zukunft unzähliger Menschen zerstört, vor allem der Kinder.
Natalia und Kira haben in Deutschland Zuflucht gefunden. Sie leben in Michendorf, einem kleinen Ort in der Nähe von Berlin. Hier versuchen sie anzukommen und helfen beim Aufbau eines Kindergartens und einer Schule für geflüchtete Kinder aus der Ukraine.
„Hier kommen Kinder im Alter von anderthalb bis sechs Jahren zusammen“, sagt Natalia. „Einige von ihnen mussten drei Wochen in einem Keller Schutz suchen, bevor sie evakuiert wurden. Viele von ihnen konnten nichts aus ihrem Zuhause mitnehmen. Doch jetzt sind sie in Sicherheit und können mit anderen Kindern zusammen sein und zur Ruhe kommen. Sie fangen an, die Bombenangriffe zu vergessen.“
Seit Beginn des Kriegs gegen die Ukraine haben rund 350.000 ukrainische Kinder und Jugendliche in Deutschland Schutz gesucht. Wir von UNICEF möchten sie gezielt unterstützen: mit der digitalen und kostenlosen Plattform U-Report Europe.
Über verschiedene Messenger-Apps können Jugendliche ab 14 Jahren hier auf Englisch und Ukrainisch wichtige Informationen abrufen und an Umfragen teilnehmen.
Hier geht es direkt zu U-Report (auf Ukrainisch).
Sie möchten das Projekt unterstützen und / oder weiterverbreiten? Hier finden Sie alle Informationen.
"Ich halte nur wegen dieses Kindergartens durch"
Bevor die Gewalt in der Ukraine im Februar eskalierte, arbeitete Natalia als Innenarchitektin. In Deutschland traf sie drei andere geflüchtete Frauen: Iryna, Sozialarbeiterin, Julia, Redakteurin, und Marina, Anwältin. Ihr gemeinsamer Wunsch war es, einen Kindergarten für ihre Kinder zu gründen.
Mittlerweile besuchen etwa 30 ukrainische Jungen und Mädchen den Kindergarten, der sich in einem kleinen Kulturzentrum befindet. Die Räume werden von der Kommune zur Verfügung gestellt. Die Frauen engagieren sich alle ehrenamtlich als Lehrerinnen und Köchinnen.
Natalia weiß, wie wichtig Orte wie diese für kleine Kinder sind, die vor dem Krieg geflohen sind und jetzt dringend Stabilität brauchen.
„Ich habe gesehen, wie meine Tochter mit einem deutschen Mädchen spielte, sie an der Hand zog und sagte: ‚Wir müssen uns vor den Bomben verstecken‘“, sagt Natalia. „Ihre deutsche Freundin hat das gar nicht verstanden, weil sie nicht weiß, was es heißt, bombardiert zu werden. Dieses Angstgefühl möchte ich für unsere Kinder nicht normalisieren.“
Natalia fügt hinzu: „Ich halte nur wegen dieses Kindergartens durch. Wenn man zu Hause ist, kann man einfach nicht anders als auf dem Telefon nachzuschauen, was in der Ukraine geschieht. Aber wenn man hier ist, sind die Kinder da, sie sind alle laut und alle haben einen eigenen Charakter. Während dieses halben Tages fühlt man sich wie in einer anderen, guten Welt. Und dann wird es einfacher.“
"Du kannst dein Herz nicht ausschalten"
Obgleich der Kindergarten für die ukrainischen Kinder und ihre Eltern eine große Stütze ist, bleibt die Traurigkeit, die Natalia und Kira empfinden, weil sie ihr Zuhause und ihre Lieben verlassen mussten.
„Die Umstände, unter denen wir nach Deutschland kamen, sind schmerzhaft, deshalb können wir nur langsam hier ankommen“, sagt Natalia und hat Tränen in den Augen. „Wir können nicht aufhören, auf unsere Telefone zu schauen und Nachrichten von zu Hause zu lesen. Psychologen raten uns, unser Leben nicht auf Eis zu legen. Wir sind allen Deutschen sehr dankbar, dass sie uns aufgenommen haben und dass wir in Sicherheit sind, aber man kann sein Herz nicht ausschalten. Das Heimweh tut weh.“
Julia, Mutter von zwei Kindern aus Charkiw, hilft der Kindergarten sich in Deutschland zu Hause zu fühlen. Eine Woche dauerte ihre Flucht.
„Alle Frauen hier mussten ihre Männer verlassen“, sagt sie und hält ihre Tochter Nastia im Arm. „Es fühlt sich so an, als ob du in Stücke gerissen wurdest und dein Herz herausgerissen wurde. Das Schwierigste ist, dass wir nicht wissen, wann wir uns wiedersehen werden.“
„Als wir vor dem Krieg flohen, fragte mich mein Sohn mit ängstlichen großen Augen immer wieder: ‚Mama, werden wir sterben? Gehen wir heute, Mama?‘ Ich sagte, sein Vater und ich würden alles tun, damit es ihnen gut geht und sie am Leben bleiben. Wir leben mit dieser Überzeugung und sind deshalb an einen sichereren Ort gezogen.“
Hier in Deutschland ist der Kindergarten für die Frauen und ihre Kinder ein Ort zum Wohlfühlen und der Sicherheit. Und eines Tages, so hofft Natalia, wird sie ihrer Tochter endlich sagen können: „Wir fahren morgen nach Hause.“
So hilft UNICEF in der Ukraine: Psychosoziale Betreuung für traumatisierte Kinder
Wir hoffen, wir konnten Ihnen einen Eindruck davon vermitteln, wie es geflüchteten ukrainischen Familien in Deutschland geht. Doch auch innerhalb der Ukraine sind 2,8 Millionen Kinder auf der Flucht (Stand 17. Mai 2022).
Viele von ihnen haben Schreckliches erlebt. Dinge, die ein Kind niemals erleben sollte. Und auch denjenigen, die in die Nachbarländer geflohen oder in ihren Heimatorten geblieben sind, droht die Gefahr, durch den Krieg traumatisiert zu werden. Oder sie sind es bereits.
Wie helfen wir von UNICEF den Kindern in der Ukraine? Seit dem 24. Februar haben wir gemeinsam mit unseren Partnern über 1,4 Millionen Kinder und Erziehungsberechtigte in der Ukraine mental und psychosozial betreut. Das soll ihnen helfen, die erschreckenden Erlebnisse des Krieges zu verarbeiten und ein Stück zur Normalität zurückzufinden.
Die Hilfe reicht von der Betreuung in U-Bahnstationen und anderen Schutzräumen über Hilfe bei geschlechtsspezifischer Gewalt bis zu Unterstützung bei der Vermittlung von Therapieplätzen. Kinder brauchen langfristige, verlässliche Hilfe und Therapie.
Wenn Sie diese Hilfe unterstützen möchten, können Sie dies am besten als UNICEF Nothilfe-Patin / Nothilfe-Pate Ukraine tun. Vielen Dank an alle, die bereits helfen oder sich in Zukunft dazu entschließen. Ihr Beitrag macht einen Unterschied.
Als Nothilfe-Pate Ukraine langfristig helfen
Viele Mädchen und Jungen harren bis heute mit ihren Familien in der Ukraine aus. Als UNICEF Nothilfe-Patin / -Pate bleiben Sie an ihrer Seite. Sie helfen beispielsweise, Spielangebote für Kinder weiter offen zu halten und in den umkämpften Gebieten für sauberes Trinkwasser und Medikamente zu sorgen. Vielen Dank!
Gleichzeitig bleiben Sie flexibel: Sie können Ihr Engagement jederzeit beenden.
Sie möchten mehr UNICEF-Blogs zur Ukraine lesen? In unseren Blogbeiträgen zur Ukraine schildern wir die aktuelle Situation der Kinder, geben Tipps, wie man mit Kindern über den Krieg sprechen kann, und erklären Ihnen, wie sich der Konflikt über die Jahre entwickelt hat.
* Dieser Beitrag ist ein Text von UNICEF International. Wir haben ihn für Sie übersetzt.