© UNICEF/UNI265323/CharbonneauSyrien-Krieg: Schule für geflüchtete Kinder im Za'atari Camp in Jordanien
Kinder weltweit

Symbol der Syrien-Krise: Zehn Jahre Za’atari Flüchtlings-Camp

Das Flüchtlingscamp Za’atari in Jordanien besteht schon seit zehn Jahren und ist damit ein Symbol für die lange Dauer des Syrien-Krieges. 


von Ninja Charbonneau

Wenn es ein Symbol für die festgefahrene Syrien-Krise gibt, dann ist es für mich das Flüchtlingscamp Za’atari in Jordanien. Gleichzeitig gibt es kaum einen Ort, an dem man so deutlich sieht, wie wichtig Bildung ist – und zu welcher Entwicklung junge Menschen mit Unterstützung auch unter schwierigsten Umständen fähig sind.

Im Sommer 2012 wurde das Za’atari Camp mitten in der Wüste für die Menschen geöffnet, die zu Tausenden vor den Kämpfen und Bomben aus dem benachbarten Syrien flohen, unter ihnen viele Familien mit Kindern. Die meisten dachten damals, sie würden sich für kurze Zeit in Sicherheit bringen müssen und könnten bald nach Hause.

Zehn Jahre Za'atari: Was ist aus den Kindern geworden?

Im Sommer 2022, unglaubliche zehn Jahre später, besteht das Camp immer noch. Zwar ist nur ein Bruchteil der syrischen Geflüchteten hier untergekommen, aber nach wie vor leben in Za’atari rund 80.000 Menschen in einer Container-Stadt. 20.000 Babys wurden hier im vergangenen Jahrzehnt geboren – durchschnittlich 40 Babys jede Woche. Kleine Kinder wurden in dieser Zeit zu Jugendlichen, Jugendliche zu Erwachsenen.

Syrien-Krieg: Schule für geflüchtete Kinder im Za'atari Camp in Jordanien

Das syrische Flüchtlingscamp Za’atari in Jordanien 2014: Von UNICEF unterstützte Schulen bringen Struktur und Halt in den Alltag der geflüchteten Mädchen und Jungen.

© UNICEF/UNI265323/Charbonneau

Ich erinnere mich sehr gut an meinen ersten Besuch in Za’atari im Herbst 2014. Noch waren nicht alle Zelte durch Container ersetzt, schwere Tanklastwagen mussten Trinkwasser zu großen Behältern in das staubige Camp bringen. Inmitten dieser trostlosen Umgebung hat UNICEF Schulen eröffnet und Kinder- und Jugendzentren eingerichtet, damit die Mädchen und Jungen Struktur und Halt im Alltag finden und ihren Bildungsweg weitergehen konnten. Vielen Kindern, die ich getroffen habe, war der Schrecken, dem sie entkommen waren, anzusehen. Aber sie waren auch voller Hoffnung für die Zukunft. Ich habe mich oft gefragt, was aus ihnen geworden ist.

Syrien-Krieg: UNICEF-Helfer mit Kindern im Zaatari Camp in Jordanien

Kinder im Za’atari Camp für syrische Geflüchtete in Jordanien im Gespräch mit einem UNICEF-Helfer im November 2014. Was ist wohl aus ihnen geworden?

© UNICEF/UNI265522/Charbonneau

Hanadi: Von Schülerin zu Lehrerin im Za’atari Camp

Mein UNICEF-Kollege Toby Fricker, der mehrere Jahre lang in Jordanien gelebt und gearbeitet hat, hat zwischen Januar 2013 und August 2015 unzählige Male das Flüchtlingscamp Za’atari besucht und Kinder und Familien interviewt. Vor kurzem hatte er Gelegenheit, noch einmal nach Za’atari zu fahren – dort traf er unter anderem Hanadi wieder. Bei ihrer ersten Begegnung 2013 war Hanadi ein 17-jähriger Teenager, erst vor kurzem aus Damaskus geflohen und froh, im Flüchtlingscamp wieder lernen zu können.

Aus der früheren Schülerin Hanadi ist inzwischen eine junge Frau und engagierte Lehrerin geworden, die syrischen Kindern im Za’atari Camp den Umgang mit Computern beibringt. „Ich glaube, ich bewirke etwas. Ich kann wirklich helfen“, sagt Hanadi. Ihre Schülerinnen und Schüler sind zwischen elf und 16 Jahren alt und haben noch keine Erfahrung mit Computern. „Ich bringe ihnen genug bei, dass sie einen Anfang machen können.“

Ganz neu in einem fremden Land anfangen zu müssen, wie Hanadi und so viele andere syrische Mädchen und Jungen es mussten, ist sehr schwer. Hanadi hat es geschafft, einen Schulabschluss zu machen und zu studieren – damit ist sie Inspiration für viele andere.

Computer-Kurs im Za'atri Camp in Jordanien

In einem von UNICEF unterstützten „Makani“-Zentrum im Za’atari Camp bringt Hanadi heute syrischen Mädchen und Jungen den Umgang mit Computern bei.

© UNICEF/UN0689299/Fricker

Jüngste UNICEF-Botschafterin Muzoon Almellehan

Auch Muzoon Almellehan war früher Bewohnerin des Za’atari Camps und inspiriert heute viele Menschen auf der ganzen Welt. Vor fast einem Jahrzehnt floh die damals 13-Jährige mit ihrer Familie aus Syrien. Inzwischen hat sie in Großbritannien studiert, setzt sich als Aktivistin unermüdlich für das Recht jeden Kindes auf Bildung ein und wurde 2017 zur jüngsten UNICEF-Botschafterin ernannt.

Vor kurzem ist Muzoon Almellehan nach Jordanien gereist, um auf die Bildungskrise in Folge der Covid-Pandemie aufmerksam zu machen. „Die unbequeme Wahrheit ist, dass die am stärksten gefährdeten Kinder – inmitten von Konflikten und COVID-19 – so viel Schulbildung verpasst haben, dass viele nicht lesen und schreiben können. Das ist herzzerreißend“, schrieb sie auf Twitter.

Während ihres Besuchs in Jordanien sah die UNICEF-Botschafterin zum ersten Mal auch das Za’atari Camp wieder, in dem sie als Mädchen Zuflucht gefunden hatte. „Nach Za’atari zurückzukehren ist sehr emotional für mich. Es war der erste Ort, den ich ‚zu Hause‘ nennen konnte nach der Flucht aus meinem geliebten Heimatland. Der Gedanke an die Schwierigkeiten, mit denen Kinder und Familien in Flüchtlingscamps zu kämpfen haben, belastet mich manchmal sehr. Dennoch – obwohl die Zeit im Camp zur schwierigsten in meinem Leben gehört hat, habe ich dort auch meine Stimme als Aktivistin gefunden, und das hat mein Leben verändert.“

In einem sogenannten „Makani“ („Mein Ort“)-Zentrum in Amman traf Muzoon Almellehan Kinder, die Lernhilfe bekommen und an verschiedenen Kursen und Freizeitaktivitäten teilnehmen können.

UNICEF-Botschafterin Muzoon in Jordanien

Ahla (8) im Gespräch mit UNICEF-Botschafterin Muzoon Almellehan in einem „Makani“-Zentrum in der jordanischen Hauptstadt Amman.

© UNICEF/UN0696281/Matas

Seit Beginn des „Makani“-Programms 2015 hat UNICEF fast eine halbe Million Kinder und Jugendliche unterstützt. UNICEF arbeitet mit der jordanischen Regierung zusammen daran, dass geflüchtete Mädchen und Jungen weiter zur Schule gehen oder ihren Bildungsweg wieder aufnehmen können.

Es ist furchtbar, dass der Syrien-Krieg nach über elf Jahren noch immer nicht beendet ist. Auch wenn es manchmal so scheint, dass die Weltöffentlichkeit sich nicht mehr für Syrien oder die geflüchteten Menschen in Za’atari und anderswo interessiert – für UNICEF gilt das nicht. Wir unterstützen Kinder in Konflikten von Afghanistan über Jemen oder Pakistan bis Ukraine überall, wo es nötig ist, so gut es geht, damit sie trotz allem zur Schule gehen können und die Chance auf eine bessere Zukunft haben.

Während die Zeit in Za’atari stehengeblieben zu sein scheint, geht das Leben für die Menschen dort weiter. Und es tut gut, sich Hoffnungsträgerinnen wie Hanadi oder Muzoon anzusehen, die ihre Chance genutzt haben und damit die nächste Generation inspirieren.

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Autor*in Ninja Charbonneau