Bildungskrise durch Corona: Schule ist mehr als ein Klassenzimmer
Mit dem Lockdown als Maßnahme zur Eindämmung des Coronavirus kam es zu weltweiten Schulschließungen. In manchen Ländern sind Schulen seitdem komplett geschlossen. Welche Folgen hat das für Kinder und wie können wir ihnen helfen?
Nie zuvor konnten so viele Kinder zur gleichen Zeit nicht die Schule besuchen. Am Höhepunkt der coronabedingten Schulschließungen im April 2020 waren weltweit 90 Prozent der Schulkinder betroffen.
Das hat verheerende Folgen für alle Kinder und Jugendlichen. Ganz klar ist aber: Die ärmsten Kinder treffen die geschlossenen Schulen am stärksten und nachhaltigsten.
Schulschließungen können Zukunftschancen zerstören
Oft haben Kindern in den ärmsten Familien keine Möglichkeit, die alternativen Lernangebote außerhalb der Schule wahrzunehmen. So haben sie beispielsweise keinen Internetzugang oder besitzen keine Mobilgeräte. Die Folge: Ein Drittel der Schulkinder weltweit konnte im letzten Jahr nicht am Fernunterricht teilnehmen und hat so keinerlei Schulbildung erhalten.
Durch die Corona-Pandemie und die Maßnahmen zur Eindämmung stehen viele der ärmsten Familien am Rande ihrer Existenz. Viele Kinder müssen arbeiten gehen, um ihre Eltern zu unterstützen. Mädchen werden früher verheiratet – denn viele Eltern sehen dies oft als einzige Perspektive, ihre Töchter zu versorgen. UNICEF geht davon aus, dass es 10 Millionen zusätzliche Kinderehen bis 2030 geben könnte.
- 168 Mio.Kinder
Für mehr als 168 Millionen Kinder sind Schulen aufgrund von Corona-Lockdowns seit fast einem Jahr vollständig geschlossen (Stand: März 2021).
- 10 Mio.Kinderehen
In Folge der Corona-Pandemie könnte es bis 2030 zusätzlich 10 Millionen Kinderehen geben
- 39 Mrd.Schulmahlzeiten
Aufgrund der Schulschließungen haben 2020 laut des Welternährungsprogramms (WFP) 370 Mio. der ärmsten Kinder 39 Mrd. Mahlzeiten verpasst.
Je länger Kinder die Schule nicht besuchen, desto größer ist die Gefahr, dass sie nicht zurückkehren. Das könnte laut UNICEF-Schätzungen in Folge der Corona-Pandemie 24 Millionen Kinder betreffen. Hinzu kommen 258 Millionen Kinder und Jugendliche, die auch schon vor der Pandemie keinen Zugang zu Bildung hatten. Die betroffenen Jungen und Mädchen können so nicht ausreichend Fähigkeiten erwerben, um sich eine bessere Zukunft aufzubauen. Die Gefahr besteht, dass zukünftig noch mehr Familien von extremer Armut betroffen sein werden.
Für viele Kinder ist die Schule mehr als ein Klassenzimmer. Die Gemeinschaft von Schulkindern und ausgebildeten Lehrerinnen und Lehrern bietet Sicherheit: Dort können sich die Kinder austauschen, gemeinsam spielen und erhalten bei Bedarf psychosoziale Unterstützung. Das stärkt das Wohlbefinden und Selbstbewusstsein der Kinder. Durch die Schulschließungen steigt das Risiko von Missbrauch und Gewalterfahrungen.
Die Schule sorgt außerdem dafür, dass Jungen und Mädchen geimpft werden und ein warmes Mittagessen erhalten – für viele Schulkinder oft die einzige Mahlzeit am Tag.
Aufgrund der Schulschließungen haben 370 Millionen der ärmsten Kinder im vergangenen Jahr 39 Milliarden Mahlzeiten verpasst. Schulschließungen bedeuten also auch verpasste Chancen auf ausreichend Ernährung und somit ein gesundes Wachstum.
Kindheit in der Corona-Pandemie
Möchten Sie mehr über die Folgen der Pandemie für Kinder weltweit erfahren und darüber, wie UNICEF hilft? Hier finden Sie immer die aktuellsten Corona Infos im UNICEF Blog.
Lernen während Corona: So unterstützt UNICEF Kinder weltweit
Weltweit sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von UNICEF rund um die Uhr im Einsatz, um Lernangebote auch in Zeiten von Corona zu ermöglichen und die Wiedereröffnung von Schulen mit Sicherheitskonzepten und Hygienemaßnahmen zu unterstützen. Denn Bildung ist die wichtigste Voraussetzung, um der Armut zu entkommen und sich eine bessere Zukunft aufzubauen.
Jedes Kind hat das Recht zu einer inklusiven, chancengerechten und hochwertigen Bildung. Die Corona-Krise ist also auch eine Krise der Kinderrechte – und sie droht, das Erreichen der nachhaltigen Entwicklungsziele in weite Ferne zu rücken.
Folgende Geschichten zeigen, wie UNICEF sich weltweit dafür einsetzt, Kinder beim Lernen in Corona-Zeiten zu unterstützen:
Timor-Leste, Ukraine und Kosovo: Der "Ausweis" zum digitalen Lernen
Stolz hält eine Schülerin ihr Handy in die Kamera: Lernen über das Smartphone klingt wie Zukunftsmusik, in Timor-Leste, der Ukraine und dem Kosovo ist das aber bereits Realität. Mit dem "Learning Passport" haben Kinder, Eltern und Lehrkräfte einfachen Zugang zu Bildungsinhalten des jeweiligen Landes, darunter Online-Bücher, Tonaufnahmen und Videos. Die E-Learning-Plattform, die vom Technologieunternehmen Microsoft, der University of Cambridge und UNICEF schon vor Corona entwickelt wurde, startete letztes Jahr als Pilotprojekt in Timor-Leste und anderen Ländern. Zusammen mit analogen Übungsheften und anderen Lernmaterialien können die Jungen und Mädchen so von zuhause aus lernen.
Nicht alle Kinder und Jugendliche können Online-Angeboten wahrnehmen. Zwei Drittel der Kinder im Schulalter weltweit haben keinen Internetzugang zuhause. Zusammen mit verschiedenen Internet- und Mobilfunkanbietern setzt UNICEF sich dafür ein, Haushalte mit einem kostenlosen Internetzugang, digitalen Bildungsmaterialen und finanziellen Zuschüssen zu versorgen.
Äthiopien: Ein Radio als Lehrer
Doch was, wenn kurzfristig kein Zugang zum Internet hergestellt werden kann? So war es bei Farhia. Sie wohnt in einem kleinen Dorf in Äthiopien, wo sie weder Zugang zum Internet noch Radiosignal hat. Lange hatte sie dafür gekämpft, in die Schule gehen zu können. Ihr Traum ist es nämlich, Ärztin zu werden.
Dann kam Covid-19 und die Schulen mussten geschlossen werden. Zuhause lernt Farhia nun mithilfe eines kleinen Solarradios. Hier steckt sie einen USB-Stick ein, auf dem Lerneinheiten gespeichert sind. Täglich hört Farhia die aufgenommenen Unterrichtsstunden aufmerksam und macht sich Notizen. "Mein Radio ist wie ein Lehrer", sagt sie.
In Äthiopien stellte UNICEF zusammen mit Partnern 20.000 Solarradios bereit, die von schätzungsweise 72.000 Kindern in abgelegenen Dörfern genutzt werden können. Dadurch können Kinder wie Farhia weiterlernen und an ihren Zukunftsträumen festhalten.
Kambodscha: Sicher zurück in die Schule!
Neben alternativen Lernmöglichkeiten ist es aber vor allem wichtig, dass Schulen als sichere Lern- und Gemeinschaftsorte für Kinder baldmöglich wieder zur Verfügung stehen. So wie in Kambodscha: Endlich kann die Preah Nodrom Grundschule öffnen! Die Jungen und Mädchen lernen nun wieder gemeinsam im Klassenzimmer. Etwas ist aber anders als früher: Alle tragen Schutzmasken und halten Sicherheitsabstand. In den Pausen wird den Schulkindern gezeigt, wie sie die Hände richtig mit Seife waschen.
UNICEF ruft Regierungen immer wieder dazu auf, die sichere Wiedereröffnung von Schulen zu priorisieren, und unterstützt gleichzeitig die Umsetzung. Dazu gehört die Entwicklung eines Sicherheitskonzepts sowie die Bereitstellung von Hygiene-Produkten, wie Seife, Desinfektionsmittel und Waschstationen.
Südsudan: Abschlussprüfung per Flugfracht
Um Schülerinnen und Schülern im Südsudan die Chance für den Besuch einer weiterführenden Schule zu ermöglichen, wurden im Februar Prüfungsunterlagen für 1.732 Schulkinder quer durch das Land geflogen. Das Bildungsministerium bat UNICEF bei der Auslieferung der Unterlagen zu helfen, um verpasste Prüfungen schnellstmöglich nachzuholen. Die UNICEF-Mitarbeiter und -Mitarbeiterinnen haben daraufhin alle Hebel in Bewegung gesetzt und neben den Prüfungsunterlagen auch Schutzmasken und Hygiene-Produkte für eine sichere Prüfungswoche mittransportiert.
"Dies war eine wichtige Mission für UNICEF, denn der Zugang zu Bildung ist ein Recht für jedes Kind, unabhängig vom Standort", sagt Andrea Suley, stellvertretende Repräsentantin von UNICEF im Südsudan. "Ich freue mich, dass wir von UNICEF gemeinsam mit unseren Partnern schnell Hilfe mobilisieren und die Prüfungsunterlagen rechtzeitig liefern konnten."
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