Flucht vor dem Krieg in der Ukraine: 9 Kinder, 9 Schicksale
Wie haben aus der Ukraine geflüchtete Kinder die Not der letzten Tage erlebt? Meine Kolleg*innen von UNICEF haben Ende Februar und Anfang März einige von ihnen direkt hinter Grenzübergängen nach Rumänien getroffen.
Die Kinder heißen Yaroslav, Max oder Divia. Sie kommen aus Großstädten wie Kiew oder aus ländlichen Regionen. Überstürzt und verängstigt mussten sie sich mit ihren Familien auf den Weg machen – auf der Flucht vor der Gewalt in der Ukraine, die sich so entsetzlich zugespitzt hatte.
Sie sind nur einige von Hunderttausenden Kindern und Jugendlichen, die ihre Heimat Ukraine wegen des Kriegs verlassen haben und in eines der Nachbarländer geflüchtet sind. Wir möchten Ihnen ihre Geschichten erzählen und Ihnen auch zeigen, wie UNICEF Flüchtlingskinder und geflüchtete Familien jetzt unterstützt und ihnen Schutz bietet.
Ukraine-Flüchtlinge: Kinder an der Grenze
Nicht ohne seinen Hund: Alexander (7) auf der Flucht
Leolea heißt der kleine Hund, an dem Alexanders Herz hängt. Ihn zuhause zurückzulassen, als er flüchten musste, kam für ihn gar nicht in Frage. Zusammen mit seiner Mutter Tania ist Alexander am 28. Februar über den Grenzübergang Siret nach Rumänien eingereist. Jetzt hoffen die Beiden, bei Freunden in Polen unterzukommen.
Weiter nach Italien: Maxim (10) und Mutter flohen aus Kiew
Er habe große Angst gehabt, als er nachts die ersten Bomben hörte, erzählt Maxim aus Kiew. Seine Mutter Natalia, eine Ärztin, zögerte nicht lange: Gleich am zweiten Tag der Angriffe auf die Hauptstadt Kiew setzte sie sich mit ihrem Sohn ins Auto und verließ ihre Heimatstadt. Ihr Ziel: Polen. Doch die Straßen waren zu verstopft, zu viele Menschen wollten wie sie in diese Richtung. Kurzerhand änderten sie ihre Route und fuhren nach Czernowitz nahe der rumänischen Grenze.
Kurz vor der Grenze ließen sie ihr Auto stehen und gingen die letzten Kilometer nach Rumänien zu Fuß weiter. Natalia hat im italienischen Livorno einen Freund aus Kindertagen. Dorthin möchten sie nun, am liebsten per Zug. Maxims Vater, der auch Arzt ist, blieb in Kiew, um dort weiterzuarbeiten.
Angst, das Haus zu verlassen: Nadia (8) und Yaroslav (4)
Aus Angst vor dem, was draußen in ihrem Land passiert, wollten die Geschwister Nadia und Yaroslav ihr Zuhause am liebsten gar nicht verlassen. Ihre Mutter Natalia musste ihnen geduldig zureden. Sie erklärte ihnen, warum es besser sei für sie alle, sich auf den Weg zu machen und Schutz zu suchen. Und dass sie anschließend in Sicherheit wären.
Die Familie wohnte in Czernowitz im Westen der Ukraine, nicht weit von der rumänischen Grenze. Die letzten acht Kilometer sind sie zu Fuß gegangen, weil die Straße zum Grenzübergang zu überfüllt war. In Diemrich im Westen Rumäniens lebt Natalias Ehemann, der dort arbeitet und bereits auf seine Familie wartet.
29-stündige Autofahrt: Yaroslavs (9) Flucht
Eine lange Reise liegt hinter Yaroslav und seiner Mutter Vica aus der südukrainischen Stadt Cherson. Draußen heulten die Sirenen, während Yaroslav und seine Mutter schnell ein paar Sachen packten und losfuhren. In seinem Rollkoffer hat er Kleidung und ein paar Habseligkeiten mitgenommen. 29 Stunden dauerte die Autofahrt, überall gab es Staus. Überall Menschen, die eine Zuflucht vor dem Krieg suchen – Eltern mit ihren Kindern und Jugendlichen, aber auch unbegleitete Kinder.
Am Zoll von Siret (im Norden Rumäniens) angekommen, warten Yaroslav und Vica nun darauf, einreisen zu dürfen. Yaroslavs Mutter sagt: "Wir haben ein paar Freunde in Europa, in Spanien zum Beispiel, vielleicht können wir dorthin gehen." Für eine erste Unterbringung ist gesorgt, denn ein Freund soll die Beiden in Rumänien hinter der Grenze abholen. Wie es aber danach konkret weitergehen wird für sie, wissen sie nicht.
Vielleicht nach Deutschland: Divia (5) und Damia (8)
Auch Divia und Damia sind mit ihrer Mutter Olga nach Rumänien geflüchtet. Zwei Tage lang haben sie in ihrer Nähe Schüsse und Explosionen gehört, bevor sie sich auf den gefährlichen Weg gemacht haben. Sie wohnten im Südwesten der Ukraine, in Saporischschja.
In Rumänien werden sie eine Freundin von Olga treffen, die dort lebt. Wie es dann weitergeht, weiß Olga noch nicht. Sie hat eine Schwester in Deutschland. "Vielleicht fahren wir nächste Woche zu ihr", sagt sie. Aber noch hat Olga die leise Hoffnung, vielleicht doch schon bald in ihre Heimat zurückkehren zu können – sobald es dort sicher genug ist.
Seit Beginn des Kriegs gegen die Ukraine haben rund 350.000 ukrainische Kinder und Jugendliche in Deutschland Schutz gesucht. Wir von UNICEF möchten sie gezielt unterstützen: mit der digitalen und kostenlosen Plattform U-Report Europe.
Über verschiedene Messenger-Apps können Jugendliche ab 14 Jahren hier auf Englisch und Ukrainisch wichtige Informationen abrufen und an Umfragen teilnehmen.
Hier geht es direkt zu U-Report (auf Ukrainisch).
Sie möchten das Projekt unterstützen und / oder weiterverbreiten? Hier finden Sie alle Informationen.
Unbegleitet auf der Flucht: David (7)
Auch David ist in Rumänien angekommen – alleine. Er hatte bisher bei seinen Großeltern gelebt. Seine Oma hatte ihn bis an die Grenze begleitet, ist aber wieder zurückgekehrt in die Ukraine, weil Davids Opa dort bleiben musste. Davids Eltern leben in der Tschechischen Republik, und dorthin wird David nun seine Flucht fortsetzen. UNICEF unterstützt minderjährige unbegleitete Flüchtlinge wie ihn auf ihrem Weg und setzt sich dafür ein, dass gerade sie während dieser gefährlichen Phase geschützt sind.
Startklar in 15 Minuten: Max' (4) Flucht aus Kiew
Nachdem sich Aliona erst einmal entschieden hatte, ging es ganz schnell: Innerhalb von nur 15 Minuten waren sie und ihr Sohn Max abfahrbereit. Sie verließen Kiew unmittelbar nach den ersten Explosionen, noch bevor sich kurze Zeit später lange Autoschlangen und Staus heraus aus der Stadt bildeten. Anfangs habe sie noch die Hoffnung gehabt, der Krieg würde in ein paar Tagen enden, erzählt Aliona. Doch als sie merkte, dass sich die Angriffe verschärften, wollte sie nur noch raus aus der Ukraine.
Jetzt plant sie, zu einer Freundin nach Frankreich zu fahren. "Ich werde ein paar Wochen bei ihr bleiben – und wer weiß, was dann kommt?" Ihr Mann ist in der Ukraine geblieben.
Wie hilft UNICEF geflüchteten Kindern in den Nachbarländern der Ukraine?
UNICEF ist nicht nur in der Ukraine selbst aktiv, sondern auch in den Nachbarländern. Wir arbeiten eng mit unseren festen, bewährten Nothilfe-Partnern zusammen und auch mit lokalen Partnern. Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) koordiniert die Hilfe für Geflüchtete.
Wir versorgen geflüchtete Familien an den Grenzübergängen und kümmern uns um traumatisierte Kinder und Jugendliche. Entlang der Fluchtrouten haben wir in den Grenzgebieten mehrerer Länder (z.B. Rumänien, Moldau) kinderfreundliche Zentren eingerichtet, so genannte "Blue Dots". In diesen sicheren Zentren können wir die geflüchteten Familien gezielt unterstützen und uns um unbegleitete Minderjährige kümmern, die besonderen Schutz brauchen. Aktuell bereiten wir außerdem noch umfangreichere Hilfslieferungen für die aus der Ukraine geflüchteten Menschen vor, mit allem, was sie in dieser Notsituation besonders benötigen.
Wie können Sie von Deutschland aus Kindern aus der Ukraine helfen?
Der Krieg in der Ukraine geht nicht nur die Menschen in den den umkämpften Gebieten etwas an, sondern berührt und besorgt auch uns alle in Deutschland. Uns erreichen aktuell viele Anfragen von UNICEF-Freund*innen, die wissen möchten, was sie konkret tun können in dieser Notsituation.
Meine Kollegin Laura Sandgathe hat sich deshalb Gedanken gemacht und einen Blog eigens zu dieser Frage geschrieben, wie Sie den Kindern in der Ukraine helfen können. Sie können nämlich eine ganze Menge tun, um die Kinder zu unterstützen: Spenden zum Beispiel, Solidarität zeigen oder auch UNICEF-Pate bzw. UNICEF-Patin werden.
Damit helfen Sie den Kindern aus der Ukraine ganz konkret
Sie möchten mehr UNICEF-Blogs zur Ukraine lesen? In unseren Blogbeiträgen zur Ukraine schildern wir die aktuelle Situation der Kinder, geben Tipps, wie man mit Kindern über den Krieg sprechen kann, und erklären Ihnen, wie sich der Konflikt über die Jahre entwickelt hat.