UNICEF-Botschafterin Muzoon: Bildung bedeutet Hoffnung und Stabilität
Anlässlich des Weltflüchtlingstages im Juni wurde Muzoon Almellehan in New York zur jüngsten UNICEF-Botschafterin ernannt.
Der Aktionstag der Vereinten Nationen erinnert an die derzeit mehr als 65,6 Millionen Flüchtlinge – unter ihnen auch 28 Millionen Kinder. Muzoon kennt ihr Schicksal, denn 2013 flüchtete sie mit ihrer Familie aus Syrien. Im Flüchtlingslager in Jordanien begann ihr Einsatz für Bildung als grundlegendes Recht für Kinder in Krisensituationen.
Wer ist die heute 19-jährige Muzoon und was ist ihr wichtig?
Mit einem Koffer voller Bücher auf der Flucht
Als die Bombardierung ihrer Heimatstadt Daraa im Südwesten Syriens beginnt, ist Muzoon 14 Jahre alt und in der 9. Klasse. Im Februar 2013 beschließen ihre Eltern gemeinsam mit ihr und den drei jüngeren Geschwistern aus Syrien zu fliehen.
„Ich hatte damals sehr große Angst, mein geliebtes Zuhause zu verlassen“, erinnert sich Muzoon.
Ihre Flucht führt die Familie nach Za’atari, in das zweitgrößte Flüchtlingslager der Welt, das im Norden Jordaniens liegt und mittlerweile über 80.000 Bewohner hat. Nach der Ankunft im Lager stellt Muzoons Vater mit Erstaunen fest, warum Muzoons Koffer so schwer war: Obwohl Rakan seine Tochter gebeten hatte, für die Flucht nur das Nötigste einzupacken, hatte sie ihren Koffer mit dutzenden Büchern vollgestopft.
„Schon als Kind wusste ich, dass Bildung der Schlüssel für meine Zukunft war. Deshalb waren meine Bücher auch das einzige, was ich mitnahm, als wir aus Syrien flohen,“ sagt Muzoon.
Ein neues Zuhause
18 Monate lebt Muzoon zusammen mit ihrer Familie in Za’atari. Gerade als sie sich in die dortige Schule eingelebt hat, müssen sie und ihre Angehörigen das Lager verlassen und in das Flüchtlingslager Azraq, etwa 70 Kilometer östlich der jordanischen Hauptstadt Amman, umziehen. Hier lernt Muzoon die Friedensnobelpreisträgerin Malala Yousafzai kennen.
Malala ist es auch, die Muzoon Ende 2015 voller Freude in Großbritannien willkommen heißt: Denn hier – ausgerechnet im Heimatland Shakespeares, dessen Werke Muzoon in der Schule Vers für Vers studiert hat – finden sie und ihre Familie nach fast drei Jahren in Flüchtlingslagern endlich ein neues und richtiges Zuhause.
„Wissen macht uns stärker“
Malala und Muzoon, die mittlerweile enge Freunde sind, verbindet vor allem ihr Einsatz für die Rechte von Kindern. Muzoons Engagement beginnt bereits in Za’atari. Im Rahmen der von UNICEF unterstützten Kampagne „Back to school“ setzt sie sich im August 2013 dafür ein, dass vor allem mehr Mädchen die Möglichkeit haben, die Schule zu besuchen. Dafür geht sie im Flüchtlingslager von Zelt zu Zelt, um mit den Eltern zu sprechen, die ihre Kinder früh verheiraten oder zur Arbeit schicken wollten.
Zuletzt reiste sie im April für UNICEF in den Tschad. In ein Land, in dem jedes zweite Kind nicht zur Schule gehen kann. Das Ziel ihrer Reise war es, die Mitarbeiter von UNICEF vor Ort in ihren Bemühungen zu unterstützen, allen Kindern den Zugang zu Bildung zu ermöglichen.
Während ihrer Reise traf Muzoon Kinder, die zum ersten Mal in ihrem Leben lesen und schreiben lernten, aber auch ein junges Mädchen, das mit 13 Jahren von der Terrormiliz Boko Haram aus ihrer Schule in Nigeria entführt und drei Jahre lang unter Drogen gesetzt, ausgebeutet und missbraucht wurde.
Die Begegnungen mit diesen Kindern haben Muzoon tief bewegt und sie in ihrem Einsatz bestärkt: „Konflikte und Kriege können Dir Deine Freunde nehmen, Deine Familie, Deine Grundlagen zum Leben, Dein Zuhause. Aber sie können Dir nicht Dein Wissen nehmen. Die Gespräche mit den Kindern, die vor Boko Haram in den Tschad geflohen sind, haben mich an meine eigenen Erlebnisse in Syrien erinnert. Bildung hat mir die Kraft gegeben, nicht aufzugeben. Ohne Bildung hätte ich es nicht so weit geschafft.“
Glaubwürdige und mächtige Stimme im Einsatz für Kinderrechte
Mit der Ernennung zur internationalen Botschafterin zeichnet UNICEF Muzoon als glaubwürdige und mächtige Stimme im Einsatz für das Recht auf Bildung von Kindern in Krisensituationen aus.
Mit 19 Jahren ist Muzoon die jüngste UNICEF-Botschafterin und tritt mit ihrem Amt in die Fußstapfen einer Vielzahl von bekannten Persönlichkeiten – angefangen mit Audrey Hepburn –, die selbst als Kind durch UNICEF unterstützt wurden. Gleichzeitig ist Muzoon erstmals in der Geschichte von UNICEF eine Botschafterin mit offiziellem Flüchtlingsstatus.
Die Ernennung zur UNICEF-Botschafterin ist für Muzoon eine große Ehre und zugleich eine wichtige Aufgabe: „Im Flüchtlingslager habe ich gesehen, was passiert, wenn Kinder gezwungen werden zu heiraten oder zu arbeiten. Sie verpassen dadurch die Möglichkeit einer guten Schulbildung und damit all ihre Chancen für eine gute Zukunft. Deshalb bin ich stolz mit UNICEF zu arbeiten und dabei zu helfen, diesen Kindern eine Stimme zu geben und es ihnen zu ermöglichen, zur Schule zu gehen.“
Einer ihrer ersten Einsätze als Botschafterin des UN-Kinderhilfswerks führte Muzoon im Juli nach Deutschland. Als offizielle UNICEF-Repräsentantin reiste sie nach Hamburg, um im Rahmen des G20-Gipfels bei Veranstaltungen und bei politischen Treffen stellvertretend für die Millionen von Kindern zu sprechen, die aufgrund von Konflikten, Kriegen oder Naturkatastrophen dazu gezwungen sind, aus ihrer Heimat zu fliehen.
So machte sich Muzoon zum Beispiel auf der Bühne des Global Citizen Festivals, Seite an Seite mit der US-Schauspielerin Demi Lovato und der Menschenrechtsaktivistin Nadia Murad, für einen besseren Zugang zu Bildung für Kinder im Krieg und auf der Flucht stark.
In Gesprächen wie mit Bundeskanzlerin Angela Merkel, der norwegischen Ministerpräsidentin Erna Solberg, dem niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte und dem stellvertretenden belgischen Premierminister Alexander De Croo bat Muzoon die Regierungschefs um einen stärkeren politischen und finanziellen Einsatz, damit der Zugang zu Bildung für jedes Kind weltweit und insbesondere in humanitären Notsituationen sowie langandauernden Krisen und Konflikten gewährleisten werden kann.
Das Treffen mit der deutschen Bundeskanzlerin nutzte Muzoon zugleich, um ihr persönlich für die Aufnahme der vielen Geflüchteten in den vergangenen zwei Jahren zu danken.