Fotoreportagen

Basma Ourfali – die Stimme der Kinder von Aleppo

Bomben auf Wohngebiete und Schulen, Angriffe auf Kinder, Belagerung, Aushungern – wie jeder Krieg bringt die Tragödie in Syrien menschliche Abgründe zum Vorschein. Trotzdem wachsen in solchen Ausnahmesituationen Frauen und Männer über sich hinaus und werden zu wahren Helden der Menschlichkeit.


von Ninja Charbonneau

Mich hat zum Beispiel meine Kollegin Basma Ourfali in Aleppo sehr beeindruckt, die monatelang direkt an der Frontlinie wohnte und trotzdem blieb:

Syrien Jahrestag: UNICEF-Mitarbeiterin Basma Ourfali in Aleppo

UNICEF-Mitarbeiterin Basma Ourfali vor Ruinen im Ostteil von Aleppo in Syrien.

© UNICEF Syria/2017/Khudr Al-Issa

Sie hätte nicht nur die Möglichkeit, sondern auch allen Grund gehabt, zu fliehen. „Von meinem Fenster aus konnte ich die Kämpfe sehen“, erzählte mir Basma bei meinem Besuch in Syrien im November. „All meine Freunde sind geflohen. Dieser Ort und ich, wir sind immer noch da.“ Jetzt wohnt sie in einem ruhigeren Teil der Stadt, aber Kämpfe und Granateneinschläge gibt es immer noch. Auch in anderen Teilen Syriens wird weiter heftig gekämpft – Frieden und Sicherheit sind nicht in Sicht.

Sieben Jahre nach Beginn des Konflikts in Syrien sind große Teile von Aleppo und von vielen anderen Orten des Landes völlig zerstört. „Viele Menschen stehen vor dem Nichts und brauchen dringend unsere Hilfe“, sagt Basma. Deshalb macht sie weiter. Ihr Job ist es, mit Kindern und Familien zu sprechen und ihre Geschichten zu dokumentieren, die oft herzzerreißende Berichte von Tod, Verstümmelung und großer Not sind – aber auch Berichte voller Hoffnung. Daraus zieht sie ihre Kraft. Und daraus, dass sie mithelfen kann, dass das Schicksal dieser Menschen nicht vergessen wird.

Basma gibt syrischen Kindern in Aleppo eine Stimme

„Ich arbeite mit Kindern und Familien, ich höre ihnen zu. Ich gehe zu Kindern in Notunterkünften, Kinder, die in die Ruinen ihrer Häuser zurückgekehrt sind, manche leben auf offenen Plätzen oder in Zelten. Ich treffe Kinder, die arbeiten müssen, Kinder, die zur Schule gehen und solche, die eine Kriegsverletzung haben oder schwer krank sind. Ich denke, ich bin sehr privilegiert, dass ich ihnen zuhören kann und mehr über ihre Probleme, ihre alltägliche Not, aber auch ihre Hoffnungen und Träume erfahre. Ich glaube, ich habe eine sehr wichtige Aufgabe, ihre Geschichten zu übermitteln, denn sonst bleiben ihre Stimmen ungehört.“

Aleppo: Basma Ourfali spricht mit Kindern im Dorf Dewerieh

Im Dorf Dewerieh im Süden von Aleppo spricht UNICEF-Mitarbeiterin Basma Ourfali mit einer Mutter und ihren Kindern.

© UNICEF Syria/2018/Al-Issa

In den zweieinhalb Jahren, die Basma den syrischen Kindern eine Stimme gibt, hat sie viele unvergessliche Momente erlebt, und viele der Kinder, deren Geschichte sie aufschrieb, sieht sie heute als ihre Freunde. Ein unvergesslicher Moment war mit dem zehnjährigen Abdullah. „Als ich Abdullah zum ersten Mal traf, saß er im Rollstuhl. Er war durch den Krieg verletzt worden und konnte nicht mehr laufen.“ 2015 war Abdullah auf dem Schulweg am Rückenmark verletzt worden. Ein Jahr lang ging er nicht zur Schule.

„Als ich ihn später noch einmal nach ihm gesehen habe, ging es ihm etwas besser und er konnte an einer Gehhilfe laufen. Als ich das gesehen habe, war ich war total gerührt und beeindruckt von seiner Stärke, und ich bin stolz, seine Freundin geworden zu sein.“ Abdullah geht wieder zur Schule und erhält mit Unterstützung von UNICEF drei Mal pro Woche Physiotherapie.

Aleppo: Basma spricht mit einem verletzten Kind

Abdullahs Zustand hat sich durch die regelmäßige Physiotherapie verbessert, erzählt er Basma vor seinem Haus in Ost-Aleppo.

© UNICEF Syria/2018/Al-Issa

Wie hält man es aus, im Krieg zu arbeiten?

Basma ist erst 28. Auch sie hatte sich, als sie Englische Literatur studierte, ihre Zukunft anders vorgestellt. Heute stellt sie ihre Sprachkenntnisse und ihr Kommunikationstalent in den Dienst der Kinder. Ihre Arbeit macht sie professionell und strahlt gleichzeitig ebenso viel Bescheidenheit wie Optimismus aus. Wie schafft sie es, sich trotz der Gefahren und Schwierigkeiten und trotz all des Leids um sie herum, von dem auch die eigene Familie nicht verschont geblieben ist, tagtäglich zu motivieren?

Basma sagt: „Wenn ich Gespräche mit Kindern und jungen Leuten führe, wenn ich ihre Träume, Ziele und Pläne trotz der Verletzungen und des Leids höre, gibt mir das wirklich Mut und Hoffnung. Diese Kinder sind die Hoffnung für die Zukunft Syriens.“

Aleppo: Zwei Kinder in den zerstörten Straßen von Aleppo

Hanaa (8, rechts) wurde bei einem Bombenangriff verletzt. Seit sie ein von UNICEF unterstütztes Kinderzentrum in Aleppo besucht, in dem sie malt und singt, kann sie wieder lachen.

© UNICEF Syria/2018/Al-Issa

Ich habe unglaublichen Respekt vor Basma Ourfali und allen anderen UNICEF-Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die in Syrien und weltweit in den Konfliktregionen unter schwierigsten Umständen und teilweise unter Lebensgefahr im Einsatz sind. Das wenigste, was wir tun können, ist diese wichtige Arbeit von Deutschland aus zu unterstützen, indem wir die Situation der Kinder immer wieder ins Gedächtnis rufen und Spenden sammeln.

Bitte unterstützen Sie die UNICEF-Nothilfe für syrische Kinder – vielen Dank!

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Autor*in Ninja Charbonneau