Kinder in Aleppo: Sorge vor dem siebten Kriegswinter
Ein Jahr nach dem Ende der schwersten Kämpfe im syrischen Aleppo liegen große Teile der Stadt in Trümmern. In den Ruinen ihrer Häuser und in notdürftigen Unterkünften versuchen Familien zu überleben. Jetzt ist ihre akute Sorge: Wie sollen die Kinder den Winter überstehen?
Jibreen bei Aleppo. Die Notunterkunft wurde vergangenes Jahr eilig in Betrieb genommen, als Zehntausende Menschen in kurzer Zeit vor den heftigen Kämpfen und Bomben aus dem Ost-Teil von Aleppo flohen. Zwischenzeitlich waren in Jibreen, einem Gelände mit nicht fertig gestellten Fabrikhallen, über 40.000 Menschen untergebracht. Jetzt sind es noch rund 5.000 Menschen, unter ihnen viele Familien mit Kindern. Teilweise sind sie seit einem Jahr hier, andere sind erst kürzlich geflohen, denn gekämpft wird in der Provinz Aleppo noch immer.
Muhamed (8): „Zu Hause waren wir ständig unter Beschuss“
So wie Muhamed (8), der erst im September herkam: „Ich bin froh, dass wir in der Notunterkunft Jibreen sind. Zu Hause waren wir ständig unter Beschuss und konnten nie rausgehen. Hier kann ich mir aussuchen, ob ich drinnen oder draußen spiele. Aber es ist kalt, und wir brauchen dringend warme Kleidung und Decken.“
Wer hier lebt, hat keine Alternative: kein Haus mehr, zu dem die Familie zurückkehren könnte, keine Verwandten, die sie länger aufnehmen können, kein Geld. Zwar wurden in die großen Hangars Zwischenwände eingezogen, damit die Familien etwas Privatsphäre haben. Aber es gibt weder Strom noch Heizung, Licht geben am Abend nur die von UNICEF verteilten Solarlampen. Kälte und Feuchtigkeit kriechen in die Rohbauten ohne Fenster und Türen. Die Familien, die alles verloren haben, wissen nicht, wie sie ihre Kinder warm halten sollen.
Großmutter Warda: „Lebenswerk zerstört“
Warda kommen die Tränen, wenn sie daran denkt, was sie verloren hat. In ihrem Dorf war sie bis vor kurzem wohlhabend, ihrer Familie gehörten 7.000 Olivenbäume. 200 Lastwagen mit Olivenöl waren für den Verkauf vorbereitet, als der Konflikt in ihrer Gegend eskalierte. Milizen sagten ihr: Entweder du gehst oder du wirst sterben. Zeit zu packen gaben ihr die Männer nicht, in der Morgendämmerung lief die alte Frau um ihr Leben.
Das war vor einem Jahr. Vor zwei Monaten hat sie sich zum ersten Mal wieder zu ihrem Haus getraut – es war geplündert und verwüstet worden, alle Olivenbäume waren gefällt. „Mein ganzes Lebenswerk, wofür ich all die Jahre gearbeitet habe, ist zerstört“, sagt Warda.
In Jibreen versucht Warda, ihre sechs kleinen Enkel durchzubringen. Wardas Söhne sind tot oder verschollen, eine Tochter ist bei ihr und verdient ein wenig Geld in einer Wasserfabrik. Die Großmutter versucht, mit dem Kauf und Verkauf von Süßigkeiten etwas Geld zu verdienen. Doch es reicht vorne und hinten nicht zum Leben. „Für jedes meiner sechs Enkel habe ich nur ein Set mit Kleidungsstücken. Von den älteren Kindern habe ich Sachen aufgetrennt und daraus etwas für die jüngeren genäht. Aber wenn die Kleidung gewaschen werden muss, haben die Kinder in der Zeit nichts anzuziehen, und das Trocknen dauert im Winter sehr lange. Ich mache mir große Sorgen, dass die Kinder krank werden.“
Überleben in den Trümmern von Aleppo
Diese Sorge teilt sie mit Aicha, die sich im zerstörten Ostteil von Aleppo alleine um ihre beiden Enkel Falak (5) und Omar (6) kümmert. Ihr Sohn, der Vater von Falak und Omar, ist vermisst. Aicha ist froh, dass sie nach monatelanger Suche ihre Enkel wiedergefunden hat, von denen sie bei der Flucht getrennt wurde. „Es war, als wäre mir meine Seele zurückgegeben worden“, sagt Aicha. Bei der Erinnerung an das Wiedersehen kommen ihr die Tränen.
Doch in die Freude mischt sich Verzweiflung und große Angst vor der Zukunft: Aisha hat gesundheitliche Probleme und ist vollständig auf Hilfe von Nachbarn und NGOs angewiesen. Durch die Kämpfe ist das Haus beschädigt, die Fensterscheiben sind kaputt und Aisha hat kein Geld, um sie zu ersetzen. Die Kälte kriecht in die zwei möbellosen Räume, die sie mit ihren Enkeln bewohnt. Es gibt weder fließendes Wasser noch eine Heizung.
„Ich werde alles tun, was ich kann, um mich um meine beiden Enkel zu kümmern, was auch immer dafür nötig ist“, sagt Aicha. „Aber im Moment weiß ich nicht, wie es weitergehen soll.“
Winterhilfe für Kinder in Syrien – bitte helfen Sie mit!
UNICEF plant, allein in Syrien 700.000 Kinder mit Winterhilfe zu erreichen. Wir verteilen warme Decken sowie Pakete mit Winterkleidung oder Gutscheine, mit denen Familien sich in lokalen Geschäften selbst Kleidung für die Kinder besorgen können. Klassenräume sollen mit kleinen Heizöfen ausgestattet werden, damit der Unterricht auch im Winter fortgesetzt werden kann.
Dafür werden dringend Spenden benötigt – bitte helfen Sie mit!
Ich möchte helfen
Seit Ausbruch des Syrien-Kriegs vor fast sieben Jahren beschäftigt sich UNICEF-Pressesprecherin Ninja Charbonneau mit der Lage der Kinder im Land.
Jetzt reiste sie zum ersten Mal selbst nach Syrien und sah mit eigenen Augen, was der Krieg aus dem Land gemacht hat und was das für die Mädchen und Jungen bedeutet.