Wie ist es, jetzt im Libanon ein Kind zu sein?
Seit die Kämpfe zwischen Israel und der Hisbollah eskaliert sind, vergeht im Libanon kaum ein Tag ohne Todesmeldungen und weitere Vertreibungen. Tagtäglich werden Kinder verletzt oder getötet und die Verzweiflung der Menschen auf beiden Seiten ist groß. Wie ist es, jetzt im Libanon ein Kind zu sein? In diesem Beitrag versuchen wir, diese Frage zu beantworten und zeigen, wie UNICEF vor Ort hilft.
Leben im Libanon: Kinder und ihre aktuelle Lage
Der Libanon grenzt im Osten ans Mittelmeer, im Norden und Osten an Syrien und im Süden an Israel. Flächenmäßig ist der Libanon klein – gerade einmal so groß wie der Bundesstaat Hessen. Die Hauptstadt ist Beirut.
Früher einmal das „Paris des Nahen Ostens“ genannt, mussten viele Kinder und ihre Familien in den letzten Jahren aufgrund einer Wirtschaftskrise große Not und Hunger leiden. Seit Jahrzehnten kommt es zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Israel und der Hisbollah, die infolge des Terrorangriffs der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 eskaliert sind. Das Leben Hunderttausender Jungen und Mädchen ist vor allem seit Ende September 2024 von Krieg, Zerstörung, Verlust und Trauer durchzogen. Über 300.000 Kinder sind innerhalb des Libanons auf der Flucht. Weitere 510.000 Menschen sind nach Syrien geflohen (Stand 13.10.2024) – darunter auch Hunderttausende Kinder, die seit ihrer Geburt immer wieder Vertreibung und Elend ausgesetzt sind und zum wiederholten Mal um ihr Leben fürchten.
Sauberes Wasser, Essen und medizinische Versorgung – Hunderttausende Kinder im Libanon sind dringend auf Spenden angewiesen. Es herrscht ein Klima der Angst und Unsicherheit und die anhaltenden Luftangriffe lassen Kindern keine Zeit zum Durchatmen. Schulen bleiben geschlossen, Wassersysteme und Krankenhäuser wurden zerstört: Vor allem im Süden des Libanons und in der Bekaa-Ebene im Osten sind Zehntausende Familien auf der Flucht und stehen unter täglichem Beschuss. Hilfsgüter wie sauberes Wasser, Nahrungsmittel, Hygieneartikel und Medikamente werden dringend benötigt.
Ein Kind im Libanon zu sein – wie ist das jetzt? Wir haben sieben Fakten zusammengestellt, die die dramatische Situation aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet. Aber zunächst:
Wie viele Kinder gibt es im Libanon?
Im Libanon leben rund ein Millionen Kinder unter 14 Jahre. Etwa jeder dritte Mensch (etwa 30 Prozent) im Libanon ist minderjährig.
Wie viele Kinder sind im Libanon gestorben?
Laut libanesischem Gesundheitsministerium wurden bis Anfang Oktober – also in den ersten zwei Wochen der jüngsten Eskalation – insgesamt über 200 Kinder getötet (Stand: 13.11.2024). Über 1.200 Kinder wurden verletzt (Stand Oktober 2024). „Dieser schreckliche Konflikt hat eine katastrophale Auswirkung auf das Leben von Kindern“, sagt Adele Khodr, UNICEF-Regionaldirektorin. „Ärzt*innen berichten von Kindern, die blutverschmiert und mit gebrochenen Körperteilen zu ihnen gebracht werden. Sie leiden körperlich, aber vor allem auch psychisch. Viele von ihnen haben extreme Angst und das Erlebte lässt ihnen keine Ruhe.“
Kein Kind sollte getötet oder verletzt werden! UNICEF ruft dringend alle Konfliktparteien zu einer sofortigen Deeskalation auf und dazu, ihren Verpflichtungen im humanitären Völkerrecht nachzukommen. Der Schutz der Bürger*innen, einschließlich der Kinder, ziviler Infrastruktur und humanitärer Helfer*innen muss unbedingt gewährleistet werden. Krankenhäuser, Schulen und Wasserversorgungssysteme dürfen niemals Ziel von Angriffen werden!
Was unsere Mitarbeiter*innen in der Region sehen und hören, zeigt leider das Gegenteil: Familien fühlen sich nicht sicher, Eltern sorgen sich um das Leben ihrer Kinder und haben Angst, dass auch in den Notunterkünften Bomben einschlagen könnten. Mehr als alles andere brauchen die Kinder und ihre Familien im Libanon und im gesamten Nahen Osten ein sofortiges Ende des Krieges und eine uneingeschränkte Versorgung mit all dem, was sie zum Überleben benötigen.
Überblick: So hilft UNICEF Kindern im aktuellen Konflikt im Nahen Osten
Libanon
Im Libanon sind die UNICEF-Teams seit mehr als 70 Jahren im Einsatz für Kinder, unter anderem in den Bereichen Nothilfe, Bildung, Kinderschutz und psychosoziale Hilfe.
Mehr Informationen zur UNICEF-Hilfe für Kinder im Libanon erhalten Sie hier auf dieser Seite.
Gaza und Westjordanland
Seit vielen Jahren leistet UNICEF Hilfe für Kinder im Gazastreifen und im Westjordanland, einschließlich Ostjerusalem. UNICEF liefert unter anderem lebenswichtige Medikamente, Trinkwasser und therapeutische Zusatznahrung für Kinder und stellt Bargeldhilfen für die bedürftigsten Familien bereit. Nothilfe-Teams leisten psychosoziale Hilfe.
Mehr über die UNICEF-Hilfe für Kinder in Gaza erfahren Sie hier.
Israel
In Israel ist UNICEF seit 2009 als eines von weltweit 33 UNICEF-Nationalkomitees aktiv. Das israelische Nationalkomitee wirbt um Unterstützung für die UNICEF-Arbeit weltweit und setzt sich für die Förderung und Sensibilisierung für Kinderrechte ein.
Mit Programmarbeit ist UNICEF in Israel aktuell nicht aktiv. Länder mit höherem Einkommen – wie Israel – sind in der Regel selbst in der Lage, die Kinder im Land angemessen zu versorgen. Aus diesem Grund gibt es keinen UNICEF-Spendenaufruf für die Kinder, die in Israel leben. UNICEF ist mit den zuständigen Stellen in Israel im Gespräch, wie UNICEF angesichts der weitreichenden Folgen des grausamen Angriffs vom 7. Oktober 2023 unterstützen kann.
Syrien
UNICEF ist seit 1970 in Syrien präsent. Nachdem 2011 in Syrien ein Bürgerkrieg ausgebrochen war, haben wir unsere Nothilfe für die Kinder in Syrien noch weiter verstärkt.
Aufgrund der eskalierenden Gewalt zwischen Israel und dem Libanon fliehen aktuell viele Familien aus dem Libanon nach Syrien. An den Grenzübergängen versorgen wir sie mit Trinkwasser, Hygieneartikeln und mit medizinischer Hilfe.
Mehr über die UNICEF-Hilfe für Kinder in Syrien erfahren Sie hier.
Dass der Krieg sofort beendet wird und Kinder wieder sicher sein können, will auch die siebenjährige Nataly aus dem Libanon, die Sie auf dem Bild unten links mit einer Freundin sehen: „Jeden Tag höre ich die Flugzeuge und habe Angst. Ich hoffe so sehr, dass die Bomben nicht mehr fallen und der Krieg aufhört.“
Schwangere und Neugeborene im Libanon
Eine steigende Zahl an Tot- und Fehlgeburten, Mütter, die kurz vor der Geburt aus ihren zerbombten Nachbarschaften fliehen müssen und Babys, die viel zu früh auf die Welt kommen: Die Situation für schwangere Frauen und ungeborene Kinder im Libanon ist alarmierend. Etwa 13.900 Frauen sind im Moment schwanger im Libanon – rund 1.550 von ihnen erwarten ihre Kinder in den nächsten Wochen (Stand: 13.10.2024).
Werden mein Kind und ich in der Notunterkunft sicher sein? Wann kann ich wieder zu meinen Vorsorgeuntersuchungen gehen? Wird mein Kind nach der Geburt ausreichend versorgt werden? Wer wird mir helfen? Wer wird bei mir sein? Habe ich genug Zeit? Das sind nur einige der schwierigen und dringenden Fragen, die sich werdende und junge Mütter im Moment stellen. Denn über 880.000 Menschen – darunter eben auch Tausende schwangere Frauen – fliehen vor den Bomben und haben weder ein sicheres Dach über dem Kopf noch ausreichend zu essen oder sauberes Wasser.
Eine von ihnen erzählt ihre Geschichte im Video (in englischer Sprache):
Farah, die Sie oben im Video sehen, war auf der Flucht, als die Wehen einsetzten. Ihr blieb nichts anderes übrig, als ihre kleine Tochter Acil in einem Zelt auf die Welt zu bringen. „Ein Neugeborenes, mitten in diesem Dreck und Schmutz. Ich habe Angst, dass Ratten nachts an ihr nagen, Angst, dass sie krank wird“, sagt Farah.
Geflüchtete schwangere Frauen und Mütter mit Neugeborenen müssen sich in Schulgebäuden oder Gemeindezentren, die zu Notunterkünften umfunktioniert wurden, zum Teil mit Hunderten anderen Menschen eine Toilette teilen. Sie liegen auf dünnen Matratzen auf dem kalten Boden und sind Krankheiten ausgesetzt, die für sie und die ungeborenen Kinder oder Babys gefährlich werden könnten. Viele der jungen und werdenden Mütter haben vor und während der Flucht Schreckliches erlebt und leben nun inmitten von Fremden in einem für sie ungewohnten Ort – ein absoluter Alptraum für sie und ihre psychische und körperliche Gesundheit.
Zudem ist das Gesundheitssystem weiter zusammengebrochen, da über hundert Gesundheitsmitarbeiter*innen getötet oder verletzt wurden. Außerdem mussten viele Ärzt*innen und Gesundheitspersonal selbst fliehen, Frühchen-Stationen sind komplett ausgelastet und Dutzende Krankenhäuser und Gesundheitsstationen mussten aufgrund der Kampfhandlungen schließen oder wurden zerstört. Zusätzlich dazu sind etwa 6.700 schwangere Frauen (Stand: 30.10.2024) nach Syrien geflohen, wo das medizinische System nach über einem Jahrzehnt Bürgerkrieg kollabiert ist.
UNICEF befürchtet, dass der körperliche und psychische Stress der Bombardierungen und die körperliche Belastung, die eine Flucht bedeutet, zu noch mehr Tot-, Fehl- und Frühgeburten führen könnten.
Sieben wichtige Fakten zum Leben von Kindern im Libanon
1. Kinder verlieren ihr Zuhause durch Krieg und Flucht im Libanon
Karge Wände, dünne Matratzen auf dem Steinboden. Das spärliche Hab und Gut, das Menschen mitnehmen konnten, in Taschen und Rucksäcken in den Ecken der Notunterkünfte. Wie die Freunde Ali und Ali (oben auf dem Bild und ja, sie tragen den gleichen Namen), die so unglaublich froh sind, dass sie wenigstens noch einander haben, leben jetzt Hunderttausende Kinder im Libanon. Die anhaltenden Konflikte haben zu einer Welle von Vertreibungen geführt. „Familien leben in gefährlichen und unzumutbaren Umständen“, sagt der stellvertretende UNICEF-Direktor Ted Chaiban. „Je schlimmer der Konflikt wird, desto tiefer auch die psychologischen Wunden, vor allem der Kinder und Jugendlichen. Fast jedes Kind im Libanon ist auf irgendeine Art und Weise von dem Krieg betroffen.“
Wir von UNICEF warnen vor einer „verlorenen Generation“: Hunderttausende Kinder und ihre Familien leben jetzt in Zelten entlang großer Straßen, in Schulen oder verlassenen Gebäuden. In den überfüllten Notunterkünften teilen sich drei oder vier Familien kleine Zimmer, über 80 Menschen teilen sich jeweils eine Toilette. Das eigene Zimmer? Ein richtiges Bett? Ein Schreibtisch, zum Hausaufgaben machen? Die lieb gewonnenen Kuscheltiere und Spielsachen? Fehlanzeige. Stattdessen ist der Alltag der Kinder von Gewalt, den Geräuschen von Maschinengewehren und Bomben geprägt.
Etwa jeder fünfte Mensch im Libanon ist zudem bereits aus Syrien geflohen – Tausende syrische Kinder mussten nun erneut fliehen und sind zurück in dem Land, aus dem ihre Eltern sie eigentlich in Sicherheit bringen wollten. Wie fühlen sich die Kinder, die schon wieder ihre Ohren vor den lauten Bombengeräuschen schützen müssen, die von Druckwellen zu Boden gerissen werden und mit nichts als den Kleidern am Körper auf dem Weg ins Ungewisse sind? Was der Krieg mit den kleinen Seelen und Herzen der Kinder macht, ist unvorstellbar. Dabei sind es die Kinder, die am allerwenigsten für den Krieg können.
2. Viele Kinder müssen infolge von Wirtschaftskrise und Armut hungern
Im Libanon – einst bekannt als „Brotkorb des Nahen Osten“ – haben viele Kinder nicht ausreichend zu essen. Schon vor den jüngsten Eskalationen herrschte im Libanon eine schlimme Wirtschaftskrise; die Inflation hat die Preise für Grundnahrungsmittel in die Höhe schnellen lassen. 75 Prozent der Kinder sind von Armut bedroht – die Verschärfung des Konflikts hat die Grundversorgung, das Gesundheits- und Bildungssystem und damit einen Großteil aller Kinder in einen Abwärtsstrudel der Not und des Hungers getrieben.
Für Kinder bedeutet das häufig, dass sie – anstatt zur Schule zu gehen – arbeiten müssen, um ihre Familien zu unterstützen. Wie auch der zwölfjährige Salah, den unser UNICEF-Team vor Ort getroffen hat. Er ist zusammen mit seinen Eltern und seiner drei- und seiner fünfjährigen Schwester aus Beirut geflohen und lebt nun in einem Zelt am Strand. Ihr Haus wurde zerstört. Er hat sich selbst eine Angel gebaut und fischt nun, um seine Familie zu ernähren.
Viele Menschen haben alles verloren: Ihre Häuser, ihre Lebensgrundlage, ihr Einkommen, und damit auch die notwendigen Gelder, um sich und ihre Kinder zu versorgen. Und selbst wenn Familien noch Erspartes haben, auf das sie zurückgreifen können: Vielerorts gibt es schlichtweg nicht ausreichend Nahrungsmittel, die die Menschen kaufen könnten. Im Süden des Landes ist etwa jeder zweite Laden geschlossen, und fast 40 Prozent aller Läden im Land bekommen im Moment nur unzureichend Lebensmittel geliefert. Auch, weil viele Landwirt*innen aus dem Süden des Landes fliehen mussten. Bereits im Juni warnte die UN, dass jeder vierte Mensch im Libanon nicht ausreichend zu essen bekommt. Knurrende Mägen, Konzentrationsmangel und Entwicklungsstörungen: Heute gehen mehr Kinder denn je im Libanon hungrig ins Bett.
3. Wenn Kinder krank oder verletzt sind, können sie kaum behandelt werden – das Gesundheitssystem ist marode
Amir (oben im Bild) spielte draußen im Garten, als eine Rakete in unmittelbarer Nähe einschlug. „Ich wurde in die Luft gewirbelt, ich konnte nichts sehen. Dann kann ich mich nur noch daran erinnern, dass ein Krankenwagen kam und mich mitnahm“, erzählt der achtjährige Junge, der nun in einem Krankenhaus in Beirut behandelt wird und seine Familie vermisst. Er hofft sehr, dass er bald wieder Fußball und Playstation spielen kann.
Stellen Sie sich vor, ihr Kind wurde von den Splittern einer Bombe getroffen. Es muss dringend behandelt werden. Aber der Weg zum Krankenhaus ist versperrt und die OP-Säle voll mit anderen Verletzten. Ein Horrorszenario, das für viele Eltern im Moment schreckliche Wirklichkeit ist. Die Kämpfe haben das ohnehin schon geschwächte Gesundheitssystem des Libanon weiter unter Druck gesetzt. Krankenhäuser sind überlastet, und viele Einrichtungen sind nicht in der Lage, die verletzten oder kranken Kinder angemessen zu versorgen.
Die Unsicherheit und der Mangel an Ressourcen erschweren es Familien, die notwendige medizinische Hilfe zu erhalten. Zudem mussten über 120 – und damit fast die Hälfte aller – Gesundheitszentren aufgrund der Kampfhandlungen schließen (Stand: 11.11. 2024), während zahlreiche Krankenhäuser entweder gar nicht mehr oder nur begrenzt Patient*innen behandeln und versorgen können.
Gibt es Strom, um die lebensrettenden Geräte anzuschließen? Sind wichtige Medikamente verfügbar? Die Kinder im Libanon bekommen häufig nicht die Hilfe, die sie brauchen. Auch, weil viele Gesundheitsmitarbeiter*innen selbst fliehen mussten und Dutzende Ärzt*innen und andere Helfer*innen bei Bombardierungen ums Leben kamen.
Aber es sind nicht nur Kriegsverletzungen, die behandelt werden müssen. In den überfüllten Notunterkünften hören unsere UNICEF-Kolleg*innen tagtäglich, dass Mädchen und Jungen an Durchfallerkrankungen leiden. Cholera, Krätze, Atemwegsinfekte – auf engstem Raum, wo es an Hygienemaßnahmen und sanitären Einrichtungen mangelt, breiten sich Krankheiten rasant aus. Jetzt steht der im Libanon kalte und häufig regenreiche Winter mit durchschnittlichen Tagestemperaturen um zehn Grad Celsius bevor. Für Kinder, die auf der Straße oder in behelfsmäßig errichteten Zelten leben, können Krankheiten und Kälte dann einen langsamen, grausamen Tod bedeuten.
4. Hunderttausende Kinder im Libanon können nicht in die Schule gehen
Kleine Stühle und Tische, die Tafel hängt an der Wand. Die elfjährige Nermine sitzt auf dem Boden eines Klassenzimmers – aber auf Unterricht wartet sie vergeblich. Wie Nermine, oben auf dem Bild, hatten sich Hunderttausende Kinder darauf gefreut, nach den Sommerferien zurück in die Schule zu gehen. Für viele von ihnen sind die Schulen jetzt ihr vorrübergehendes Zuhause – sie liegen hier auf dünnen Matratzen auf dem Boden, teilen sich Klassenzimmer als notdürftige Unterkünfte mit 20 oder mehr anderen Kindern und ihren Eltern.
Zwar können Zehntausende Kinder seit Anfang November endlich wieder zur Schule gehen. Allerdings werden weiterhin über 500 Schulen als Notunterkünfte genutzt und viele Schulen wurden außerdem bei den Angriffen beschädigt. Wenn Kinder nicht zur Schule gehen, zerstört das nicht nur ihre Zukunftschancen. Mit jedem Tag, den ein Kind nicht in die Schule geht, steigt auch das Risiko von Missbrauch, Kinderehe und Kinderarbeit.
UNICEF unterstützt die Regierung dabei, dass in allen 326 Schulen, die nicht als Notunterkünfte genutzt werden, bald wieder Unterricht stattfinden kann. UNICEF verteilt außerdem Lernmaterialien an Zehntausende Kinder in Notunterkünften und bietet Aktivitäten und Programme für Kinder an. In einigen Notunterkünften hat UNICEF auch Leseecken eingerichtet und stellt Kindern mit Beeinträchtigungen Rollstühle und andere Hilfsmittel zur Verfügung.
5. Kinder im Libanon leben in Angst vor Explosionen und Angriffen
„Als die Rakete das Haus neben uns traf, zersprangen die Fenster und alles war voller Staub und Glas. Wir rannten und rannten. Dann umarmten wir einander und haben geweint.“ Zwar sind die vier- und fünfjährige Maya und Ilas (auf dem Bild unten) in der Notunterkunft in Beirut erstmal in Sicherheit, aber die Erinnerungen an die Angriffe und Bombardierungen lassen vielen Kindern keine Ruhe.
Was hinterlässt das für Spuren, wenn Kinder so früh miterleben, wie ihr Zuhause zerstört wird und enge Familienangehörige – zum Teil vor ihren Augen – getötet werden? Wie ist es für sie, ihre erwachsenen Familienmitglieder verzweifelt zu sehen und keinen Halt mehr zu spüren? Rund 800.000 Kinder im Libanon waren schon vor dem aktuellen Konflikt von psychischen Belastungen betroffen. Die Angst ist zu ihrem ständigen Begleiter geworden: Angst vor Luftangriffen, Explosionen, Angst davor, noch mehr zu verlieren. UNICEF ist sehr besorgt, was das mit der langfristigen Entwicklung der Kinder macht – körperlich, aber vor allem auch psychisch.
Besonders schwierig ist die Situation für Kinder, die von ihren Familien getrennt werden. Bei Bombardierungen oder in den Wirren der Flucht passiert das leider immer wieder. UNICEF und unsere Partnerorganisationen haben 86 unbegleitete und von ihren Familien getrennte Kinder im Libanon identifiziert und seither 79 dieser Kinder wieder mit ihren Familien zusammengeführt (Stand: 5.11.2024).
6. Mädchen im Libanon haben es häufig schwerer als Jungen
Mädchen und Frauen haben es im Libanon und anderen Ländern im Nahen Osten häufig besonders schwer. Von jungen Mädchen wird erwartet, dass sie ihren Müttern im Haushalt helfen und nicht selten werden sie viel früher als ihre Brüder aus der Schule genommen. Traditionelle Geschlechterrollen und gesellschaftliche Normen bedeuten für sie häufig Einschränkungen. In Notsituationen, wie sie Mädchen im Libanon aktuell erleben, sind sie zudem häufig Missbrauch und Gewalt ausgesetzt und werden nicht selten aufgrund von finanziellem Druck viel zu früh verheiratet.
Studien zeigen auch, dass ihr Zugang zu Hilfe teilweise eingeschränkt wird, es schwieriger für alleinerziehende Mütter ist, mit ihren Kindern alleine zu fliehen und sie Ausbeutung auf der Flucht ausgesetzt sind. UNICEF und andere Hilfsorganisationen achten deswegen besonders darauf, dass die Bedürfnisse von Mädchen und Frauen beachtet und ihnen gezielt geholfen wird. Das bedeutet auch, dass zum Beispiel Binden und andere Hygieneartikel verteilt und separate Waschräume für Mädchen und Frauen eingerichtet werden. Wichtig ist auch, dass immer wieder über geschlechtsspezifische Gewalt aufgeklärt wird und psychogische und andere Beratungsangebote für Mädchen und Frauen, die Gewalt erfahren haben, gemacht werden.
7. Es gibt kaum noch sauberes Trinkwasser im Libanon
Sauberes Wasser, das aus dem Hahn kommt, sobald wir ihn aufdrehen: Das ist für viele Kinder im Libanon im Moment nur noch eine Erinnerung an bessere Zeiten. Im Süden des Landes wurden mindestens 28 Wasserversorgungseinrichtungen beschädigt und so mehr als 360.000 Menschen von funktionierenden Wassersystemen getrennt. Reparaturen sind vielerorts aufgrund der anhaltenden Kämpfe nicht möglich. Auch anderswo im Land wird das saubere Wasser knapp, vor allem in Notunterkünften wie in Schulen, wo Tausende Menschen versorgt werden müssen. Durchfall, Hepatitis oder sogar Cholera breiten sich ohne sauberes Wasser und sanitäre Einrichtungen rasant aus und können vor allem für Kinder, deren Immunsystem ohnehin schon geschwächt ist, gefährlich und sogar lebensbedrohlich werden.
In den letzten Wochen hat UNICEF daher Cholera-Schluckimpfungen, Hygieneartikel und Trinkwasser verteilt. In Notunterkünften haben wir Wasch- und Toilettenräume errichtet und Wassersysteme repariert.
Wie hilft UNICEF Kindern im Libanon?
UNICEF arbeitet sehr eng mit dem Welternährungsprogramm, lokalen Partnerorganisationen und der Regierung zusammen, um schnelle Hilfe zu leisten. Wir richten Gesundheitszentren ein und mobile Gesundheitsteams versorgen Menschen mit wichtigen Medikamenten. Außerdem verteilt UNICEF Wasser, Hygieneartikel wie Seife, Matratzen, warme Kleidung und Decken.
Gleichzeitig bietet UNICEF psychosoziale Aktivitäten an und richtet Beratungsstellen ein, damit die Auswirkungen des Konflikts auf die mentale Gesundheit der Kinder eingedämmt werden können. UNICEF-Teams sind seit mehr als 70 Jahren im Libanon aktiv und haben langjährige Erfahrungen in den Bereichen Nothilfe, Bildung, Kinderschutz und psychosozialer Hilfe.
Ihre Spende hilft uns, tagtäglich das Leben von Kindern inmitten von Gewalt und Chaos erträglicher zu machen. Jeder Cent hilft und kommt an!