Statement

Gazastreifen: “Jede Woche bringt neuen Horror für Kinder und Familien”

Statement von UNICEF-Exekutivdirektorin Catherine Russell zur Lage der Kinder im Gazastreifen

New York/Köln

„Mit jeder Woche werden Familien im Gazastreifen mit neuem Horror konfrontiert. Die verheerenden Angriffe auf Schulen und Orte, an denen vertriebene Menschen Zuflucht suchen, gehen unvermindert weiter. Berichten zufolge wurden Hunderte von Menschen, darunter viele Frauen und Kinder, getötet. Die ohnehin überlasteten Krankenhäuser stehen angesichts der großen Not vor dem Kollaps.

Wir begegnen Kindern, die frühere Verletzungen überstanden haben, und dann erneut verletzt werden. Gesundheitskräften, die ohne medizinische Hilfsgüter alles versuchen, um Leben zu retten. Tausenden von Jungen und Mädchen, die krank, hungrig, verletzt oder von ihren Familien getrennt sind. Die Gewalt und die Not hinterlassen bleibende Narben in ihren Seelen und an ihren Körpern. Und jetzt, mit dem Zusammenbruch der sanitären Versorgung und der Abwasserentsorgung, reiht sich das Polio-Virus in die Liste der Bedrohungen ein und gefährdet das Leben Tausender ungeimpfter Kinder.

Die humanitäre Lage ist katastrophal. Immer wieder sehen sich Familien gezwungen in andere Gebiete zu fliehen, um der unmittelbaren Gewalt zu entkommen.

Humanitäre Organisationen, darunter UNICEF, tun alles in ihrer Macht Stehende, um zu helfen, doch die katastrophale Lage sowie Angriffe auf humanitäre Helfer*innen erschweren unsere Bemühungen. Erst gestern wurde ein UNICEF-Fahrzeug, das klar als solches markiert war, von Kugeln getroffen, während es an einem ausgewiesenen Ort in der Nähe des Kontrollpunkts Wadi Gaza wartete. Es war eines von zwei Fahrzeugen, die unterwegs waren, um fünf kleine Kinder abzuholen und sie mit ihrem Vater zusammenzubringen, nachdem ihre Mutter getötet worden war. Glücklicherweise wurde niemand verletzt und es gelang dem UNICEF-Team, die Familie wieder zusammenzuführen. Dennoch hätte dieser Vorfall, wie auch andere zuvor, schreckliche humanitäre Folgen haben können, sowohl für die Kinder, denen wir helfen, als auch für unsere Teams.

Ganz klar: Im Gazastreifen werden die notwendigen Bedingungen nicht erfüllt, um wirksam Hilfe zu leisten. Wir müssen ungehindert humanitäre Hilfe leisten können und wir brauchen regelmäßigen und sicheren Zugang.

Seit fast neun Monaten sickert humanitäre Hilfe in den Gazastreifen. Doch die Zivilbevölkerung kann nicht ausreichend versorgt werden. Der Handelssektor ist dezimiert. Dies hat dazu geführt, dass es einen zunehmenden Wettbewerb um die wenigen Güter gibt, die noch zur Verfügung stehen, dass Waren in den Gazastreifen geschmuggelt werden und dass es nun zunehmend zur organisierten Plünderung von Hilfsgütern kommt. Dies erschwert nicht nur unsere Bemühungen, Familien in Not zu erreichen, sondern gefährdet auch unsere Teams und die Zivilbevölkerung, die wir unterstützen.

Diese Herausforderungen werden durch die schwierigen Bedingungen vor Ort weiter verschärft. Mindestens 278 humanitäre Helfer*innen im Gazastreifen wurden bereits getötet – eine Rekordzahl. Weitere geraten in Gefahr und können ihre Arbeit nicht ausüben.

Wir benötigen jetzt ein sicheres Arbeitsumfeld, auch für Lkws, die Hilfsgüter transportieren, damit die humanitären Teams Menschen in Not sicher erreichen können.

Vor allem jedoch benötigen wir einen sofortigen und dauerhaften Waffenstillstand. Wir rufen alle Konfliktparteien auf, ihren Verpflichtungen gemäß dem humanitären Völkerrecht nachzukommen. Sie müssen die Zivilbevölkerung und die zivile Infrastruktur, auf die sie angewiesen ist, schützen. Dazu gehört auch, dass die Zivilbevölkerung durch sichere und ungehinderte humanitäre Maßnahmen mit lebenswichtigen Gütern versorgt werden kann: mit Nahrung, Wasser, Spezialnahrung, Unterkünften und medizinischer Versorgung.

Es ist höchste Zeit, diese Krise zu beenden und dafür zu sorgen, dass die Geiseln zu ihren Familien zurückkehren und dass Kindern in Gaza eine gesunde und sichere Zukunft haben.“

Christine Kahmann

Christine KahmannSprecherin - Nothilfe

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