Dürre in Kenia: 3 Geschichten von Kindern und Jugendlichen
In Kenia leiden Millionen Menschen unter der schlimmsten Dürre seit Jahrzehnten. Kinder und Jugendliche werden am härtesten durch sie getroffen. Ihre Geschichten berühren zutiefst.
Staubiger Sandboden, ausgetrocknete Flussbetten, verendetes Vieh: Die Bilder, die unsere Kollegin Claudia aus Kenia mitgebracht haben, sind eindrücklich. Das Land erlebt derzeit die schlimmste Dürre der letzten Jahrzehnte. Wasser und Lebensmittel sind knapp, etliche Kinder kämpfen ums Überleben. Die Familien warten sehnlichst darauf, dass es ausreichend regnet. Doch auch in dieser Regenzeit bleiben die Niederschläge unter den Erwartungen – und das bereits zum fünften Mal in Folge.
Im Video beschreibt Claudia ihre Eindrücke von der Dürre in Garissa, etwa 150 Kilometer von Kenias Hauptstadt Nairobi entfernt:
Drei Geschichten von Kindern und Jugendlichen aus Kenia
Kinder sind durch die Dürre in Kenia am meisten gefährdet. Sie haben nicht ausreichend zu essen, es fehlt ihnen an Trinkwasser und einer ausreichenden Gesundheitsversorgung. Hinzukommt, dass viele Mädchen und Jungen nicht lernen können, weil Familien täglich lange Wege auf der Suche nach Wasser zurücklegen müssen oder ihre Heimat ganz verlassen.
Rund eine Woche war meine Kollegin Claudia in Kenia unterwegs, um sich von der Lage der Kinder ein eigenes Bild zu machen. Zusammen mit unseren Kolleg*innen aus dem Länderbüro hat sie UNICEF-Programme besucht, in denen wichtige Hilfe für Kinder geleistet wird. Die Geschichten der Jungen und Mädchen sind individuell und doch stehen sie stellvertretend für die Schicksale etlicher Kinder in Kenia.
Mohabub: Hilfe für einen schwer mangelernährten Jungen
Friedlich kuschelt sich Mohabub an seine Mutter Halima, als eine Gesundheitshelferin mit einem Maßband seinen Armumfang misst. Der kleine Junge kennt die Prozedur inzwischen, denn es ist nicht sein erster Besuch im Iftin-Gemeindekrankenhaus. Vor wenigen Wochen hat Halima in dem von UNICEF unterstützten Krankenhaus Hilfe gesucht. Mohabub hatte Husten, Durchfall und musste sich übergeben. Dadurch war er stark geschwächt. „Ich habe mir große Sorgen gemacht“, erinnert sie sich.
Im Krankenhaus dann die Diagnose: Mohabub ist schwer mangelernährt. Eine lebensbedrohliche Krankheit für Kinder, gerade in Kombination mit Infektionskrankheiten, die den Körper zusätzlich schwächen. Aufgrund der Dürre können Halima und ihre Familie auf dem staubigen Boden nichts anbauen. Lebensmittel und sauberes Wasser stehen kaum zur Verfügung. Wie bei vielen Müttern reicht die Milch nicht aus, um Mohabub ausreichend zu stillen. Damit der kleine Junge schnell wieder zu Kräften kommt, erhielt Halima therapeutische Erdnusspaste, eine Spezialnahrung zur Behandlung von Mangelernährung.
Zurück im Behandlungszimmer: Beim Kontrolltermin zeigt das Maßband an Mohabubs Arm rot – Mohabub ist immer noch mangelernährt. Der Junge muss weiter behandelt werden. Insgesamt geht es Mohabub aber schon etwas besser. Die therapeutische Nahrung nimmt er gut auf. Ein gutes Zeichen! Bis zum nächsten Kontrolltermin soll die Behandlung mit Erdnusspaste fortgesetzt werden. Dafür erhält Halima weitere Päckchen, die sie mit nach Hause nehmen kann. Dann macht sie sich mit Mohabub auf den Heimweg – zwei Stunden werden die beiden unterwegs sein.
Update: Wiedersehen mit Mohabub!
Im Dezember erreichen uns gute Nachrichten aus Kenia: Mohabub geht es deutlich besser. Unsere UNICEF-Kolleg*innen treffen den kleinen Jungen bei einer Kontrolluntersuchung im Krankenhaus von Garissa wieder. Im Oktober wirkte Mohabub geschwächt und schmiegte sich müde an seine Mutter. Jetzt hat er viel mehr Kraft, lacht und erkundet interessiert seine Umwelt – so wie es typisch ist für ein gesundes Kleinkind. Die Bilder des Jungen zeigen, welchen Unterschied rechtzeitige Hilfe machen kann.
Mary: Eine junge Mutter kann nicht zur Schule gehen
Mary ist 17 Jahre alt. Meine Kollegin Claudia trifft sie im Garissa Zentralkrankenhaus, auf ihrem Schoß ein kleiner Junge. Der einjährige Samuel muss im Stabilisierungszentrum des Krankenhauses wegen schwerer Mangelernährung behandelt werden. Hier werden Kinder betreut, die nicht in den Gemeindekrankenhäusern versorgt werden können, weil ihr Zustand besonders kritisch ist.
Samuel ist nicht Marys kleiner Bruder, sondern ihr Sohn. Fast selbst noch ein Kind, wurde sie mit nur 15 Jahren Mutter. Das hat ihr Leben komplett verändert. Die Schülerin musste ihre Schulausbildung abbrechen und alleine dafür kämpfen, dass sie und ihr Sohn eine Chance haben. Die Dürre trifft die ärmsten Familien besonders hart. Von ihrer Familie kann Mary sich kaum Unterstützung erhoffen: „Mein Vater ist gestorben und meine Mutter ist ständig betrunken. Sie hilft mir nicht“, erzählt Mary.
Ihre Situation belastet die junge Frau. Sie habe keine Träume mehr, erzählt sie. Bildung wäre eine wichtige Grundlage, um neue Perspektiven zu finden und sich eine bessere Zukunft aufzubauen. Doch statt zu lernen, arbeitet Mary jeden Tag, um die nötigsten Dinge wie Nahrung und Kleidung für sich und ihren Sohn kaufen zu können: „Ich wasche von morgens bis zum späten Mittag Kleidung für Familien in meinem Dorf.“ Für ihre Arbeit erhält sie 300 bis 500 Schilling, je nach anfallender Wäschemenge – das sind umgerechnet nicht mehr als 4 Euro.
Mahbub: Wenn Eltern aus Verzweiflung ihre Kinder zurücklassen
Der 13-jährige Mahbub lebt mit seinen fünf Geschwistern in einem kleinen Dorf in Garissa. Ihr Zuhause ist eine kleine Hütte, die aus zusammengebundenen Ästen und einem behelfsmäßigen Dach besteht. Im Februar gab es für die Familie ein einschneidendes Erlebnis: Die Eltern ließen Mahbub und seine Geschwister zurück, um sich auf die verzweifelte Suche nach Wasser und Nahrung zu machen.
Die Dürre hatte der Familie jegliche Lebensgrundlage genommen. Die Ziegen, ihre einzige Nahrungs- und Einnahmequelle, drohten zu verenden. Selbst ein Verkauf der Tiere hätte nichts gebracht: Sie waren so abgemagert, dass sie auf dem Markt nicht mehr viel Geld einbringen konnten. Gleichzeitig benötigten die Tiere weiter Wasser und Nahrung. Beides ist durch die Dürre so knapp, dass es schon für die Familie nicht ausreicht. Ein Teufelskreis. „Meine Mutter hat mir erklärt, dass wir nicht alle zusammen hierbleiben können. Die Tiere würden nicht überleben“, erzählt der Junge tapfer.
Über Monate waren die Eltern weg. Die großen Geschwister kümmerten sich um Mahbub und die anderen minderjährigen Kinder. Hin und wieder schickten die Eltern Geld. So kann Mahbub weiter zur Schule gehen und lernen. Das ist wichtig für seinen weiteren Lebensweg. Mahbub ist ein guter Schüler, der beste seiner Klasse. Sein Traum ist es, später Arzt zu werden, am liebsten Chirurg.
Vor wenigen Wochen gab es die große Erleichterung für die Kinder: Die Mutter kehrte endlich wieder zurück. Das Vieh konnte gestärkt werden und hat so mehr Geld eingebracht. Mahbub ist überglücklich. Auch wenn die Zeit mit dem Bruder für Mahbub in Ordnung war, hat ihm seine Mutter sehr gefehlt. Hin und wieder konnten sie von dem wenigen Geld, was sie haben, telefonieren. Dass die Mutter wieder zuhause ist, findet er aber viel besser: „Ihre Liebe habe ich vermisst“, sagt Mahbub.