Menschen für UNICEF

UNICEF-Mitarbeiterin Gamila aus dem Jemen: „Unsere Erfolge geben mir Kraft“


von Laura Sandgathe 3

Als im März 2015 in der jemenitischen Hafenstadt Aden Kämpfe ausbrachen, verließ Gamila Hibatulla ihre Heimatstadt nicht. In der ganzen Stadt wurde gekämpft, bald gab es kein Wasser, keine Lebensmittel, keine Elektrizität mehr. Gamila blieb. „Ich habe Aden nie verlassen“, sagt die zierliche Jemenitin. Bleiben und anderen etwas geben, das sind die Maximen ihres Handelns.

Dr. Gamila Hibatulla – sie ist Doktorin der Medizin – ist UNICEF-Spezialistin für Gesundheit und Ernährung im Jemen. Die letzten Jahre des Konfliktes und der Krise in ihrem Heimatland waren nicht einfach. Manchmal hat sie Angst, manchmal ist sie frustriert, erzählt Gamila bei einem Besuch in der UNICEF-Geschäftsstelle in Köln. Aber sie hat Erfolg mit dem, was sie tut. Und sie hat Hoffnung.

Jemen: Gamila Hibatulla arbeitet für UNICEF

Gamila Hibatulla ist Spezialistin für Gesundheit und Ernährung und arbeitet für UNICEF im Jemen.

© UNICEF/DT2018-60887/Lilly Plener

Erfolgsgeschichten machen Mut

„Ich glaube, dass UNICEF dazu beiträgt, das Leben von Kindern und Müttern zu retten“, sagt sie. Eine Geschichte, die dafür ein Beispiel sein kann, ist die Geschichte von Muhammad. Gamila traf ihn und seine Familie, als er neun Monate alt war. Muhammad wurde gegen Polio geimpft. Danach bemerkten seine Eltern, dass er seine Beine nicht richtig bewegen konnte. Sie glaubten, das hinge mit der Impfung zusammen.

Tatsächlich aber war Muhammad bedrohlich unterernährt und konnte sich deshalb nicht richtig bewegen. Eine freiwillige Helferin erkannte seinen Zustand und sorgte dafür, dass der Junge ins Krankenhaus kam – obwohl der Vater anfangs dagegen war. „Ich besuchte Muhammad etwa fünf Monate später. Es ging ihm viel besser, er entwickelte sich gut“, erzählt Gamila. Aber sie freute sich auch über einen Sinneswandel bei Muhammads Vater: „Er war sehr dankbar für die Hilfe, die sein Sohn bekam. Jetzt glaubte er nicht mehr, dass die Impfung ihm geschadet hatte.“

Für Gamila ist der Fall des kleinen Muhammad mehr als eine Erfolgsgeschichte. Er zeige auch, wo der Schwerpunkt der UNICEF-Arbeit im Jemen liegen müsse: „Zuerst müssen wir die Mangelernährung der Kinder behandeln“, sagt Gamila. Nur, wenn die Kinder nicht mehr hungern müssen und gesund aufwachsen, können sie ihre Fähigkeiten entfalten, spielen, lernen. In der Stadt Ahwar im Zentrum des Jemen ist seit kurzem kein Kind mehr bedrohlich unterernährt – einer der Erfolge von Gamila und ihrem Team. Aber es bleibt noch viel zu tun: 400.000 Kinder unter fünf Jahren sind nach Schätzung von UNICEF in Gefahr, lebensbedrohlich mangelernährt zu werden.

Jemen: Gamila Hibatulla trifft Flüchtlingskinder

Bild 1 von 3 | Über eine Million Kinder im Jemen sind innerhalb des Landes vor den Kämpfen geflüchtet. "Hier ist die schlimmste Krise der Welt", sagt Gamila.

© UNICEF/Jemen/2017
Jemen: Gamila Hibatulla mit UNICEF-Direktorin Henrietta Fore

Bild 2 von 3 | Gamila traf UNICEF-Exekutivdirektorin Henrietta Fore bei deren Besuch im Jemen. Sie zeigte ihr unter anderem ein Krankenhaus.

© UNICEF/Jemen/2018
Jemen: Gamila Hibatulla wird für ihre UNICEF-Arbeit ausgezeichnet

Bild 3 von 3 | Für ihre Arbeit für UNICEF bekam Gamila eine Auszeichnung vom Gesundheitsministerium.

© UNICEF Jemen/2018

„UNICEF verhindert den Kollaps“

Gamila hat sich während ihrer Ausbildung zur Ärztin auf die medizinische Betreuung von Kindern und Müttern und Familienplanung spezialisiert. Zu UNICEF kam sie, weil sie hoffte, hier mehr Kindern helfen zu können. 11,3 Millionen Kinder unter 18 sind von dem Konflikt im Jemen betroffen. Seit März 2015 wurden mindestens 2.398 Kinder getötet. Erst Anfang August starben 33 Kinder bei einem Angriff auf einen Schulbus.

Eine Million Kinder sind Geflüchtete im eigenen Land. Neben dem Hunger bedrohen Krankheiten wie die Cholera ihr Leben. Über 1,1 Million Menschen im Jemen sind seit April 2017 erkrankt. Es gibt in vielen Regionen keinen Zugang zu Wasser oder sanitären Anlagen, viele Krankenhäuser, Schulen und Banken haben schon lange nicht mehr geöffnet. Das öffentliche Leben, die Infrastruktur im Land drohen zusammenzubrechen oder sind es vielerorts bereits. „Hilfsorganisationen wie UNICEF verhindern den totalen Kollaps“, sagt Gamila.

Jemen: Ein Kind sitzt zwischen Trümmern

Die Kinder leiden am meisten unter den Folgen des Krieges im Jemen. "Ich will eine Anwältin für die Kinder sein", sagt Gamila.

© UNICEF/UN057318/Al-Adimi

Jeden Tag im Einsatz für Kinder

UNICEF engagiert sich unter anderem in den Bereichen Ernährung, Wasser, Hygiene, Gesundheit, psychosoziale Hilfe und Bildung. UNICEF und Partner haben im Jahr 2018 bislang 109.000 bedrohlich unterernährte Kinder behandelt. Bis zum Ende des Jahres sollen es 276.000 sein. Zudem sollen insgesamt fast fünf Millionen Kinder Mikronährstoffe erhalten, um Mangelernährung vorzubeugen. Die Helferinnen und Helfer sind an abgelegenen Orten, an denen es keine Krankenhäuser gibt, in mobilen Kliniken unterwegs, um Kinder und Mütter, insbesondere bei Notfällen, medizinisch zu versorgen. Zudem impfen sie Kinder gegen Krankheiten wie Polio, Masern und Cholera.

Bei ihrer täglichen Arbeit müssen die UNICEF-Helferinnen und Helfer im Jemen zahlreiche Hürden überwinden. Allein die Verteilung der Hilfsgüter innerhalb des vom Bürgerkrieg gespaltenen Landes ist oft ein großes Problem, das derzeit durch die Angriffe auf die wichtige Hafenstadt Hudaida und Kämpfe in anderen Teilen des Landes noch verstärkt wird.

Die größten Herausforderungen sind die fehlende Sicherheit und die politische Instabilität, sagt Gamila. Zudem fehlen Spenden zur Finanzierung der Hilfsprogramme. Für den Bereich Ernährung etwa ist bislang nur die Hälfte der für 2018 benötigten Gelder zusammengekommen.

„Ich hoffe auf ein Ende des Konflikts“

Gamila aber lässt sich von all dem nicht entmutigen. Sie sieht sich als Anwältin der Kinder des Jemen und macht dafür manchmal das scheinbar Unmögliche möglich. So organisierte sie einen Hilfskonvoi für die Menschen in Aden, als dort gekämpft wurde. Neun Fahrzeuge brachten Medizin, Lebensmittel und andere Hilfsgüter in die Stadt. Ein anderes Mal funktionierte das Team eine Halle, in der bisher Hochzeiten gefeiert worden waren, zu einem Warenlager für Hilfsgüter um. „Ich hoffe auf eine Zeit, in der dieser Konflikt zu Ende sein wird und die Menschen im Jemen in Frieden leben können“, sagt Gamila mit Blick auf die Situation in ihrem Heimatland.

Gamila Hibatulla aus dem Jemen erzählt bei UNICEF in Köln von ihrer Arbeit

Gamila besuchte im August die UNICEF-Geschäftsstelle in Köln. In ihrem Vortrag erzählte sie, vor welchen Herausforderungen die Helfer im Jemen stehen.

© UNICEF/DT2018-60889/Lilly Plener

Wenn Gamila von ihrer Arbeit und ihren Hoffnungen für ihr Land erzählt, strahlen ihre Augen. Beharrlich führt sie ihren Einsatz für die Kinder im Jemen fort – auch wenn um sie herum Bomben fallen, auch wenn sie manchmal Angst hat, manchmal frustriert ist. „Dann bete ich und gehe die Erfolge des Tages im Kopf noch einmal durch. Das gibt mir neue Kraft“, sagt sie.

Was hier so einfach klingt, ist die unvorstellbare Herausforderung, die Gamila jeden Tag aufs Neue angeht.

UNICEF-Redakteurin Laura Sandgathe
Autor*in Laura Sandgathe

Laura Sandgathe ist Online-Redakteurin und Chefin vom Dienst. Sie bloggt über die UNICEF-Arbeit weltweit – über Kinder, Helfer*innen und die Projekte, in denen sie einander treffen.