Flüchtlingslager in Griechenland: Kinder vor dem Coronavirus schützen
Die Zahl der bestätigten Infektionen mit dem Coronavirus ist in den vergangenen Tagen in die Höhe geschnellt – in Deutschland und in nahezu allen Teilen der Welt. Mehr denn jemals zuvor geht es jetzt darum, gut auf uns und unsere Familie aufzupassen.
Quarantäne, Abstand halten, Händewaschen – das ist es, worauf es jetzt ankommt, um eine Ansteckung mit dem Coronavirus und eine Ausbreitung der Pandemie zu verhindern. Doch was können Kinder und ihre Familien tun, die auf Lesbos oder Samos auf engstem Raum zusammenleben, um sich vor COVID-19 zu schützen? Ohne sauberes Wasser, ohne Seife und ohne angemessene medizinische Betreuung. Und was können wir für sie tun?
Schon lange vor der COVID-19-Epidemie hat UNICEF in den vergangenen Jahren immer wieder auf die katastrophalen Zustände in den Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln aufmerksam gemacht, unter denen vor allem die Kinder am meisten leiden. So berichtete schon vor knapp zwei Jahren mein Kollege Sebastian Sedlmayr von der angespannten Lage in Moria.
Wo die Hoffnung auf eine bessere Zukunft endet
Moria – schon seit Langem ist dieser Ort wie kein anderer in Europa zum Inbegriff für die Not und das Elend von tausenden geflüchteten und migrierten Menschen geworden. Menschen, die auf der Suche nach Sicherheit, Schutz oder einem besseren Leben ihre Heimat verlassen haben. Es fällt nicht schwer zu glauben, dass diese Hoffnung hier in Moria verloren geht.
20.000 Menschen leben in dem Registrierungs- und Aufnahmezentrum auf der griechischen Insel Lesbos, das ursprünglich für 3.000 ausgerichtet war, unter menschenunwürdigen Bedingungen. Auch in dem Flüchtlingslager Vathi auf Samos sind die Zustände erschreckend. Mit 8.000 geflüchteten und migrierten Menschen statt der vorgesehenen 640 ist auch Vathi heillos überfüllt.
Kein Ort für Kinder
In den Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln halten sich mehr als 13.000 Mädchen und Jungen auf. Jeder einzelne Tag, den sie hier verbringen müssen, ist für sie ein Tag zu viel. Der Brand in Moria, bei dem Mitte März ein sechsjähriges Mädchen aus Afghanistan sein Leben verlor, hat einmal mehr gezeigt, wie gefährlich die Situation vor allem für Kinder ist.
Auf engstem Raum leben viele von ihnen in notdürftigen Unterkünften, die zwar den Regen, aber in den Nächten kaum die Kälte abhalten. Strom, sauberes Wasser und Seife reichen bei weitem nicht für jede Familie und jedes Kind.
Nachdem viele Familien mit ihren Kindern zum Teil schon vor Jahren ihre Heimat verlassen haben, ist manchen von ihnen nicht viel geblieben. So fehlt es vor allem an warmer Kleidung, Medikamenten und Essen.
Zwischen den Zeltplanen, zwischen dem Dreck und Müll spielen und toben Kinder. Zur Schule gehen und lernen ist für die meisten von ihnen hier nahezu unmöglich.
Die unhaltbaren Zustände in den Flüchtlingslagern, das lange Warten und die Perspektivlosigkeit haben für viele Mädchen und Jungen langanhaltende und schwerwiegende Folgen.
In einer solch einmaligen Lebensphase wie der Kindheit, die für die Entwicklung so entscheidend ist und in der die Weichen gestellt werden für das weitere Leben, ist jeder Tag entscheidend. Die wertvolle Zeit, die Kinder in den Flüchtlingslagern verlieren, kann nicht nachgeholt werden.
Kindheit in der Corona-Pandemie
Möchten Sie mehr über die Folgen der Pandemie für Kinder weltweit erfahren und darüber, wie UNICEF hilft? Hier finden Sie immer die aktuellsten Corona Infos im UNICEF Blog.
Allein im „Dschungel“
Ohne den Schutz einer Familie sind Kinder in Moria oder Vathi großen Gefahren ausgesetzt. Allein auf Lesbos leben rund 900, auf Samos knapp 300 unbegleitete Kinder, die besondere Fürsorge brauchen.
In Moria ist ein Großteil von ihnen in der „Sektion B“ des Flüchtlingslagers untergebracht – einer geschützten Abteilung für Kinder, die ohne ihre Eltern oder andere Familienangehörige nach Lesbos kamen. Doch mit mehr als 500 unbegleiteten Kindern ist auch dieser Bereich, der eigentlich nur für 160 Mädchen und Jungen ausgelegt ist, überfüllt.
Nicht für alle unbegleiteten Kinder gibt es in der „Sektion B“ einen Platz und so müssen sich viele allein außerhalb des eigentlichen Lagers – im sogenannten „Dschungel“ – durchschlagen. Sie werden häufig Opfer von Gewalt, Missbrauch und Ausbeutung und geraten leicht in die Hände von Menschenhändlern.
Wir dürfen die Not der Kinder in den Flüchtlingslagern nicht vergessen
Die COVID-19-Pandemie verlangt einiges von uns ab. Doch trotz der Sorgen um unsere eigene Gesundheit und die unserer Lieben oder um den Arbeitsplatz, gibt es eine große Solidarität mit unseren Mitmenschen und mit denen, die einen nahezu unmenschlichen Beitrag dazu leisten, das Virus zu stoppen oder die Versorgung aufrecht zu erhalten. Diese Solidarität gibt vielen Menschen Halt und Hoffnung.
So grenzenlos wie sich das Coronavirus verbreitet, muss auch unsere Solidarität sein. Und so dürfen wir trotz der aktuellen Herausforderungen in unserem eigenen Land nicht die Not der geflüchteten und migrierten Kinder in Griechenland vergessen.
Obwohl es in Griechenland bestätigte Fälle von COVID-19 gibt, sind die Flüchtlingslager auf den Inseln bisher verschont geblieben. Es ist jedoch zu befürchten, dass das Coronavirus sich auch in Griechenland weiter ausbreitet. Kinder und ihre Familien können sich in den Flüchtlingslagern nicht vor einer Ansteckung mit dem Virus schützen. Da die medizinische Versorgung schon jetzt schlecht ist, lässt sich das Ausmaß der Folgen kaum vorstellen.
Um eine humanitäre Katastrophe durch die Ausbreitung des Coronavirus in den griechischen Flüchtlingslagern zu verhindern, müssen unter Beachtung der neuesten Maßnahmen gegen das Coronavirus alle geflüchteten und migrierten Menschen, insbesondere Kinder und ihre Familien, schnell auf das griechische Festland gebracht werden.
In den vergangenen Wochen hatten sich die deutsche Bundesregierung und andere europäische Staaten bereit erklärt, besonders schutzbedürftige geflüchtete und migrierte Kinder aus Griechenland aufzunehmen. Diese Zusage ist nun wichtiger denn je. Sie darf – trotz der Pandemie – nicht zu einem leeren Versprechen werden. Es müssen nun alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um die Kinder so schnell wie möglich aufzunehmen.
Im Kampf gegen die Ausbreitung der Krankheit dürfen wir kein Kind zurücklassen.
UNICEF hat in den vergangenen drei Jahren in Griechenland zusammen mit seinen Partnern rund 60.000 geflüchtete und migrierte Kinder und ihre Familien unterstützt.
Aktuell hilft UNICEF gemeinsam mit Partnern die Ausbreitung von COVID-19 auch auf den griechischen Inseln zu verhindern. Dazu gehört unter anderem die Verteilung von Hygienesets, die unter anderem Handdesinfektionsmittel, Seife und Desinfektionstücher enthalten. Darüber hinaus informiert UNICEF Kinder und ihre Familien, wie sie sich vor einer Ansteckung mit COVID-19 schützen können und erarbeitet außerdem kindgerechte Informationen zu COVID-19.
UNICEF unterstützt zudem die Schutzvorkehrungen der Nationalen Organisation für öffentliche Gesundheit durch die Beschaffung und Ausstattung von temporären Zeltunterkünften, in denen Tests und im Bedarfsfall die Betreuung von Menschen durchgeführt werden können.
Gemeinsam gegen das Coronavirus
Um das Coronavirus zu stoppen, müssen wir alle zusammenarbeiten. Das gilt nicht nur hier in Deutschland, es gilt weltweit. Wir von UNICEF tun in unseren Programmländern alles, um vor allem Kinder und Familien vor einer Ansteckung zu schützen. Dabei brauchen wir Ihre Unterstützung. Jeder Beitrag hilft.