Dürre in Kenia: Staubiger Sand, so weit das Auge reicht
Sengende Hitze über dem Nordosten Kenias. Brunnen trocknen aus, Trinkwasser wird knapp, die Ernte verdorrt und das Vieh stirbt. Vor allem Kleinbauern verlieren durch die anhaltende Dürre jede Einkommensgrundlage. Die Zahl der Kinder, die jeden Abend hungrig ins Bett gehen, steigt. Eindrücke einer Projektreise.
Staubiger Sand, 38 Grad, eine drückende Hitze, die sich über den Nordosten Kenias legt. Und das seit Monaten. Längst sind die Brunnen ausgetrocknet, Trinkwasser ein so begehrtes Gut, dass es nicht selten zu Streitereien oder Konflikten an den wenigen verbliebenen Wasserquellen kommt, wie uns die Nomadenfamilien berichten.
Aktuelle Dürrekatastrophe in Kenia
Die diesjährige Ernte ist verdorrt, es gibt kaum zu essen. Auch nicht für die Tiere und so stirbt immer mehr Vieh der Bauern. Vor allem Kleinbauern in den nordöstlichen Dürreregionen Kenias verlieren jede Einkommensgrundlage. Die Familien stehen vor einer Existenzkrise und die Zahl der Kinder, die jeden Abend hungrig ins Bett gehen, steigt. Zu allem Leid kommt noch die Corona-Pandemie hinzu. Wir haben das Dorf Shataabaq besucht und mit Familien gesprochen.
Wir sprechen mit Ahmed Abdi und besuchen das Zuhause seiner Frau und seiner sieben Kinder. Die Familie lebt von und mit den Tieren. Besonders Tochter Sairuq (Dritte von links) hängt an Kälbchen Gutu und hat Angst, das Kälbchen könne verhungern und sterben, wie die anderen Kühe, die die Familie einmal besaß. Ahmed erzählt uns, dass er sich an so eine schwere Dürre in 73 Jahren seines Lebens nicht erinnern kann.
Die Dürre trifft die Familien im nordöstlichen Kenia mit voller Wucht
"Wir beten jeden Tag, dass es endlich anfängt zu regnen", sagt Ahmed. Doch der Regen bleibt seit Anfang des Jahres aus – auch davor gab es kaum nennenswerten Niederschlag. Vor der Dürre besaß Ahmed Abdi 200 Rinder, 150 Ziegen und Schafe sowie sechs Esel. Der Familie ging es gut und sie konnten von den Erträgen der Tiere und der Landwirtschaft leben, erzählen sie. Jetzt leben nur noch 15 Rinder, insgesamt 50 Schafe und Ziegen und ein Esel. Die Familie ist verzweifelt.
Die Hilfsappelle im Kampf gegen die Dürre in Kenia werden immer eindringlicher
In Kenia lebt fast die Hälfte der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze. Anhaltende Dürren mit der Gefahr von Missernten sind in Ostafrika häufig, vor allem Neugeborene und Kleinkinder sind dann von Hunger bedroht, erklärt uns unser Kollege Jacob Kifkeny. UNICEF sorgt für Zusatznahrung, sauberes Wasser und besseren Schutz der Kinder.
Luftaufnahme toter Giraffen. Am Dienstag warnte die Uno, mehr als 2,9 Millionen Menschen in #Kenia benötigten dringend Hilfe: Im Oktober habe es in einigen Gebieten so wenig geregnet wie seit 1981 nicht mehr. https://t.co/lLMHf6EEEb via @derspiegel
— Katharina Kesper (@k_kesper) December 16, 2021
Neben der Armut, die seit der Corona-Pandemie durch weggefallene Arbeitsmöglichkeiten noch schlimmer geworden ist, ist auch das sich verändernde Klima einer der Gründe für Mangelernährung. Immer häufiger kommt es in Kenia zu anhaltenden Dürreperioden mit der Gefahr von Missernten. Die Klimadaten sagen, dass sich die Temperaturen verändert haben. Die Ernährungssituation der Mädchen und Jungen ist dadurch schlecht, sagt uns Jacob.
Wir fragen Ahmed, ob er schon vom Klimawandel gehört hat. Er sagt uns, manche Regierungsvertreter, die sein Dorf besuchten, erzählten davon, doch er als gläubiger Muslim ist davon überzeugt, dass Gott die Menschen mit der Trockenheit für die vielen Kriege überall auf der Welt bestrafen will.
"Es ist die schlimmste Dürre in Kenia seit 40 Jahren"
Eins ist klar: Die Dürre stellt die Familien vor eine große Herausforderung. Durch den Wassermangel kommt es innerhalb von Dorfgemeinschaften zu Konflikten oder Kämpfen. Die nomadischen Familien können sich nicht selbst versorgen. Viele der Wanderhirten, die primär von ihrem Vieh leben, finden kein Wasser mehr und ziehen immer weiter. Frauen und Kinder bleiben dann zurück – ohne die Nährstoffe, die die Herden normalerweise liefern würden.
Der tägliche Kampf ums Wasser bestimmt den Alltag in Kenia
Es fehlt an Wasser und Lebensmitteln. Die Hilfsappelle von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) werden immer eindringlicher – auch UNICEF ist über die Lage im Nordosten Kenias besorgt. Wasser und Maismehl sind oftmals die einzige Nahrung für Familien. Das sind primär Kohlenhydrate, das macht satt und ist billig, aber natürlich nicht gesund und nährstoffreich. Von der Dürre sind über eine Millionen Menschen in Kenia bedroht. Mehr als 8.100 Kinder gelten allein in der Region Garissa aktuell als lebensbedrohlich mangelernährt. Eigentlich sollte längst die kleine Regenzeit sein, doch stattdessen ist das Land trocken und nichts kann wachsen.
Die Regierung hat die Dürre zur nationalen Katastrophe erklärt, doch zugesagte Hilfsmittel kommen in den betroffenen Regionen nicht oder zu langsam an, erzählen uns die Dorfbewohner*innen. Die Prognosen für die nächsten Monate sind düster: Der Wassermangel wird sich verstärken und auch umliegende Regionen und Länder betreffen, sagt uns Jacob. Er leitet bei UNICEF Kenia Programme für Wasser, Hygiene und Sanitär. "In naher Zukunft werden die Menschen und Kinder Kenias noch sehr viel mehr auf humanitäre Hilfe angewiesen sein", so Jacob. Er und sein Team stellen Wassertanks in der Region auf, die 10.000 Liter fassen können und von Tanklastwagen befüllt werden. UNICEF hat bereits in der Vergangenheit Dörfer mit solarbetriebenen Brunnen ausgestattet.
Die kenianische Dürre bestimmt das Leben der Familien, der Kinder, der Wanderhirten und vieler Helfer*innen von UNICEF, die jeden Tag im Einsatz sind.
"...und dann kam auch noch die Corona-Pandemie", fügt Jacob an. Denn Corona ist einer der großen Verstärker für Arbeitslosigkeit und Hunger. Durch den Lockdown hat sich der Alltag vieler Familien in Kenia verändert. Die Schulen waren monatelang geschlossen und so fielen auch die Schulmahlzeiten für die Kinder weg. Ein Teufelskreis. Viele Menschen haben wegen Covid-19 ihren Job verloren und stehen nun ohne Einkommensquelle da. Unser Eindruck vor Ort ist, das weniger das Virus selbst, dafür umso mehr die direkten Auswirkungen durch Lockdown und einer isolierteren Lebensrealität die Menschen vor große Herausforderungen stellen.
** Die Geschichte unseres Dorfbesuchs wurde im Oktober 2021 im Rahmen einer Reise mit der Passauer Neuen Presse für die UNICEF-Spendenaktion kurz vor Weihnachten recherchiert. Beginnend am 1. Advent bis in den Januar hinein können die Leser*innen der Zeitung und des UNICEF-Blogs Berichte der Projektreise lesen, mehr über die Kinder und UNICEF-Programme in Kenia erfahren und gleichzeitig unsere Arbeit unterstützen.