„Wir helfen ihnen, sich wieder auf die eigenen Füße zu stellen“
Nach allem, was ich über das Za’atari Camp für syrische Flüchtlinge gelesen und im Fernsehen gesehen habe, stehe ich nun zum ersten Mal selbst hier. Es ist irgendwie unwirklich: Ein staubiger Ort in der kargen jordanischen Wüste, außen herum ein niedriger Erdwall, im Camp Zelte und Container, so weit das Auge reicht, dicht an dicht. Ich hatte mir die Zelte größer vorgestellt, aber sie sind kaum größer als Camping-Zelte. Kein schöner Ort, kein Ort, an dem man seine Kinder aufwachsen sehen möchte.
In diesem trostlosen Alltag gibt es einige Lichtblicke, bunte Farbflecke zwischen den schmutzigweißen Zelten: zum Beispiel ein Jugendzentrum, betrieben von UNICEF in Zusammenarbeit mit der NGO International Medical Corps. Draußen spielt eine Gruppe Jungen Basketball, in einem Raum lernt eine andere Gruppe, ein Pferd zu zeichnen.
Im Medienzelt läuft gerade ein Film. Der Betreuer, ein syrischer Freiwilliger, drückt zwischendurch auf die Pausentaste und diskutiert mit den Jugendlichen darüber, was sie gerade gesehen haben. Es geht in der Szene darum, wie ein Mann eine schwierige Situation ohne Gewalt löst. „Wie ist ihm das gelungen?“, fragt der Betreuer, und gleich drei der Jungen melden sich und erzählen auch gleich eine ähnliche Situation, die sie selbst erlebt haben. Auf diese Weise öffnen sie sich, sprechen über ihre Erlebnisse und lernen durch positive Vorbilder.
Betreuungsangebot für traumatisierte Kinder
Hier im Jugendzentrum werden Mädchen und Jungen betreut, die als „besonders verletzlich“ gelten. „Dass sie in dieses Programm aufgenommen werden, kann verschiedene Gründe haben“, erklärt UNICEF-Kinderschutzexperte Stephen Catling. „Zum Beispiel weil sie aggressives Verhalten gezeigt haben oder aus einem Haushalt ohne Vater stammen oder weil es um eine Kinderheirat geht – und nicht zuletzt, weil die Jugendlichen selbst zu uns gekommen sind und um Hilfe gebeten haben.“ Psychosoziale Hilfe nennen sich die Angebote, die je nach Bedürfnis der Kinder oder Jugendlichen unterschiedlich intensiv sein können – vom betreuten Spielen bis hin zur Einzeltherapie. „Es geht vor allem darum: Wir helfen den syrischen Jugendlichen, sich wieder auf ihre eigenen Füße zu stellen“, sagt Stephen.
Gruppentherapie mit Malen
Zum Beispiel durch Malen. In einer Gruppensitzung sollten die Kinder sich selbst malen und Linien in verschiedenen Farben um ihren Körper herum. Den Farben sollten sie Gefühle zuordnen. Die 12-jährige Noor hat ihre Hände blau ausgemalt für „wütend“, aber auch rosa für „froh“. Auf Höhe ihres Herzens drei Kreise: rosa für „froh“, rot für „traurig“, grün für „vermissen“. Um ihren ganzen Körper herum eine braune Linie: Das heißt „müde“. Mir fällt auf, dass Noor an ihren Körper keine Füße gemalt hat.