Gaza: "Der gefährlichste Ort der Welt, um ein Kind zu sein"
Zusammenfassung des Statements von UNICEF-Sprecher James Elder bei der heutigen Pressekonferenz im Palais des Nations in Genf
„Der Gaza-Streifen ist der gefährlichste Ort der Welt, um ein Kind zu sein. Und mit jedem Tag verschärft sich diese grausame Realität.
In den vergangenen 48 Stunden ist das größte noch voll funktionsfähige Krankenhaus zweimal unter Beschuss geraten. Im Nasser-Krankenhaus in Khan Yunis sind nicht nur viele Kinder untergekommen, die bei Angriffen auf ihre Häuser schwer verletzt wurden, sondern auch Hunderte von Frauen und Kindern, die Schutz suchen.
Am Wochenende hat UNICEF die Geschichte der 13-jährigen Dina geteilt. Sie wurde schwer verletzt, als ihr Haus in Khan Yunis vollständig zerstört wurde. Später wurde ihr rechtes Bein amputiert. Sie verlor ihre beiden Eltern und zwei ihrer Brüder. Aber Dina hatte die Hoffnung nicht verloren. Sie erzählte uns von ihrem Traum, Anwältin zu werden. Sie sagte: „Ich spüre eine Ungerechtigkeit. Wenn ich groß bin, werde ich Anwältin, damit ich meine Rechte und die eines jeden Kindes wahrnehmen kann.“
Dina war unter denjenigen, die am Sonntag im Nasser-Krankenhaus getötet wurden – einen Tag, nachdem sie ihre Geschichte der Hoffnung geteilt hatte.
Wohin also sollen Kinder und ihre Familien flüchten? In Krankenhäusern sind sie nicht sicher. In Notunterkünften sind sie nicht sicher. Und bestimmt nicht in sogenannten „sicheren Zonen“.
Lassen Sie mich erklären, warum diese sogenannten sicheren Zonen alles andere als sicher sind. Konfliktparteien sind verpflichtet, alle erdenklichen Vorkehrungen zum Schutz der Zivilbevölkerung zu treffen. In diesem Fall ist eine der Vorsichtsmaßnahmen die Evakuierung der Menschen. Das heißt, die Verlegung in sogenannte sichere Zonen.
Wie die Vereinten Nationen vor mehr als einem Monat erklärt haben: Diese Zonen können weder sicher noch humanitär sein, wenn sie einseitig zu solchen erklärt werden. Außerdem muss der Ort, an den Menschen evakuiert werden, nach internationalem Recht über ausreichende Ressourcen zum Überleben verfügen – medizinische Versorgung, Lebensmittel und Wasser.
Das heißt, diese sogenannten sicheren Zonen sind nicht nur dann sicher, wenn sie nicht bombardiert werden, sondern wenn die genannten Ressourcen Bedingungen – Nahrung, Wasser, Medizin, Schutz – vorhanden sind.
Unter den derzeitigen Bedingungen ist eine angemessene Versorgung solcher Zonen jedoch unmöglich. Dies habe ich mit meinen eigenen Augen gesehen.
Es handelt sich dabei um winzige Flecken unfruchtbaren Landes oder Straßenecken oder halbfertige Gebäude – ohne Wasser, ohne Schutz vor Kälte und Regen. Und – das ist besonders kritisch – ohne sanitäre Einrichtungen.
Derzeit gibt es in Gaza im Durchschnitt eine Toilette für 700 Kinder und Familien. Ohne Toiletten haben Zehntausende Menschen keine andere Wahl, als Eimer zu verwenden oder offene Defäkation.
Und so sind diese sogenannten sicheren Zonen ohne Wasser, sanitäre Einrichtungen und Unterkünfte zu Gebieten geworden, in denen sich Krankheiten ausbreiten.
Mehr als 100.000 Kinder leiden an Durchfallerkrankungen. Von akuten Atemwegserkrankungen sind mehr als 150.000 Menschen betroffen. Beide Zahlen dürften weit unter der traurigen Realität liegen.
In Anbetracht einer wachsenden Zahl mangelernährter Kinder im Gazastreifen werden Durchfallerkrankungen immer tödlicher.
Mehr als 130.000 der am stärksten gefährdeten Babys und Kleinkinder im Gazastreifen im Alter von 0 bis 23 Monaten können nicht gestillt werden bzw. erhalten nicht die altersgerechte Beikost, die sie benötigen, einschließlich von Mikronährstoffen.
In einem solchen Szenario – ohne ausreichende Versorgung mit sauberem Wasser, Nahrungsmitteln und sanitären Einrichtungen, die ausschließlich ein humanitärer Waffenstillstand gewährleisten kann – könnte die Zahl der Kinder, die an Krankheiten sterben, die Zahl der Kinder übertreffen, die durch Angriffe ihr Leben verlieren.
Den Eltern ist schmerzlich bewusst, dass Krankenhäuser für ihr krankes Kind keine Option sind – zum einen, weil Krankenhäuser getroffen werden, und zum anderen, weil die Krankenhäuser mit der Zahl der Kinder und Menschen, die grausame Kriegsverletzungen erlitten haben, überfordert sind.
Wie mir der Vater eines schwerkranken Kindes sagte: „Unsere Situation ist das reinste Elend. Ich bin überwältigt. Mein Sohn ist sehr krank. Ich habe meiner Frau gesagt, dass wir unsere Erwartungen herunterschrauben müssen. Alles, was wir haben, ist Hoffnung.
Ich weiß nicht, ob wir dies überleben werden. Bitte berichten Sie dies der Welt.“
Während ich hier spreche, geht es für die Kinder in Gaza um Leben und Tod, und die Bedingungen für die Bereitstellung der humanitären Hilfe werden nicht erfüllt. Ein sofortiger und dauerhafter humanitärer Waffenstillstand ist der einzige Weg, um das Sterben und die Verletzungen von Kindern sowie die tödliche Gefahr durch Krankheiten zu beenden und die dringend benötigte lebensrettende Hilfe zu ermöglichen."
Christine KahmannSprecherin - Nothilfe