Pressemitteilung

Sudan: Zahl der Kinder in Not laut UNICEF seit Kriegsbeginn verdoppelt

Port Sudan/ New York/ Köln

  • 15 Millionen Kinder im Sudan brauchen humanitäre Hilfe

  • Größte humanitäre Krise mit meisten vertriebenen Kindern der Welt

  • Sudan ist einziges Land mit einer offiziell festgestellten Hungersnot

  • Schwere Kinderrechtsverletzungen um 1000 Prozent gestiegen

  • Einschränkungen bei Zugang und Finanzierung verschärfen die Herausforderungen

Amna isst therapeutische Fertignahrung. In Teilen des Sudan herrscht eine Hungersnot.

Amna isst therapeutische Fertignahrung zur Behandlung ihrer Mangelernährung. In Teilen des Sudan herrscht eine Hungersnot.

Zwei Jahre nach Ausbruch des Konflikts im Sudan hat sich die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die humanitäre Hilfe benötigen, von 7,8 Millionen (Anfang 2023) auf heute über 15 Millionen verdoppelt. Ohne eine massive Ausweitung der Unterstützung könnte die bereits jetzt größte humanitäre Krise der Welt zu einer noch größeren Katastrophe eskalieren, warnt das UN-Kinderhilfswerk UNICEF.

Die Gewalt gegen Kinder hat ein erschütterndes Ausmaß angenommen. Allein in der vergangenen Woche wurden Berichten zufolge mindestens 23 Kinder und neun humanitäre Helfer*innen in Nord-Darfur getötet.

Vertreibung, Hunger und Krankheiten nehmen zu. Der Zugang von humanitären Helferinnen und Helfern zu Familien wird eingeschränkt, gleichzeitig sinkt die finanzielle Unterstützung. Sorgen macht UNICEF auch die bevorstehende Regenzeit von Mai bis Oktober, die erfahrungsgemäß oft zu verheerenden Überschwemmungen und einem Anstieg von Mangelernährung und Krankheiten führt.

„Zwei Jahre Gewalt und Vertreibung haben das Leben von Millionen von Kindern im Sudan zerstört. Der Bedarf übersteigt weiterhin die humanitären Mittel“, sagte UNICEF-Exekutivdirektorin Catherine Russell. „In der bevorstehenden Regenzeit werden Kinder, die bereits an Mangelernährung und Krankheiten leiden, schwerer zu erreichen sein. Ich fordere die internationale Gemeinschaft dringend auf, dieses entscheidende Zeitfenster zu nutzen und sich stärker für die Kinder des Sudan einzusetzen.“

Fatuma (13) wurde bereits sechs Mal vertrieben

Der Sudan erlebt die weltweit größte humanitäre Krise und die größte Kindervertreibungskrise. Die Hälfte der über 30 Millionen Menschen, die in diesem Jahr humanitäre Hilfe benötigen, sind Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren. Der Konflikt hat fast 15 Millionen Menschen innerhalb des Sudan und in die Nachbarländer vertrieben, über die Hälfte von ihnen Kinder.

Eine von ihnen ist Fatuma, 13 Jahre. Als der Krieg vor zwei Jahren ausbrach, musste sie mitten in einer Schulprüfung alles stehen und liegen lassen. Seitdem musste Fatuma bereits sechs Mal fliehen. „Was ich am meisten vermisse, ist die Schule und das Lernen. Ich habe immer davon geträumt, Ärztin zu werden. Ich wollte mich bilden, meine Träume verfolgen und meine Eltern stolz machen.“

Rund 90 Prozent der Kinder im Sudan gehen nicht zur Schule. In Gebieten, in denen die Kämpfe zurückgehen, gefährden Blindgänger und der eingeschränkte Zugang zu lebenswichtigen Dienstleistungen das Leben von Kindern erheblich. Hungersnöte breiten sich aus, die Impfraten sinken.

Die Zahl schwerer Kinderrechtsverletzungen* ist innerhalb von zwei Jahren um 1000 Prozent gestiegen.

Während solche Menschenrechtsverletzungen an Kindern vorher auf Regionen wie Darfur, Blauer Nil und Südkordofan beschränkt waren, hat der anhaltende Konflikt im ganzen Land dazu geführt, dass in mehr als der Hälfte der 18 sudanesischen Bundesstaaten schwere Kinderrechtsverletzungen festgestellt wurden. Zu den am häufigsten festgestellten schweren Rechtsverletzungen im Sudan zählen Tötungen und Verstümmelungen, Entführungen von Kindern sowie Angriffe auf Schulen und Krankenhäuser. Darfur, Khartum, Jezira und Südkordofan meldeten in den letzten zwei Jahren die meisten schweren Kinderrechtsverletzungen.

In mindestens fünf Gebieten ist bereits eine Hungersnot ausgebrochen. Fünf zusätzliche Gebiete stehen am Rande einer Hungersnot, 17 weitere sind gefährdet. Mit der nahenden Regenzeit sind außerdem sieben dieser Orte auch von Überschwemmungen bedroht – sechs in Darfur und einer in Nordkordofan. Zwischen 2022 und 2024 erfolgten rund 60 Prozent der jährlichen Einweisungen wegen schwerer akuter Mangelernährung (SAM) während der Regenzeit. Sollte sich dieser Trend fortsetzen, könnten zwischen Mai und Oktober dieses Jahres bis zu 462.000 Kinder an lebensbedrohlicher Mangelernährung leiden.

Auch Krankheitsausbrüche werden voraussichtlich zunehmen. Allein im Jahr 2024 wurden 49.000 Cholera-Fälle und mehr als 11.000 Dengue-Fieber-Fälle gemeldet – 60 Prozent davon betrafen Mütter und Kinder. Diese Ausbrüche werden durch die Regenzeit verschlimmert, weil dadurch Wasserverschmutzung, schlechte sanitäre Versorgung sowie Vertreibung zunehmen.

Der Zugang humanitärer Akteure zu Kindern verschlechtert sich aufgrund der Intensität des Konflikts und aufgrund von Einschränkungen und bürokratischen Hindernissen durch Regierungsbehörden oder andere bewaffnete Gruppen. Im Jahr 2024 verzögerten sich über 60 Prozent der Hilfslieferungen von UNICEF aufgrund der äußerst instabilen Sicherheitslage. Obwohl keine Hilfslieferungen abgesagt oder abgebrochen wurden, haben diese wiederholten Verzögerungen die rechtzeitige Bereitstellung von Hilfe und den Zugang zu Kindern in Not erschwert.

Die Finanzierung der Hilfsprogramme ist auf einem gefährlich niedrigen Niveau. Dadurch sind wichtige Gesundheits-, Ernährungs-, Bildungs- und Schutzprogramme für Kinder und Familien – und damit Menschenleben – in Gefahr. UNICEF benötigt rund eine Milliarde US-Dollar für seine Nothilfe im Sudan im Jahr 2025. Der Bedarf beläuft sich auf lediglich 76 US-Dollar pro Person für das gesamte Jahr – nur 0,26 US-Dollar pro Tag –, um lebenswichtige Unterstützung für die Menschen zu leisten. Bislang stehen UNICEF 266,6 Millionen US-Dollar für diese Hilfsmaßnahmen zur Verfügung. Der Großteil davon wurde bereits 2024 übertragen, nur 12 Millionen US-Dollar gingen 2025 ein.

UNICEF leistet umfangreiche Hilfe für Kinder und Familien im Sudan. Im Jahr 2024 haben UNICEF und Partner psychosoziale Beratung, Bildungs- und Schutzangebote für 2,7 Millionen Kinder und ihren Bezugspersonen im Sudan geleistet. Über 9,8 Millionen Kinder und Familien wurden mit sauberem Trinkwasser versorgt. UNICEF und Partnerorganisationen haben insgesamt 6,7 Millionen Kinder auf Zeichen von Mangelernährung untersucht und 422.000 von ihnen mit lebensrettender Therapie behandelt. UNICEF legt weiterhin den Fokus auf lebensrettende Hilfe in Konfliktgebieten und unterstützt Vertriebene und Aufnahmegemeinschaften in sichereren Gebieten mit lebenswichtigen Dienstleistungen.

„Der Sudan ist heute die größte humanitäre Krise der Welt, doch die Weltöffentlichkeit schenkt ihm keine Beachtung“, sagte Russell. „Wir dürfen die Kinder im Sudan nicht im Stich lassen. Wir verfügen über das Fachwissen und die Entschlossenheit, unsere Unterstützung auszuweiten, aber wir benötigen Zugang und nachhaltige Finanzierung. Vor allem brauchen die Kinder im Sudan ein Ende dieses schrecklichen Konflikts.“

* Zu den schweren Kinderrechtsverletzungen (Six grave Violations) zählen die Vereinten Nationen: Tötung und Verstümmelung, Entführung, Rekrutierung und Einsatz von Kindersoldat*innen, Vergewaltigung und andere Formen sexueller Gewalt, Angriffe auf Schulen und Krankenhäuser und die Verweigerung humanitärer Hilfe.

UNICEF ruft dringend zu Spenden für Kinder im Sudan auf: www.unicef.de/sudan.

Service für Redaktionen

» Fotos und Videos, darunter das Video von Fatuma (13), stehen Redaktionen hier zur kostenfreien Nutzung im Rahmen der Berichterstattung zur Verfügung.

» Der Geschäftsführer von UNICEF Deutschland, Christian Schneider, war Ende 2024 im Sudan und steht für Interviews zur Verfügung. Sprechen Sie uns bei Interesse gerne an.

Ninja Charbonneau

Ninja CharbonneauAbteilungsleiterin Presse/Sprecherin

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