Statement

Impfungen gegen Polio in Gaza: “Eine der gefährlichsten und schwierigsten Impfkampagnen der Welt”

Statement von Adele Khodr, UNICEF-Regionaldirektorin für den Nahen Osten und Nordafrika 

Amman / Köln

„Die vergangenen drei Tage haben einen seltenen Lichtblick inmitten des verheerenden Konflikts im Gazastreifen gebracht.

Nach fast einem Jahr, in dem Familien Schrecken erleben mussten, die kein Mann, keine Frau und kein Kind jemals ertragen sollte, haben wir in dieser Woche gesehen, was erreicht werden kann, wenn es den Willen gibt.

Polio-Impfkampagne in Gaza

Gaza: Ein Kleinkind wird in einer Impfstation in Az-Zawayda gegen Polio geimpft.

© UNICEF/UNI636685/El Baba

Mindestens ein Vierteljahrhundert lang gab es im Gazastreifen keine Fälle von Polio. Nun ist die unsichtbare Bedrohung aus den Tiefen verschmutzter Abwässer und Schutt wieder aufgetaucht. Bislang wurde ein Fall von Polio bei einem elf Monate alten Baby bestätigt – einem Kind, dessen kurzes Leben bereits von schwierigsten Umständen geprägt war und das nun irreparable körperliche Schäden davontragen wird.

Die Gefahr einer Ausbreitung von Polio innerhalb des Gazastreifens und darüber hinaus, insbesondere in die Nachbarländer, ist nach wie vor groß. Gemeinsam arbeiten UNICEF, UNRWA und WHO unermüdlich daran, die aktuelle Impfkampagne im Gazastreifen umzusetzen und 640.000 Kinder unter zehn Jahren zu impfen.

Im Rahmen der ersten Phase der Impfkampagne, die vom 1. bis 3. September dauerte, wurden mehr als 189.000 Kinder im zentralen Teil des Gazastreifens gegen Polio geimpft; damit wurde das ursprüngliche Ziel übertroffen. Rund 513 Teams waren in diesem Gebiet im Einsatz.

Trotz der unerbittlichen Angriffe auf Schulen und Einrichtungen, in denen vertriebene Kinder untergebracht sind, trotz der erschöpfenden Evakuierungsaufrufe, die die Familien immer wieder zwingen, ihre Aufenthaltsorte zu verlassen, und trotz des katastrophalen Hungers, der Teile des Gazastreifens an den Rand einer Hungersnot gebracht hat, sind zahlreiche Familien zu den Impfstellen gekommen. Sie wissen, dass sie keine Zeit verlieren dürfen, um ihre Kinder zu schützen.

Die Geschichte und wissenschaftliche Erkenntnisse haben uns gezeigt, dass Impfungen die sicherste und wirksamste Methode sind, um die Ausbreitung von Polio zu stoppen und Kinder zu schützen. Der Impfstoff ist sicher und wirksam und wurde in den letzten drei Jahren zum Schutz von Kindern in mehr als 40 Ländern eingesetzt.

Die Impfkampagne kann jedoch nicht ohne Einhaltung der gebietsspezifischen humanitären Pausen durchgeführt werden, die sicherstellen sollen, dass das Gesundheitspersonal die Kampagne umsetzen und Kinder teilnehmen können, ohne ihr Leben zu riskieren. Die vereinbarten Pausen wurden in dieser ersten Phase der Impfkampagne eingehalten. Dies hat sowohl den Familien als auch dem Gesundheitspersonal das nötige Vertrauen gegeben, die Arbeit umzusetzen.

Diese Bemühungen müssen fortgesetzt werden. Ohne eine Pause zur Durchführung der verbleibenden zwei Phasen der Impfkampagne gegen Polio werden wir die Kinder in Gaza nicht schützen können und andere Kinder in der Region gefährden. Wir müssen eine Durchimpfungsrate von mindestens 90 Prozent erreichen, um die Ausbreitung des Virus zu verhindern.

Die Vorbereitung dieser komplexen Impfkampagne und das Sicherstellen dieser Pausen waren nicht einfach, aber sie zeigen, dass es möglich ist, Hilfsgüter in den Gazastreifen zu bringen, die Angriffe auszusetzen und die Zivilbevölkerung zu schützen. Es muss nur der Wille vorhanden sein.

Die Kinder im Gazastreifen leiden nicht nur unter Explosionen und Kugeln, die ihr Leben täglich bedrohen. Die anhaltende Zerstörung der lebenswichtigen zivilen Infrastruktur - einschließlich der Gesundheits-, Wasser- und Abwassersysteme - erhöht das Risiko tödlicher Krankheitsausbrüche im gesamten Gazastreifen. Vor Beginn des Konflikts war die Durchimpfungsrate bei Kindern im Gazastreifen mit über 99 Prozent sehr hoch.

Es handelt sich um eine der gefährlichsten und schwierigsten Impfkampagnen weltweit. Der Gazastreifen ist der gefährlichste Ort der Welt, um ein Kind zu sein. Selbst mit einer humanitären Pause ist die Impfkampagne gegen Polio mit großen Gefahren und unermesslichen Hindernissen konfrontiert, darunter beschädigte Straßen und Gesundheitseinrichtungen, die Vertreibung der Bevölkerung, Plünderungen und unterbrochene Versorgungswege.

Die Kinder haben genug gelitten. Und jetzt sind auch noch weitere Kinder in der Region in Gefahr. Wir dürfen nicht versagen.“

Service für die Redaktionen

Bild- und Videomaterialien stehen hier zur Verfügung.

Christine Kahmann

Christine KahmannSprecherin - Nothilfe

030-275807919presse@unicef.de