Nach der Zerstörung des Kachowka-Staudamms: Wie geht es den Kindern jetzt?
Eine schreckliche Meldung erreichte uns alle am Dienstag: Bei einem Angriff ist der Kachowka-Staudamm im Süden der Ukraine zerstört worden. In den Medien sehen wir Bilder von überfluteten Orten, von zerstörten Gebäuden und vor allem: von Kindern, die unsere Hilfe brauchen. Was passiert jetzt in den betroffenen Gebieten mit den Kindern? Und ist UNICEF bereits aktiv?
Masha hat alles zurückgelassen
Innerhalb kürzester Zeit musste Masha ihr Zuhause am Stadtrand von Cherson verlassen und zusammen mit ihrer Mutter vor dem Hochwasser flüchten. "Heute war ich zum ersten Mal in meinem Leben in einem Boot. Zuerst hatte ich Angst zu ertrinken, aber das ist nicht passiert", erzählt das sechsjährige Mädchen erleichtert.
Es gibt zwei Evakuierungswege aus Cherson: Entweder man nimmt den Zug oder den Bus. Masha und ihre Mutter nahmen den Evakuierungsbus nach Odessa. All ihre überschwemmten Habseligkeiten mussten sie zurücklassen.
Anya und Ernest: im Evakuierungsbus
Auch die siebenjährige Anya und ihr 15-jähriger Bruder Ernest (im Foto rechts mit Kopfhörern) mussten mit ihrer Familie vor den Fluten gerettet werden. Nun sitzen sie abfahrbereit im Bus und warten auf ihre Evakuierung aus Cherson. "Ich habe gestern im Internet von der Zerstörung des Staudamms gelesen und konnte es nicht glauben“, erzählt Ernest schockiert. „Aber dann sah ich das Wasser plötzlich durch unsere Straße fließen."
Ernests Vater Dmitry konnte gerade noch die wichtigsten Dokumente der Familie zusammenpacken, bevor die Flut das gesamte Haus der Familie zerstörte. "Wir haben in diesem Haus den Krieg überlebt, aber jetzt ist es weg. Alles ist überflutet. Das ganze Gebiet steht unter Wasser."
Mykyta: Vom zweiten Stock ins Rettungsboot
Der 14-jährige Mykyta musste durch ein Fenster im zweiten Stock klettern, um in ein Rettungsboot zu gelangen und in einen sichereren Teil der Stadt evakuiert zu werden. Gestern harrte der Junge zusammen mit seiner Großmutter, seinem Großvater und seinem Hund im vierten Stock ihres Wohnhauses aus. Sie waren wie gefangen, umgeben nur von Wasser.
"Gestern gegen 18 Uhr begann das Wasser zu steigen und überschwemmte die unteren Stockwerke. Wir blieben in unserer Wohnung und warteten auf Hilfe", sagt Mykyta, während er seiner Großmutter beim Aussteigen aus dem Boot hilft. Während der Evakuierung hielt er seinen Hund George im Arm. Auch George wurde aus dem überschwemmten Gebiet gerettet. „Ich konnte ihn dort nicht allein lassen“, sagt Mykyta. Er ist glücklich, dass es ihm gelang, seinen Hund aus dem Überschwemmungsgebiet zu retten. Alle anderen persönlichen Gegenstände konnte er in der Eile nicht mitnehmen.
Nach dem Dammbruch: UNICEF ist vor Ort
Auftanken in UNICEF-Kinderzentren
Die Kinder in der vom Krieg erschütterten Ukraine haben schon seit Beginn des Krieges im Februar 2022 unendlich viel durchgemacht. Viele sind durch Angriffe, Flucht und Vertreibung traumatisiert und brauchen dringend jemanden, mit dem sie über ihre Sorgen und Erlebnisse sprechen können. Die Zerstörung des Staudamms macht die Situation für viele Kinder nun noch dramatischer. Denn manche Kinder mussten schon zuvor vor Angriffen und Bombardierungen flüchten und haben nun erneut alles verloren. Umso wichtiger sind die Kinder-Schutzzentren, die wir für sie eingerichtet haben.
An mehreren Standorten rund um Cherson haben UNICEF-Teams diese provisorische Kinderschutz-Zentren eingerichtet. Kinder aus den betroffenen Flut-Gebieten erhalten dort psychosoziale Unterstützung: Für die Kinder stehen Ansprechpartner*innen bereit, die ein offenes Ohr für sie haben. Und die Zentren sind sichere Orte für sie, um mit Gleichaltrigen zu spielen und auf andere Gedanken zu kommen.
Wir bauen unsere Nothilfe weiter aus
UNICEF arbeitet vor Ort in den betroffenen Gebieten und versorgt Familien in den Oblasten Cherson und Mykolajiw mit sauberem Trinkwasser, Hygieneartikeln und anderen benötigten Hilfsgütern. Darüber hinaus können Familien in den von Überschwemmungen betroffenen Regionen auch kleine Geldbeträgen bekommen, mit denen sie sich selbst mit lebenswichtigen Gütern versorgen können. Unsere Nothilfe-Expert*innen werden in den nächsten Tagen noch genauer analysieren, was die Familien aktuell am dringendsten brauchen. Auf dieser Grundlage werden wir unsere Nothilfe in der nächsten Zeit noch weiter ausbauen.
Sie möchten mehr UNICEF-Blogs zur Ukraine lesen? In unseren Blogbeiträgen zur Ukraine schildern wir die aktuelle Situation der Kinder, geben Tipps, wie man mit Kindern über den Krieg sprechen kann, und erklären Ihnen, wie sich der Konflikt über die Jahre entwickelt hat.