Kinderfreundliche Orte im Libanon: Viel mehr als nur ein Platz zum Spielen
„Meet what you need“ – mit diesem Satz wird unsere kleine Gruppe aus Spendern und UNICEF-Mitarbeitern von Layla Khayyat im "Kinderfreundlichen Ort" in Saadnayel begrüßt, einer Siedlung für syrische Flüchtlinge im Libanon.
Layla arbeitet hier als Kinderschutz-Koordinatorin bei der UNICEF-Partnerorganisation Beyond. Der sogenannte "Kinderfreundliche Ort" (Child Friendly Space) liegt circa eine Autostunde östlich von Beirut in der Beeka Ebene und ist eine zentrale Anlaufstelle für rund 750 Kinder aus den vielen kleinen Zeltunterkünften rundherum.
Aufgrund seiner Größe mit zwölf Zelten und einer Theaterbühne ist der "Kinderfreundliche Ort" in Saadnayel ein besonderes Beispiel unter den einfachen Kinderzentren, die UNICEF weltweit in Krisensituationen einrichtet und die oft nur aus einem einzigen Zelt oder Raum bestehen.
Child Friendly Space: Was ist das eigentlich und warum gibt es das?
Informelle Einrichtungen wie dieses Kinderzentrum hier in Saadnayel gibt es solange wie es braucht, den Regierungsbeschluss aus dem letzten Sommer umzusetzen, laut dem syrische Kinder in das staatliche Bildungssystem integriert werden sollen. Dass das funktioniert und in vollem Gange ist, erlebe ich in zwei staatlichen Schulen im Gespräch mit Kindern, Lehrern, freiwilligen Helfern, Schulleitern. Doch es ist ein großes Ziel, wirklich alle Flüchtlingskinder in das normale Schulsystem zu integrieren. Bis das erreicht ist, gibt es unter anderem Bildungsangebote in Kinderzentren, damit die Kinder den Schulanschluss nicht verlieren und es einen Ort zum Spielen und Lernen für sie gibt.
„Meet what you need“ – das ist die Einladung an alle Kinder, Jugendlichen und auch Mütter an den Angeboten teilzunehmen und ein Stück Normalität in ihren grunderschütternden Leben zurückzugewinnen. Dazu gehört neben den Spiel- und Lernangeboten für Kinder auch ein Ort für die Mütter mit ihren Neugeborenen.
Hier wird gespielt, gelacht, geübt, gelernt, aufmerksam zugehört und auch einfach mal Blödsinn gemacht – was für Kinder so normal sein sollte und die Kinder, denen ich hier begegne durch ihre Fluchtsituation in ihrem aktuellen Lebensumständen kaum haben. Viele von ihnen arbeiten am Tag ein paar Stunden in der Landwirtschaft, um zum Beispiel bei der Ernte zu helfen und ihren Familien zu unterstützen. An diesem Ort dürfen sie sein wie sie sind – ich treffe tobende, fröhliche Kinder mit strahlenden Augen, wenn sie mir stolz ihre gemalten Bilder präsentieren wie Trophäen.
Ich erlebe aber auch sehr zurückhaltende, scheue Kinder, denen anzumerken ist, dass sie diesen Ort hier noch nicht lange besuchen. Und mir entgeht nicht, dass einige von ihnen manchmal gedankenverloren und abwesend vor sich hin schauen, nachdenklich und traurig sind.
Es ist deutlich spürbar, wie leicht verwundbar viele von ihnen sind und wie wenig Ahnung ich davon habe, was ihre Augen auf der Flucht gesehen haben.
Doch in Saadnayel gibt es ein Gefühl, das über allem schwebt – Sicherheit. Es ist ein Ort, der den Kindern eine gute Atmosphäre ermöglicht, der Stabilität aufbaut, einen regelmäßigen Ablauf zumindest für einen Teil ihres Tages gewährleistet - und an dem sie einfach Kind sein dürfen, mit allen Stärken, Schwächen, Gefühlen, Ausdrucksformen, die jedes einzelne mitbringt.
Übertragbar auf jede Fläche – unabhängig vom Platz
Layla erklärt mir, dass der Grundgedanke der „Kinderfreundlichen Orte“ auf jeden Einsatzort übertragbar ist: „Wir müssen flexibel sein, egal wie groß oder klein die Fläche ist, die wir nutzen können, die Idee und der Inhalt sind auf jede Fläche adaptierbar.“ Ich kann mir das kaum vorstellen – und erlebe zwei Tage später in Semmaqli nahe der syrischen Grenze, was sie meint.
Statt zehn Zelten stehen hier zwei – sie sind im Innenraum geteilt, so dass mehr Unterrichtsfläche entsteht. Dieses Child Friendly Space hat UNICEF gemeinsam mit Beyond erst vor fünf Monaten errichtet, es befindet sich noch ganz am Anfang. Und doch wird mir schnell klar, was Layla mir sagen wollte: Es ist nicht nur ausschlagebend, wie viel räumlicher Platz zur Verfügung steht. Es geht vor allem um den Inhalt und um die Menschen, von denen er vermittelt wird.
Die Kinder beobachten mich anfangs deutlich zurückhaltender und vorsichtiger, doch es braucht nicht lange, bis das Eis gebrochen ist. Verglichen mit Saadnayel ist hier deutlich spürbar, dass eine größere Unsicherheit bei den Kindern herrscht – noch.
„Meet what you need“ – ein simpler Satz mit enorm viel Durchsetzungskraft. Ich bin zutiefst beeindruckt von den zwei Tagen in diesen beiden Child Friendly Spaces. Das Konzept ist eigentlich ganz einfach und doch sehr besonders – eine gute und durchdachte Atmosphäre schaffen, zuhören und da sein. Und es hängt an den Menschen, die hier arbeiten und das aus voller Überzeugung tun.
Für diese Kinder, die so dankbar sind für das was sie jetzt haben dürfen und die keine Wahl hatten warum sie hier sind. Für ein kleines Stückchen Kindheit.