Kasai: Fünffache Krise für Kinder im Kongo
Haben Sie schon einmal etwas von Kasai gehört? Falls nicht, sind Sie damit nicht allein. Der Name dieser Region in der Demokratischen Republik Kongo sagt wahrscheinlich nur wenigen etwas. Dabei spielt sich dort seit über einem Jahr eine gewaltige Tragödie ab. In der Folge eines brutalen Konflikts sind aktuell 400.000 Kinder in akuter Gefahr, an den Folgen des Hungers im Kongo zu sterben.
Die gute Nachricht ist: Viele Kinder sind jetzt – endlich – nach monatelangen Kämpfen und Flucht wieder für unsere Helfer erreichbar. Jetzt können wir ihnen helfen, und die Zeit drängt.
Momentan gehört die humanitäre Katastrophe in der Kasai-Region zu einer der am wenigsten beachteten Krisen mit enormen Finanzierungslücken. Eine Geberkonferenz an diesem Freitag in Genf soll jetzt mehr internationale Hilfe für die Demokratische Republik Kongo mobilisieren.
Was ist die Kasai-Krise im Kongo?
Die Region Kasai im Zentrum und Südwesten der Demokratischen Republik Kongo war jahrzehntelang friedlich. Im August 2016 führten politische Spannungen zu Gewalt, die sich im Laufe des vergangenen Jahres zu einem größeren Konflikt ausweitete. Hunderttausende Menschen mussten fliehen und ihre Häuser, Felder und sonstigen Besitz zurücklassen. Viele Familien versteckten sich über Monate im Buschland, hatten kaum Wasser und Nahrung und waren völlig ungeschützt.
Seit sich die Situation etwas beruhigt hat, kehren viele Menschen in ihre Dörfer zurück. Doch oft wurden ihre Häuser niedergebrannt und geplündert, so dass sie ihre Lebensgrundlage verloren haben. Immer wieder flammt Gewalt neu auf. Nach Schätzung der Vereinten Nationen brauchen 3,8 Millionen Menschen in der Kasai-Region humanitäre Hilfe, mehr als die Hälfte von ihnen – 2,3 Millionen – sind Kinder unter 18 Jahren.
Die Kasai-Krise betrifft alle Lebensbereiche der Kinder, so dass man eigentlich von einer Fünffach-Krise sprechen muss: Vertreibung, Hunger, Krankheiten, Unterbrechung der Bildung und Rekrutierung von Kindersoldaten sind Aspekte, die zur akuten Bedrohung der Kinder beitragen.
Flucht: Kein Schutz, kein Wasser, kein Essen
Hunderttausende Menschen sind innerhalb kürzester Zeit geflohen. Wer konnte, hat bei Verwandten oder Bekannten in ruhigeren Orten Zuflucht gesucht. Doch viele Familien haben sich mangels Alternativen im Buschland versteckt, wo sie oft monatelang ausgeharrt haben – ohne Dach über dem Kopf, ohne Schutz vor Schlangen oder Malaria-Mücken, und mit wenig Wasser und Nahrung. Von Hilfe waren sie über lange Zeit abgeschnitten. Wie viele Menschen durch Gewalt, Hunger und Krankheiten ihr Leben verloren haben, ist unklar.
Nach dem relativen Rückgang der Gewalt trauen sich immer mehr Bewohner zurück in ihre Dörfer – doch oft finden sie dort nur zerstörte Häuser und verwüstete Felder vor. Zusammen mit unseren Partnern unterstützen wir sowohl mittellose Familien, die zurückkehren, als auch Gastfamilien, die Flüchtlinge aufgenommen haben. 85.000 Menschen haben zum Beispiel Hilfsgüter wie Planen, Schlafmatten und Kochgeschirr erhalten, rund 90.000 wurden zusätzlich durch einen kleinen Geldbetrag unterstützt.
Ernährung: Hunger bringt 400.000 Kinder in Gefahr
Als Folge der Gewalt, Vertreibung und monatelanger Unterversorgung sind insgesamt rund 770.000 Kinder mangelernährt. Darunter sind 400.000 Mädchen und Jungen unter fünf Jahren, die so schwer akut mangelernährt sind, dass es lebensbedrohlich ist. Das ist rund jedes zehnte Kind unter fünf Jahren in der Kasai-Region!
Die Situation bleibt extrem schwierig: Da die Familien vergangenes Jahr Hals über Kopf fliehen mussten, mussten sie ihre Häuser und Felder im Stich lassen und konnten nichts anpflanzen, so dass ihnen jetzt die Ernte fehlt.
Wir haben bereits seit 2017 über 65.000 Kinder unter fünf Jahren mit therapeutischer Nahrung behandelt – dadurch haben sie eine sehr gute Überlebenschance. Aber es reicht noch nicht, um alle Kinder zu versorgen.
Gesundheit: Zwischen Masern und Cholera
Zahlreiche Gesundheitseinrichtungen wurden zerstört, Impfkampagnen konnten wegen der Kämpfe nicht stattfinden. Viele Kinder konnten medizinisch nicht versorgt werden und sind durch verschmutztes Wasser in Gefahr, sich mit Cholera und anderen Durchfallerkrankungen anzustecken.
UNICEF hat eine Impfkampagne von über zwei Millionen Kindern gegen Masern unterstützt, nachdem es 2017 einen Masernausbruch mit mindestens 9.000 Infektionen und 40 Todesfällen gab. Mindestens 241 Menschen sind an Cholera gestorben. Um weitere Ansteckung zu verhindern, reparieren und bauen wir Wasserstellen, Latrinen, verteilen Wasserreinigungstabletten und statten Gesundheitszentren mit Medikamenten und medizinischer Ausrüstung aus. Auch hier bleibt noch viel zu tun, damit alle Kinder vor Krankheiten geschützt sind.
Bildung: Zerstörte Schulen, fehlende Lehrer
Wegen der Gewalt konnten fast eine halbe Million Kinder das Schuljahr 2016/ 2017 nicht abschließen. Seit Beginn der Kasai-Krise wurden 416 Schulen angegriffen oder für militärische Zwecke genutzt, rund 100 Schulen wurden zerstört. Auch viele Lehrer sind geflohen, und Mädchen und Jungen trauen sich wegen der unsicheren Lage nicht in die Schule.
Doch wo immer es möglich ist, hat UNICEF in intakten Schulen Ersatzunterricht organisiert und Lernmaterial verteilt. Wir stellen auch Zelte für Notschulen auf, damit der Unterricht schnell weitergehen kann. Denn wir sind überzeugt davon, dass Schule lebenswichtig ist – nicht nur, um für die Zukunft zu lernen, sondern auch um in der unsicheren Gegenwart Halt und einen strukturierten Alltag zu haben.
Kinderschutz: Hilfe für Kindersoldaten und unbegleitete Kinder
Einer der schrecklichsten Aspekte der Kasai-Krise ist der exzessive Missbrauch von Mädchen und Jungen als Kindersoldaten. Tausende von Kindern wurden gezwungen, Gewalt mitanzusehen und selbst zu töten. Jüngere Kinder werden oft als Hilfskräfte zum Tragen oder Kochen eingesetzt. Kinderschutz-Experten schätzen, dass die bewaffneten Milizen in der Kasai-Region zu 60 Prozent aus Minderjährigen bestehen.
UNICEF unterstützt Übergangszentren, in denen ehemalige Kindersoldaten medizinisch und von Sozialarbeitern und Psychologen betreut werden und wieder zur Schule gehen können. Das Ziel ist es, sie langsam wieder an ein normales Leben zu gewöhnen, sie mit ihren Familien zusammenzuführen und wieder in die Gesellschaft zu integrieren. Bisher hat UNICEF mehr als 1.400 Kinder betreut, die bei Milizen waren.
Darüber hinaus wollen wir insgesamt rund 9.000 unbegleitete Kinder mit ihren Familien zusammenführen. Viele Mädchen und Jungen wurden auf der Flucht von ihren Eltern getrennt und brauchen Unterstützung bei der Suche. Aber manche müssen bei der Rückkehr in ihre Heimatorte auch feststellen, dass ihre Eltern getötet wurden oder spurlos verschwunden sind. In diesem Fall suchen die Kinderschutz-Teams nach anderen nahen Verwandten, die sie aufnehmen können.
„Wir können Leben retten, und wir müssen es jetzt tun“
Die Hilfe für Kinder in der Kasai-Krise – und allgemein in der Demokratischen Republik Kongo – gehört zu einem der größten Nothilfe-Einsätze von UNICEF. Zugleich ist es eine Notlage, über die sehr wenig berichtet wird und für die es daher sehr große Finanzierungslücken gibt. Ende Februar waren 87 Prozent des Spenden-Aufrufs von UNICEF noch nicht finanziert. Daher richtet sich jetzt große Hoffnung auf die Geberkonferenz in Genf.
„Wir haben die Expertise, wir haben Mitarbeiter vor Ort und wir wissen, was zu tun ist“, sagt der amtierende Leiter von UNICEF in der Demokratischen Republik Kongo, Gianfranco Rotigliano. „Was wir jetzt dringend brauchen, ist mehr finanzielle Unterstützung, um allen Kindern in Not zu helfen. Viele mangelernährte Kinder können wir jetzt erst behandeln und versorgen, da sie nach monatelanger Vertreibung in ihre Heimatorte zurückkehren. Wir können ihr Leben retten, und wir müssen es jetzt tun.“
Nicht nur in der Kasai-Region, auch in der restlichen Demokratischen Republik Kongo ist UNICEF für die Kinder da. Wenn Sie mithelfen möchten, würden wir uns freuen, wenn Sie diesen Beitrag teilen und damit auf die Situation der Kinder im Kongo aufmerksam machen. Gerne können Sie auch spenden!
Vielen Dank für Ihre Unterstützung.