© UNICEFKenyaKenia: Mädchen mit einem Schulheft.
Kinder weltweit

Der Klimawandel ist eine Bedrohung für Bildung im östlichen und südlichen Afrika

Die Bildungskrise im östlichen und südlichen Afrika verschärft sich durch die Folgen des Klimawandels. Bildung ist folglich oft keine Selbstverständlichkeit mehr für Kinder in der Region. Was bedeutet das für Kinder konkret und wie kann dieser Herausforderung begegnet werden?


von Autor-Lydia Berneburg

Der Wunsch eines Mädchens nach Bildung im Nordosten Kenias

„Eines Tages möchte ich Mädchen wie mich unterrichten.“ An diesen Wunsch, den eine der Schülerinnen in ihrem roten Schulgewand etwas schüchtern und doch voller Hoffnung mit mir vor einiger Zeit teilte, als ich selbst in Wajir, im Nordosten Kenias, vor Ort war, kann ich mich noch gut erinnern.

Sie sagte diesen Satz, während sie und ihre Familie im Nordosten Kenias den Umständen der schlimmsten Dürre am Horn von Afrika seit 40 Jahren ausgesetzt waren. In dieser Situation waren viele Kinder gezwungen, ihren Bildungsweg zu unterbrechen – aus ganz unterschiedlichen Gründen. Aufgrund der prekären ökonomischen Situation sehen Familien sich gezwungen, ihre Kinder arbeiten zu schicken oder ihre Töchter zu verheiraten. Viele Mädchen müssen nun Wasser holen, anstatt zur Schule zu gehen. Andere gehen nicht mehr zur Schule, weil sie mit ihren Familien klimabedingt fliehen müssen.

Einige Monate später frage ich mich, wie es diesem Mädchen wohl heute ergeht. Nach der extremen Dürre ist Kenia ein halbes Jahr später mit den Folgen des Wetterphänomens El Niño konfrontiert. Die Überschwemmungen stellen Bildungssysteme erneut vor Herausforderungen: Infrastruktur wird zerstört, wieder müssen Familien fliehen und oft wird der Bildungsweg von Kindern erneut gestört.

Kenia: Mädchen sitzen in einer Schule.

„Eines Tages möchte ich Mädchen wie mich unterrichten“, wünscht sich eines dieser Mädchen im Dürregebiet im Nordosten Kenias.

© UNICEFKenya

Bildung ist also alles andere als eine Selbstverständlichkeit in Ländern wie Kenia, die von den verschiedenen Folgen des Klimawandels betroffen sind. Dabei ist Bildung gerade in diesen herausfordernden Umständen für dieses Mädchen, und viele andere Kinder, ungemein wichtig, mitunter überlebenswichtig. Bildung schenkt ihnen Hoffnung auf eine Zukunft, ermöglicht Wissen zum Umgang mit dem Klimawandel und macht Kinder resilienter für zukünftige Herausforderungen.

Die Klimakrise ist eine Bildungskrise – das Beispiel östliches und südliches Afrika

Über die Hälfte der von Krisen betroffenen Kinder weltweit lebt in Subsahara-Afrika, also südlich der Sahara. Viele der Länder sind durch ein hohes Maß an politischer, sozialer, wirtschaftlicher, ökologischer und sicherheitspolitischer Fragilität gekennzeichnet – mit oft schwachen Bildungssystemen. Beispielsweise erreichen in Madagaskar nur vier Prozent der Kinder Mindestanforderungen im Lesen. In Äthiopien sind es etwa zehn Prozent. Kinder in konfliktbetroffenen Ländern erwerben grundlegende Lernfähigkeiten sechsmal langsamer als andere Kinder.

Die Bildungssysteme in der Region sind nur schlecht vorbereitet auf die zunehmenden Herausforderungen durch den Klimawandel. Wiederkehrende, verstärkte und vervielfachende klimabedingte Gefahren – wie Dürren, Wirbelstürme oder Überschwemmungen – verschärfen die ohnehin schon großen Herausforderungen von Bildung in der Region. Die Mehrheit der Kinder und Jugendlichen in der Region ist laut des Klima-Risiko-Indexes für Kinder extrem stark oder stark durch Klima- und Umweltrisiken gefährdet. Kinder und Familien werden vertrieben, Bildungseinrichtungen beschädigt oder zerstört und viele weitere Folgeeffekte führen dazu, dass der Lernweg von Kindern unterbrochen oder beendet wird.

Allein in 2023 wurden in Madagaskar 1778 Schulen beschädigt oder völlig zerstört. Auf dem Höhepunkt der klimabedingten Dürre am Horn von Afrika in 2023 brachen insgesamt 2,7 Millionen Kinder in Äthiopien, Kenia und Somalia die Schule ab, und weitere vier Millionen Kinder waren von einem Schulabbruch bedroht.

Madagaskar: Eine durch den Wirbelsturm Freddy beschädigte Schule.

Eine durch den Wirbelsturm Freddy beschädigte Schule im Osten Madagaskars.

© UNICEF/UNI418742/Prinsloo

Es besteht ein signifikanter Zusammenhang zwischen hohen Risiken durch den Klimawandel und schlechten Lernergebnissen: Etwa 83 Prozent der Kinder, die in Notsituationen weltweit nicht zur Schule gehen, und etwa 75 Prozent der Kinder, die zwar zur Schule gehen, aber Lerndefizite aufweisen, leben in Ländern, die hohen Risiken durch den Klimawandel ausgesetzt sind (mit einem Klima-Risiko-Index über dem globalen Medianwert von 26).

Auch zeigen Studien, dass Kinder, die einmal die Schule unterbrechen, einem hohen Risiko ausgesetzt sind, der Schule ganz fernzubleiben. Während der Dürre 2017 in Somalia kehrten beispielsweise etwa 90 Prozent der Kinder, die die Schule abgebrochen hatten, nicht zurück. Und selbst wenn Kinder in der Schule sind, können Klima- und Umweltveränderungen die Qualität des Lernens beeinträchtigen. Beispielsweise hohe Temperaturen, die in vielen Ländern der Region vorzufinden sind, können die Konzentrationsfähigkeit der Kinder einschränken.

Lernunterbrechungen bringen Kinder in Gefahr

Wenn Kinder nicht mehr zur Schule gehen, bedeutet das für viele Kinder auch einen fehlenden Zugang zu wichtigen grundlegenden Leistungen: Beispielsweise erhalten Kinder in vielen Ländern in der Schule ihre oft einzige warme Mahlzeit am Tag, sauberes Wasser oder den einzigen Zugang zur Gesundheitsversorgung. Wenn diese Versorgung wegfällt, kann das schwerwiegende Folgen für die Gesundheit, die Sicherheit und das Wohlbefinden von Kindern haben.

Kenia: Mädchen waschen ihre Hände.

In dieser Grundschule im Nordosten Kenias freuen sich die Schüler*innen über den Zugang zur Wasserversorgung.

© UNICEFKenya

Auch bieten Schulen wichtige Schutzräume für Kinder. Schule bedeutet gerade in Krisenregionen Sicherheit und Normalität für Kinder. Zusätzlich werden in vielen Schulen gezielt Kinderschutzprogramme angeboten, in denen Kinder lernen, mit belastenden Situationen umzugehen. Wenn der Schulbesuch wegfällt, sind Kinder zusätzlichen Gefahren ausgesetzt: In einigen Ländern Subsahara-Afrikas werben bewaffnete Gruppen um Kinder, die nicht mehr zur Schule gehen und versuchen, sie durch Anreize für ihre Zwecke auszunutzen. Wenn Familien durch die Folgen des Klimawandels in die Armut abrutschen, sehen sich Eltern zum Teil gezwungen, ihr Kinder arbeiten zu schicken.

Welchen Risiken sind speziell Mädchen ausgesetzt?

Wenn die derzeitigen Trends anhalten, wird erwartet, dass der Klimawandel entscheidend dazu beiträgt, dass bis 2025 jedes Jahr mindestens 12,5 Millionen Mädchen ihre Schulausbildung nicht abschließen. Mädchen sind neben den beschriebenen Folgen des Klimawandels einer Vielzahl geschlechtsspezifischer Ungleichheiten ausgesetzt.

Familien entscheiden sich oft aufgrund bestehender Normen dazu, die Bildung der Jungen zu priorisieren, wenn nicht allen Kindern der Bildungsweg ermöglicht werden kann. Mädchen werden oft zum Arbeiten gezwungen oder früh verheiratet, weil die Eltern keinen anderen Ausweg wissen. Beispielsweise haben sich in den am stärksten von der Dürre betroffenen Regionen Äthiopiens die Zahlen der Kinderheiraten zwischen 2021 und 2022 mehr als verdoppelt. Diese Entwicklungen führen dazu, dass Mädchen besonders geschlechtsspezifischer Gewalt wie sexueller Gewalt, Ausbeutung und Missbrauch ausgesetzt sind.

Äthiopien: Mädchen werden zunehmend zu Kinderheirat gezwungen.

In der von Dürre heimgesuchten Region Afar im Nordosten Äthiopiens werden Mädchen zunehmend zur Kinderheirat gezwungen.

© UNICEF/UNI398531/Pouget

Wie ist Bildung trotz der Auswirkungen des Klimawandels möglich?

Damit Kinder weiter lernen können, sind sie darauf angewiesen, dass Bildungseinrichtungen und Infrastruktur den Folgen des Klimawandels standhalten. Schulen, die durch Klimafolgen zerstört wurden, müssen wiederaufgebaut werden; Standorte, Architektur und Bausubstanzen müssen so gewählt werden, dass sie widerstandsfähiger gegenüber klimabedingten Schocks wie Fluten oder Erschütterungen sind. Zudem sollte der Bau von Schulen auf nachhaltigen und ökologischen Standards basieren, um auch die Langfristigkeit von Bildungseinrichtungen zu garantieren. Das gilt auch für Infrastruktur wie Wasserversorgung oder Energiegewinnung, die an die klimatischen Bedingungen angepasst sein sollte - wie etwa Solarenergie in Dürregebieten. Ein gutes Beispiel sind die sogenannten Eco-Villages, die UNICEF in Madagaskar umsetzt: Dort werden klimaresiliente und nachhaltige Energiegewinnung und Wasserversorgung auch in Schulen gefördert.

Madagaskar: Schülerin holt sich Wasser am Brunnen.

Eine Schülerin, deren Schule von der Wasserversorgung eines sogenannten Eco-Villages im Süden Madagaskars profitiert.

© UNICEF/UNI447644/

Neben den Aspekten, die die Funktionalität von Gebäuden und Infrastruktur betreffen, braucht es weitere Maßnahmen, um die Kontinuität des Lernens zu ermöglichen. In vielen Regionen sind Kampagnen nötig, um Familien dafür zu sensibilisieren, wie wichtig Bildung auch in Zeiten schwieriger Lebensverhältnisse ist. Familien, die die nötigen Ressourcen nicht aufbringen können, die für einen Schulbesuch gebraucht werden, müssen beispielsweise durch die Bereitstellung von Schulmaterialien oder Bargeldhilfen unterstützt werden. Auch braucht es zum Teil finanzielle Anreize für Lehrkräfte, damit der Unterricht auch in entlegenen Gegenden fortgesetzt werden kann.

Wenn Kinder keine Schule besuchen können, weil Schulgebäude zerstört sind oder Familien fliehen müssen, sind temporäre oder alternative Lernprogramme nötig. In Somalia ermöglicht UNICEF unter anderem temporäre Lernprogramme für geflüchtete Kinder. Was diese Lernmöglichkeit für Adan, einem der Schüler bedeutet, sagt er so: „Für mich ist die Schule hier viel mehr als nur Lernen. Ich fühle mich beschützt und umsorgt und habe ein Gefühl von Stabilität und Routine bekommen. Jeden Tag aufzuwachen, in die Schule zu gehen und Neues zu lernen, macht mich glücklich.“

Somalia: Adan (Mitte) musste aus seiner Heimat fliehen.

Adan (in der Mitte, 11 Jahre alt) ist eines von Tausenden von Kindern in den Camps für Binnenvertriebene in Baidoa in Somalia, die aus ihrer Heimat fliehen mussten.

© UNICEF/UNI418051/Mumin

Eine wichtige Rolle, um Bildung zu ermöglichen, spielt auch das Fortbestehen zentraler grundlegender Leistungen über den Schulbesuch. Die sichere Mahlzeit am Tag, der Zugang zu Kinderschutzprogrammen oder eine Gesundheitsversorgung motivieren Kinder zur Schule zu gehen, und bieten Eltern Anreize, den Schulbesuch ihrer Kinder zu ermöglichen.

Um Bildungssysteme langfristig und nachhaltig für die Folgen des Klimawandels zu wappnen, ist es zentral, dass politische Rahmenbedingungen und Strukturen in einem Land die bestehenden und zukünftigen Folgen des Klimawandels im Bildungsbereich berücksichtigen und adressieren. Es braucht ausreichend Informationen über klimatische Entwicklungen, Reaktionspläne, geschultes Personal und politische Entscheidungen, damit Bildungssysteme reaktionsfähig sind und den Herausforderungen des Klimawandels begegnet werden kann. UNICEF arbeitet mit den jeweiligen Regierungen zusammen, um die Bildungssysteme klimaresilient aufzustellen.

Kinder selbst auf den Umgang mit dem Klimawandel vorbereiten

Ein Potential, das wir als Gesellschaften nicht verpassen dürfen, ist, Kinder selbst mit dem Wissen und den Kompetenzen auszustatten, um dem Klimawandel zu begegnen. So können Kinder darauf vorbereitet werden, wie sie mit den Auswirkungen des Klimawandels umgehen, aber auch, wie sie selbst mitwirken können, das Fortschreiten des Klimawandels aufzuhalten.

Hierzu ist es zum einen essentiell, dass Klimabildung auf jedem Lehrplan steht, um sicherzustellen, dass alle Kinder dieses Wissen erlangen können. Zudem sind außerschulische Programme, beispielsweise in den Gemeinden der Kinder, wichtig, um das Wissen ganz praktisch umzusetzen. Das kann auch neue Chancen für Jugendliche auf dem Arbeitsmarkt bieten.

Ein Beispiel, in dem der Schulbesuch mit dem Vermitteln von Klimabildung und Umweltthemen verbunden ist, sind die sogenannten “Living Schools“ in Malawi. Hier werden unter anderem gemeinsam Gemüsegärten und Obstbäume angelegt und Kinder erhalten so grundlegende grüne Kompetenzen, um sich nachhaltig und ressourcenschonend zu versorgen.

Malawi: Living Schools.

In den sogenannten „Living Schools“ in Malawi werden Schüler*innen wichtige Kompetenzen zum Umgang mit dem Klimawandel vermittelt.

© UNICEF/UNI504241/PLUS CREATIONS

Die Chance auf Bildung darf nicht verpasst werden – auch nicht in Zeiten des Klimawandels

Das Mädchen in der Dürre-Region im Nordosten Kenias, die davon träumt, selbst Lehrerin zu werden, steht stellvertretend für die junge Generation, die den Großteil der Bevölkerung Subsahara-Afrikas ausmacht: 70 % der Population in Subsahara-Afrika sind unter 30 Jahre alt. Viele dieser jungen Menschen haben Träume wie dieses Mädchen – und um diese Träume zu verwirklichen, ist eine Schulbildung die Voraussetzung.

Bildung zu fördern, geht auch mit langfristigen positiven Folgen für Gesellschaften einher. Nur wenn Bildung ermöglicht wird, können Armut und Ungleichheiten reduziert und gesellschaftliche Teilhabe, Stabilität, sozialer Zusammenhalt und resiliente Gesellschaften ermöglicht werden.

In Zeiten, in denen Kinder mit den Folgen des Klimawandels konfrontiert sind und sich diese Folgen zukünftig verschärfen, müssen Bildungssysteme deshalb dringend auf den Klimawandel vorbereitet sein – damit sie Kindern zuverlässig zur Verfügung stehen.

Kenia: Eine Schulklasse im Dürregebiet.

Eine Schulklasse, die die Autorin des Blogbeitrags und Kolleg*innen im Dürregebiet im Nordosten Kenias besuchten.

© UNICEFKenya/LucasOdhiambo
Lydia-Berneburg
Autor*in Lydia Berneburg

Lydia Berneburg arbeitet zu kinderrechtlichen Themen in der politischen Arbeit von UNICEF.