„Große Angst vor dem Krieg“ – Kinder in Idlib erzählen
Wie geht es weiter im syrischen Idlib? Hinter den Kindern in Syrien liegen Kriegsjahre voller Gewalt und mehrfacher Vertreibung, vor ihnen liegen eine ungewisse Zukunft und Angst vor neuen Kämpfen.
Nach einer Einigung zwischen Russland und der Türkei ist der befürchtete Großangriff auf Idlib zunächst abgewendet worden, die Kämpfe sind zurückgegangen und Schulen haben wieder geöffnet. Aber noch ist unklar, ob die relative Ruhe hält.
Rund eine Million Kinder halten sich in der Region auf, viele von ihnen stammen aus anderen Teilen Syriens und sind bereits mehrfach geflüchtet. Unsere Kollegen von UNICEF Syrien haben Schulkinder im südlichen Idlib gefragt, was sie erlebt haben und was sie tun werden, falls wieder Kämpfe ausbrechen. Hier sind ihre Antworten.
Abdullah (8): Angst vor Kriegslärm
Abdullah, acht Jahre: „Ich komme aus Aleppo. Vor ein paar Jahren, als die Kämpfe in unsere Stadt kamen, sind wir nach Rakka geflohen. Dann kamen die Kämpfe nach Rakka und wir sind nach Idlib geflohen. In Idlib sind wir viele Male umgezogen, bis wir uns hier im südlichen Idlib vor acht Monaten niedergelassen haben. Wir, das sind meine Eltern, meine Schwester, drei Brüder und ich.
Ich habe große Angst vor den Kriegsgeräuschen. Wenn ich Explosionen höre, laufe ich weg und verstecke mich. Früher bin ich immer zum Haus eines Nachbarn gelaufen, weil er einen Keller zum Verstecken hatte. Die meisten Kämpfe habe ich in Rakka gesehen. Ich würde gerne wieder nach Aleppo zurückgehen. Aleppo ist meine Heimatstadt und es war viel schöner als hier. Aber die Schule hier gefällt mir.“
Sukaina, neun Jahre: „Ich komme aus Hama. Wir haben unser Zuhause bei Beginn der Krise verlassen. Wir sind wegen der Kämpfe weggegangen und sind viele Male umgezogen, bevor wir ins südliche Idlib gekommen sind. Ich kann mich an meine Heimatstadt nicht mehr erinnern.“
Rahaf, neun Jahre: „Ich komme aus Rural Hama. Wir sind hierher gekommen, als die Kämpfe unsere Stadt erreicht hatten. Ich mag es hier, hier gibt es keinen Krieg. Wir sind jetzt seit vier Jahren hier. Wenn die Kämpfe hier anfangen, werden wir nicht noch mal weggehen.“
Syrien: Das Zuhause nur noch Trümmer
Maryam, sieben Jahre: „Ich gehe in die zweite Klasse. Ich komme hier aus dem südlichen Idlib. Ich mag meine Schule, weil ich Freunde aus ganz Syrien habe, die hier zur Schule gehen. Ich lebe mit meinen Eltern und zwei Brüdern zusammen. Mein Vater ist Eisverkäufer. Ich weiß nicht, was wir tun werden, wenn hier Kämpfe ausbrechen. Manchmal sagen meine Eltern, dass wir dann vielleicht in die Türkei fliehen müssen.“
Majid, elf Jahre: „Ich komme aus Rural Hama und bin jetzt in der sechsten Klasse. Wir mussten vor dreieinhalb Jahren aus unserem Dorf fliehen, wegen all der Kämpfe. Wir sind erst in ein anderes Dorf in der Nähe geflohen, um das Ende der Kämpfe abzuwarten. Aber als wir nach Hause zurückgekehrt sind, gab es dort nichts mehr außer Trümmern. Daher sind wir nach Idlib gekommen. Ich vermisse unser Dorf in Hama. Ich habe keine Ahnung, was wir tun werden, wenn auch hier gekämpft wird. Wahrscheinlich wird mein Vater mit uns wieder irgendwohin fliehen, wo es sicherer ist.“
Ulfat, neun Jahre: „Ich bin in der zweiten Klasse, obwohl ich eigentlich in die vierte gehen müsste. Als wir aus Hama fliehen mussten, bin ich von der Schule abgegangen. In den letzten beiden Jahren sind wir immer von einem Ort zum anderen gezogen. Ich habe keine Angst mehr vor den Kämpfen.“
Ridda, zwölf Jahre: „Ich komme aus Kafr Batna in Ost-Ghouta. Vor rund sechs Monaten mussten wir aus Ost-Ghouta fliehen und in den Norden Syriens gehen. Vor vier Monaten sind wir ins südliche Idlib gekommen. Wir wurden mit Bussen nach Nord-Syrien gebracht, von dort haben wir uns selbst nach Idlib durchgeschlagen. Ich bin mit meinen Eltern und meiner siebenjährigen Schwester geflohen. Sie wurde in Ost-Ghouta verletzt – ein Granatsplitter hat ihren Hals getroffen. Ich habe große Angst vor dem Krieg und den Kämpfen. Ich weiß nicht, was wir tun werden, wenn auch hier gekämpft wird.“
Ein Lehrer sagt: „Die Eltern der Kinder sind sehr besorgt über eine mögliche Eskalation der Gewalt. Sie haben Angst, dass die Schulen angegriffen werden könnten und viele Kinder sterben oder verletzt werden könnten. Aus unserer bisherigen Erfahrung sorgen wir dafür, dass die großen Schultore immer geöffnet bleiben, damit wir die Schule im Notfall schnell evakuieren können. Für solche Fälle müssen wir vorbereitet sein und beten, dass nichts Schreckliches passieren wird.“
Zwei Millionen Kinder gehen nicht zur Schule
Im September hat in Syrien das neue Schuljahr für vier Millionen Mädchen und Jungen begonnen – rund zwei Millionen Kinder gehen allerdings nicht zur Schule. Viele Schulgebäude wurden zerstört, als Notunterkünfte zweckentfremdet oder müssen dringend repariert werden, Tausende Lehrerstellen konnten nicht besetzt werden.
UNICEF hat seit Beginn des Jahres – auch dank Unterstützung aus Deutschland – unter anderem 122 Schulen in ganz Syrien instandgesetzt und 141 Schulcontainer aufgestellt. Über eine Million Kinder haben Material wie Schultaschen, Bücher, Hefte und Spielsachen für die Pause erhalten.
Nach Idlib haben UNICEF-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter nur sehr eingeschränkt direkten Zugang. UNICEF arbeitet mit lokalen Partner-Organisationen in Idlib, West-Aleppo und Nord-Hama zusammen, um Hilfe für Familien in Idlib zu organisieren, vor allem in den Bereichen Trinkwasser, Hygiene, Gesundheit, Kinderschutz und Bildung.
Für die Hilfe für syrische Kinder werden dringend weiterhin Spenden benötigt.
Ich möchte helfen
Auch die Kollegen von UNICEF Jemen haben mit Kindern über den Krieg gesprochen. Sie haben ihnen eine konkrete Frage gestellt: "Was bedeutet Frieden für dich?" Hier können Sie lesen und im Video sehen und hören, was die Kinder geantwortet haben.