Hunger in Afrika: Rahama (14) will selbst der Wandel sein
Als die Situation zu Hause wegen der Dürre immer schwieriger wurde, ließen Rahama (14) und ihre Familie zuerst das Frühstück weg.
Dann blieb ihnen nichts anderes übrig, als auch das Abendessen ausfallen zu lassen. Eine Mahlzeit gab es nur noch einmal am Tag, denn in Kenia herrscht wie in anderen Ländern Afrikas auch eine Hungerkrise. „Wir sind immer hungrig ins Bett gegangen. Am nächsten Morgen bin ich mit leerem Magen wieder aufgewacht“, sagt das Mädchen.
Das Zuhause von Rahama ist der Ort Ileret ganz im Norden von Kenia, nah an der äthiopischen Grenze. Jetzt, zu Beginn des neuen Trimesters, ist Rahama nach drei Wochen Schulferien zurück an ihrem Internat in North Horr, fast 300 Kilometer entfernt. Hier bekommt sie drei Mahlzeiten am Tag und muss nicht hungern. Allerdings ist das nicht der Hauptgrund, weshalb sie so weit reist und fern der Heimat lebt: Rahama hat ein Ziel, und sie ist entschlossen, es zu erreichen – was auch immer dafür nötig ist.
„Viele unserer Schülerinnen, die während der Ferien zu Hause waren, kommen deutlich geschwächt zurück, weil sie drei Wochen lang kaum etwas zu essen bekommen haben”, sagt Kimanzi Godana (40), Leiter der Helmer Girl’s School in North Horr. „Hier in der Schule geht es ihnen besser.“
Aber die Dürre hat nicht nur Auswirkungen auf die körperliche Gesundheit, sondern auch auf die Psyche der Kinder – und nicht zuletzt auf ihre Bildung. „Die Mädchen leiden auch unter den psychologischen Folgen der Dürre. Sie machen sich große Sorgen um ihre Familien, die sie in dieser schwierigen Situation zurücklassen mussten, und haben häufig Probleme, sich zu konzentrieren.“
„Operation Kommt zur Schule”
Internate sind oft die einzige Möglichkeit, wie Nomadenkinder aus entlegenen Dörfern, vor allem Mädchen, zur Schule gehen können. UNICEF unterstützt Rahamas Schule im Rahmen des Programms „Operation Kommt zur Schule“: Kinder, die bisher keine Chance dazu hatten, sollen Zugang zu Bildung bekommen.
In Rahamas Schule hat UNICEF den Bau von Latrinen, Waschräumen und die Einrichtung eines Solarstrom-Systems unterstützt, die Schlafräume mit Matratzen und Decken ausgestattet sowie Bücher, Hefte und Schuluniformen zur Verfügung gestellt.
Rahama versucht, nicht allzu oft daran zu denken, wie es mit ihrer Familie im schlimmsten Fall weitergehen könnte. Aber natürlich macht auch sie sich große Sorgen.
Sie ist das jüngste von sechs Kindern und ist, wie die meisten Menschen hier im Norden Kenias, Teil einer Gemeinschaft von Nomaden. Und wie die meisten Menschen hier hat auch ihre Familie einen Großteil ihres Viehs infolge der schweren Dürre verloren. Die wenigen restlichen Ziegen sind zu schwach, um zum Markt gebracht zu werden. Ohnehin würden sie für die halb verhungerten Tiere nur wenig Geld bekommen, während gleichzeitig die Lebensmittelpreise in die Höhe geschnellt sind.
„Ohne Schule gibt es gar nichts!“
Die Situation zu Hause in Ileret ist extrem schwierig, erzählt Rahama. „Es gibt zu wenig zu essen, es gibt zu wenig Wasser, keine Schulen und keine Krankenhäuser. Wenn jemand krank wird, kann er nicht behandelt werden.“ Die schlechte Gesundheitsversorgung macht Rahama wütend, mehr noch sogar als der Mangel an Nahrung und Trinkwasser. Wir finden bald einen möglichen Grund dafür heraus. Sie hat nur eine Mutter und keinen Vater, erzählt uns Rahama. Vor einigen Jahren wurde ihr Vater sehr krank, doch er konnte nicht behandelt werden. Er starb.
Vielleicht ist diese traurige Erfahrung der Grund, weshalb Rahama so fest entschlossen ist, etwas Sinnvolles aus ihrem Leben zu machen. „Wo ich lebe, sind viele Mädchen in meinem Alter schon verheiratet, manche sogar noch jünger“, sagt Rahama. Die Jugendlichen haben oft keine große Wahl: Die Jungen kümmern sich um das Vieh die Mädchen heiraten jung und sind mit Arbeiten im Haushalt beschäftigt und viel zu früh auch mit den Aufgaben einer Mutter. Aber diese 14-Jährige als Ileret hat definitiv etwas anderes vor.
“Ich möchte weiter zur Schule gehen. Ich möchte eine gute Ausbildung machen und dann Ärztin werden. Ohne Schule gibt es gar nichts! Wenn ich die Schule verlasse und nach Hause zu meiner Familie gehe, ist das schlimm. Denn dann wird einfach alles so bleiben, wie es ist, und nichts wird sich ändern. Wir werden einfach immer in der selben schwierigen Situation bleiben. Ich möchte immer weiter und weiter lernen, und dann nach Hause kommen und meiner Familie und meiner Gemeinschaft helfen können.“
Wahrscheinlich kennt Rahama das berühmte Zitat von Mahatma Gandhi nicht, aber für mich gibt es niemanden, der es besser verkörpert als dieses starke Mädchen:
Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt.