Sierra Leone: die Bedrohung durch Ebola wächst
UNICEF-Mitarbeiterin Rosmarie berichtet über das Ebola-Virus
"Ebola ist omnipräsent für mich, für uns alle. Wie ein unsichtbarer Gegner, auf den man ständig eingestellt sein muss. Derzeit haben wir in Sierra Leone 1816 Ebola-Fälle und die Zahl steigt jeden Tag weiter an. Im Büro, im Radio, im Supermarkt, beim Mittagessen – überall wird über Ebola geredet. Noch mehr begleiten einen die eigenen Gedanken: Was habe ich angefasst? Sollte ich mir die Hände nochmal waschen? Ist der Türgriff sauber?
Die Auswirkungen auf das alltägliche Leben der Menschen sind unterschiedlich – viele wohlhabende Sierra Leoner haben das Land verlassen, um sich und ihre Familien zu schützen, andere richten sich auf finanziell harte Zeiten ein.
Die Kinder sind besonders verletzlich
Für die Kinder ist es am schwersten, vor allem wenn sie selbst infiziert sind und um ihr Leben kämpfen oder ihre Familien verlieren. Ich sehe sie jeden Tag zwischen Ärzten und Pflegepersonal in weißen Schutzanzügen, isoliert vom Rest der Familie und frage mich, welche tiefen Ängste und Nöte sie wohl durchleiden. Viele Mädchen und Jungen sterben.
Angst, Erleichterung, Hoffnung und Trauer, Leben und Tod sind oft ganz nah beieinander in dieser Zeit hier. Wir alle durchleben ein Gefühlschaos. Die kleine Issata erkrankte zum Beispiel an Ebola und überlebte. Diese Nachricht wurde in der Bevölkerung wie ein Wunder aufgenommen. Als Roland Monasch, unser UNICEF Repräsentant in Sierra Leone die Kleine besuchte, haben wir erfahren, dass sie ihre Eltern an die Krankheit verloren hat. Sie wird jetzt von der Krankenschwester, die sie gepflegt hat, adoptiert. Ein Beispiel dafür, dass die derzeitige Lebenssituation in Sierra Leone ein Wechselbad an essentiellen Gefühlen ist.
Ein Alltag aus Tod und Angst, der alles verändert
Viele Kinder verlieren Familienmitglieder, manche werden zu Waisen. Schulkinder können nicht mehr zur Schule gehen, weil die Schulen aufgrund der Krankheit geschlossen bleiben. Sierra Leone hat schon seit langem die höchsten Kinder- und Müttersterblichkeitsraten der Welt. Durch die komplette Überlastung der Gesundheitseinrichtungen wächst das Risiko besonders für Kinder und Schwangere weiter an.
„Wir brauchen mehr Unterstützung im Kampf gegen Ebola“
Die Situation ist sehr schwerwiegend, denn wir brauchen viel mehr Unterstützung und tatkräftige Hilfe. Es lässt sich momentan glücklicherweise beobachten, dass die Krise mehr und mehr ins Bewusstsein der Weltbevölkerung rückt und gleichzeitig auch mehr Hilfe mobilisiert wird. Beispielsweise hat England diese Woche das britische Militär nach Sierra Leone entsandt, damit weitere medizinische Notfalleinrichtungen aufgebaut werden können.
UNICEF hat mit Spenden der Weltbank diesen Monat bereits das zweite Frachtflugzeug einfliegen lassen, um dringend benötigte Notfallversorgung ins Land zu bringen.
Spenden sind notwendig, um zum Beispiel die Schutzausrüstung der Ärzte, die ständig erneuert werden muss, zu finanzieren oder um Waisenkindern Unterkunft und Fürsorge zu ermöglichen.
Was Ebola so gefährlich macht, wie kaum eine andere Krankheit derzeit
Ebola überträgt sich rasend schnell. Ein wesentlicher Faktor, der zur Ausbreitung der Krankheit beiträgt ist, dass viele Leute in Sierra Leone nicht ausreichend über die Krankheit Bescheid wissen. Da müssen wir ansetzen. Das Ziel der Haus-zu-Haus Kampagne von UNICEF war, jeden Haushalt in Sierra Leone angemessen über die Krankheit zu informieren. Aufklärungsteams von insgesamt 28544 Freiwilligen sind von Haus zu Haus gegangen. Wir haben diese Kampagne finanziell und technisch unterstützt und Bildungs- und Informationsmaterial bereitgestellt.
Ein weiterer Grund, der die Eindämmung der Krankheit schwierig gestaltet, liegt auf der sozio-kulturellen Ebene. Viele Leute in Sierra Leone, aber auch in den anderen betroffenen Ländern, haben lange nicht geglaubt, dass die Krankheit wirklich existiert. Andere versuchen sie durch traditionelle Heilverfahren und auf mystischem Wege zu bekämpfen, was die Ansteckungsgefahr erhöht. Viele Infizierte hatten Angst ins Krankenhaus zu gehen, aus Sorge dort zu sterben oder von ihren Nachbarn anschließend stigmatisiert zu werden. Dies zeigt warum die 3-Tage Haus-zu-Haus Kampagne so wichtig war.
Hinzu kommt, dass Sierra Leone ein Post-Konflikt Land ist, in dem das Vertrauen der Bevölkerung in staatliche Einrichtungen durch lange Kriegsjahre beeinträchtigt ist. Zudem ist die Infrastruktur, einschließlich der medizinischen auch in Normalzeiten sehr schwach. Daher kann Sierra Leone die Epidemie nicht alleine bewältigen.
Jetzt handeln! UNICEF kämpft an der Seite der Kinder gegen das Virus
UNICEF arbeitet mit der Regierung und anderen Partnern gezielt darauf hin, durch gute Kommunikations- und Aufklärungsarbeit die weitere Ausbreitung der Krankheit einzudämmen. Wir müssen besonders Kinder und Mütter schützen, vermeidbare Todesfälle verhindern und sicherstellen, dass die Rechte von Kindern geschützt werden, indem der Zugang zur Gesundheitsversorgung, zu Nahrungsmitteln und zu Bildung ermöglicht wird.
UNICEF gehört zu den größten Lieferanten an Ebola-Notfalllieferungen. Anfang Oktober werden wir 1300 Tonnen an Notlieferungen durch 55 Sonderflüge nach Westafrika transportiert haben. Gleichzeitig werden 50,000 Pakete an Schutz- und Hygieneausstattungen für Haushalte nach Westafrika gebracht, wie z.B. Handschuhe, Seife. Außerdem senden wir unser eigenes Personal in die Krisenländer, um aktiv vor Ort Hilfe zu leisten. Das bringt auch mulmige Gefühle mit sich. Ich weiß, dass ich mich in einem Land mit einer extrem gefährlichen Krankheit befinde, die innerhalb weniger Tage zum Tode führen kann.
Der Gedanke, dass eigene Bekannte und Freunde, ja, dass jeder betroffen sein könnte ist grausam. Besonders nachts, wenn Ruhe einkehrt, beschäftige ich mich oft damit. Auf dramatische Weise werden wir jeden Tag Zeugen, wie Menschen aufgrund dieser Krankheit sterben – Leben und Tod rücken sehr nah zusammen und die Zerbrechlichkeit des Lebens wird einem vor Augen geführt. Doch wir müssen jetzt handeln und dafür brauchen wir mehr Hilfe."
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