Kinder-Porträts aus Syrien: 12 Gesichter, 12 Schicksale
Mein Name ist Muhammed Muheisen. Ich bin Fotograf. Seit einem Jahrzehnt reise ich durch Länder auf der ganzen Welt, um das tägliche Leben und die Herausforderungen syrischer Flüchtlinge zu dokumentieren.
10 Jahre Krieg in Syrien - und kein Ende in Sicht
Mit diesen bislang unveröffentlichten Porträts möchte ich den Kindern ein Gesicht geben. Sie sind Teil meiner Fotoreportage "Voices", die ich zum zehnten Kriegsjahr Syriens zusammengestellt habe.
Für mich ist ein Bild nie nur ein Bild – es ist mehr. Es ist eine Geschichte, ein Zeugnis und eine Botschaft aus einem Teil der Welt an den anderen Teil der Welt. Durch meine Fotos werden diese Stimmen gehört und sichtbar.
2012 und 2013 fotografierte ich in Syrien, danach immer wieder in Flüchtlingslagern in Jordanien. 2015 stand ich mit meiner Kamera an den Ufern der griechischen Insel Lesbos.
Ich reiste mit den Geflüchteten über die Balkanroute und dokumentierte, wie sie in Ländern Nordeuropas versuchten ein neues Zuhause zu finden.
Ich sage immer: "In jedem Bild steckt eine Seele". Die Bilder zeigen Menschen, die gezwungen waren, alles hinter sich zu lassen auf der Suche nach einem neuen, sicheren Zuhause.
Niemand verlässt gerne seine Heimat, sein Zuhause, den Ort seiner Kindheit – es sei denn, er hat keine andere Wahl. Das versuche ich in meinen Bildern zu erzählen.
"Ich habe die Hoffnung durch ihre Augen gesehen und Hoffnung ist alles, was sie haben."
Zahra ist eines dieser Kinder, die mir besonders ans Herz gewachsen sind. Sie ist Teil meines Lebens, so wie ich ein Teil ihres Lebens bin. Ich traf Zahra Mahmoud zum ersten Mal im Jahr 2015, kurz nachdem sie und ihre Familie vor dem Krieg in Syrien geflohen waren und in einer Zeltsiedlung im benachbarten Jordanien Schutz gesucht hatten.
Sie war traurig, still und die Narben des Krieges waren überall in ihrem Gesicht zu sehen. Ich wollte unbedingt ihre Geschichte mit der Welt teilen und es wurde zu meiner Mission, diese Geschichte am Leben zu erhalten.
"Hoffnung ist alles, was wir haben. Wir sollten nie aufhören zu hoffen."
Seitdem habe ich Zahra und ihre Familie mindestens einmal im Jahr besucht und über die Jahre habe ich Zahra vor meinen Augen und vor meiner Kameralinse wachsen sehen. Im Februar 2020 habe ich Zahra und ihre Familie das letzte Mal persönlich gesehen. In einem Videoanruf im April war Zahra so glücklich, mit mir zu sprechen, dass sie mir durch den Bildschirm eine Blume anbot und wir versprachen, uns bald wieder zu treffen.
Indem ich Kinder porträtiere, sind sie nicht mehr nur "der syrische Flüchtlingsjunge oder das syrische Flüchtlingsmädchen", sondern sie stehen mit ihrem Namen und ihren Träumen für eines von unzähligen Schicksalen.
In dem vergangenen Jahrzehnt habe ich viel von jungen Menschen gelernt, die direkt von den Konflikten betroffen sind. Sie haben mich gelehrt, mich glücklich und gesegnet zu fühlen. Zu schätzen, dass ich sicher und gesund bin.
Die Menschen, die ich fotografiere, haben Namen, Träume, Erinnerungen und Hoffnungen, und ich gebe mein Bestes, um ihre Geschichten der Welt zu erzählen.
Ich gehe nicht einfach vorbei und mache ein Foto. Ich verbringe Zeit mit ihnen und ich hoffe so einen Unterschied zu machen, ob dieser groß oder klein ist – zumindest fangen wir irgendwo an. Das ist eine riesige Aufgabe. Es sind keine hundert Meter, es ist ein Marathon.
Ich konzentriere mich hauptsächlich auf Kinder, weil ich glaube, dass Kinder die wahren, oftmals verborgenen Leidtragenden von Konflikten sind.
Kinder auf der ganzen Welt haben eines gemeinsam: Sie suchen Spaß, sie suchen Freude, sie suchen Glück. Egal woher sie kommen und unter welchen Umständen sie aufwachsen und leben.
Muhammed Muheisen dokumentiert seit 2001 große Krisen und Konflikte in Asien, Europa, dem Nahen Osten, Afrika und den USA. Seit über einem Jahrzehnt fotografiert er die Flüchtlingskrise in verschiedenen Teilen der Welt. 2017 gewann er den Fotowettbewerb von UNICEF Deutschland.