Von Milch und Lebertran zu integrierter Nothilfe- und Entwicklungsarbeit
Zusammenfassung des Beitrags von Christian Salazar-Volkmann, Stellvertretender Programmdirektor, UNICEF New York
Kinder vor den Auswirkungen des Krieges zu schützen war der Gründungsgedanke von UNICEF im Jahr 1946 – und ist bis heute eine zentrale Aufgabe des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen.
Diese Arbeit steht bis heute im Spannungsfeld zwischen der Notwendigkeit, den Zugang zu den betroffenen Kindern aufrecht zu erhalten, sich aber zugleich aktiv für den Schutz der Kinder durch die Konfliktparteien zu engagieren und Kinderrechtsverletzungen nicht stillschweigend hinzunehmen.
In seinen »Core Commitments for Children in Humanitarian Action« hat UNICEF 2004 seine bis heute gültigen Verpflichtungen für Kinder im Krieg zusammengefasst:
- Dazu gehören lebensrettende medizinische Maßnahmen für Schwangere, Neugeborene und Kinder; Nahrungsmittel für Kinder, Schwangere und Stillende; Zugang zu sauberem Wasser und sanitären Einrichtungen und fortlaufende Bereitstellung von Medikamenten für HIV-positive Frauen und Kinder.
- Darüber hinaus verpflichtet sich UNICEF, Kindern auch in Notsituationen weiter den Schulbesuch zu ermöglichen. Hinzu kommen die Suche nach Familienangehörigen, Hilfe für Opfer sexueller Gewalt, Minenaufklärung, Überwachung von Kinderrechtsverletzungen, psychosoziale Unterstützung und weitere Schutzmaßnahmen.
- Bildung und Kinderschutz haben in der humanitären Hilfe in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen, parallel zu den klassischen, »lebensrettenden« humanitären Aufgaben. Bildung vermittelt Kindern auch in schwersten Krisen ein Gefühl von Normalität – und kann verhindern, dass die Zukunft ganzer Generationen aufs Spiel gesetzt wird.
Es ist allerdings nicht leicht, Spender und Geldgeber der humanitären Hilfe von der Wichtigkeit von Bildung in Konfliktsituationen zu überzeugen. Die finanziellen Mittel für Bildung bleiben mit einem Anteil von weniger als zwei Prozent an der gesamten humanitären Hilfe weiter äußerst gering. Aus diesem Grund bemüht sich UNICEF auf jede nur erdenkliche Weise darum, dass die finanziellen Mittel für Bildung in Notsituationen aufgestockt werden. So fordert UNICEF allein in Syrien und den Nachbarländern Investitionen von einer Milliarde Dollar für Bildung, Kinderschutz und Friedensförderung – als Teil der internationalen Initiative »No Lost Generation«.
Ähnlich wie Bildung hat auch der Schutz von Kindern in der UNICEF-Nothilfe bei Konflikten und Katastrophen über die Jahre deutlich an Gewicht gewonnen. Ein Beispiel dafür ist die psychosoziale Betreuung von kriegstraumatisierten Kindern. Diese »psychosozialen Dienste« werden in sogenannten »kinderfreundlichen Orten« bereitgestellt. Hier finden Kinder in Not – oft in Zelten oder auf eigens dafür eingerichteten Plätzen – einen geschützten Ort zum Spielen, zum Erholen und Lernen.
Jedes Jahr erhalten so rund 2,5 Millionen Kinder mit Hilfe von UNICEF Unterstützung. Die UNICEF-Nothilfe beinhaltet bereits in 41 Ländern umfassende Programme zur psychosozialen Hilfe für Kinder und ihre Eltern oder Betreuer – unter anderem im Irak, Jordanien, Libanon, den Philippinen, Palästina (mit Schwerpunkt Gaza), Südsudan, Syrien und der Zentralafrikanischen Republik.
Sehr wichtig für die UNICEF-Arbeit ist auch der so genannte MRM-Mechanismus (MRM = Monitoring and Reporting Mechanism) der Vereinten Nationen zur Überwachung von Kinderrechtsverletzungen in bewaffneten Konflikten. Der UN-Generalsekretär stellt die dabei erhobenen Informationen jedes Jahr in einem öffentlichen Bericht dem Sicherheitsrat vor. Gesundheit, Bildung und Schutz der Kinder auch unter den schwierigsten Einsatzbedingungen zu gewährleisten – das wird in den kommenden Jahren für UNICEF und seine Partner eine der größten Herausforderungen sein.