"Wasser wirkt": Eva Padberg in Kambodscha
Tag 2: Zu Besuch an zwei Grundschulen
Der zweite Tag beginnt sehr früh. Drei Stunden Autofahrt im abenteuerlichen kambodschanischen Straßenverkehr stehen uns bevor.
Schließlich kommen wir an der Kau Kul Grundschule im Kampong Siem District an. Hier werden wir von der Leiterin der Grundschule, Sum Sihan, begrüßt. 103 Schüler werden hier von acht Lehrern unterrichtet. Vor einem Jahr haben Mönche das Land gekauft und für den Schulbau zur Verfügung gestellt. UNICEF hat in zwei Blöcken sechs Latrinen gebaut, für Jungen und Mädchen getrennt. Die Latrinenblöcke verfügen sogar über eine Rollstuhlrampe.
Arsen – schleichendes Gift im Wasser
Arsen ist ein großes Problem für die Menschen in Kambodscha. Rund 100.000 Haushalte sind davon betroffen. Das Gift, welches natürlich im Boden vorkommt, gerät ins Trinkwasser und kann Durchfallerkrankungen, Hautausschläge und bei langfristiger Vergiftung auch Krebs auslösen. Es ist eine schleichende Vergiftung. Man schmeckt oder riecht es nicht und auch ein Wasserfilter, wie ihn einige Haushalte und Schulen hier benutzen, oder Abkochen des Wassers kommen gegen das Arsen im Wasser nicht an.
Da das Brunnenwasser der Schule stark arsenhaltig ist, nutzt man es nur zum Gießen, Händewaschen und für die Latrinen. Arsenverseuchte Brunnen werden in Kambodscha mit roter, sichere Brunnen mit grüner Farbe gekennzeichnet. Daran orientieren sich auch die Kinder. Das Wasser wird regelmäßig auf Arsen getestet. Die Schule bekommt demnächst einen Regenwassertank von UNICEF. Das dort aufgefangene Wasser wird dann als Trinkwasser genutzt, damit die Kinder nichts mehr von zu Hause mitbringen müssen.
Zu Hause bei Vichera und Lisa
Nach der Schule besuche ich zwei Schülerinnen in ihrem Haus. Die Mädchen Vichera und Lisa, neun und elf Jahre alt, leben bei ihren Großeltern, dem 62-jährigen Koeur Streng und der 59-jährigen Lay Bunchengdem, in einem einfachen Holzhaus.
Ihre Eltern leben mit dem jüngsten Kind in der Stadt, wo sie als Sicherheitspersonal für eine Kautschukfabrik arbeiten. Die Mädchen können bei ihnen nicht leben, da die nächste Schule von deren Haus zu weit entfernt ist. Die Eltern fehlen ihnen.
Im Dorf von Vichera und Lisa gibt es jetzt einen Brunnen mit sauberem Trinkwasser. Ich begleite die beiden zum Wasserholen. Den schweren Eimer aus dem Brunnen zu ziehen ist vor allem für Vichera, die jüngere der beiden, nicht einfach.
Kinder sind gute Lehrer
Die beiden haben ihren Großeltern vom Hygieneunterricht in der Schule erzählt und sie so davon überzeugt, sich nun eine eigene Latrine am Haus zu bauen. Das beeindruckt mich schwer. Gleichzeitig ist es die Antwort auf meine Frage vom Vortag: Wie soll man Menschen helfen, die gar nicht wissen, wo das Problem liegt? UNICEF fängt bei den Kindern an. Sie lernen in der Schule, dass man sich regelmäßig die Hände waschen muss, um nicht krank zu werden, und warum das so wichtig ist, genau wie die Benutzung von Toiletten. Zu Hause berichten sie ihren Familien davon, Kinder können sehr gute Lehrer sein.
Neue Latrinen für die Bar Prei Grundschule
Nach einem kurzen Mittagessen fahren wir weiter nach Prey Veng. Die Straße wird immer schlechter. Total durchgeschüttelt kommen wir in der Bar Prei Grundschule an.
Der Leiter der Schule, By Bun Ling, war bis 1976 Soldat, während der Herrschaft der Roten Khmer. „Wir waren fünf Geschwister, drei wurden getötet. Nur meine Schwester und ich haben überlebt.“ By Bun Ling ist, wie die meisten Khmer, sehr zurückhaltend, wenn man ihn auf seine Erlebnisse während dieser Zeit anspricht. Wenn es aber um seine Schule geht, lächelt er von einem Ohr zum anderen und ist gar nicht mehr zu bremsen. 372 Schüler besuchen die Schule, aber es gibt nur fünf Lehrer. „Wir haben zwar genügend Platz, aber nicht genügend Lehrer. Daher unterrichten wir die Kinder in zwei Schichten“, berichtet By Bun Ling.
Die Schule hat im Mai letzten Jahres drei Latrinengebäude über UNICEF bekommen, vorher mussten die Kinder ins Gebüsch gehen. „Die Latrinen sind die größte Herausforderung, besonders für die Jüngsten. Die Schüler sind die Benutzung von Latrinen nicht gewöhnt. 80 Prozent der Kinder haben zu Hause keine Latrine zur Verfügung und wissen nicht, wie man sie benutzt.“
Ein Brunnen fehlt noch
Im Juli hat UNICEF einen Regenwassertank zur Verfügung gestellt, der 35 Kubikmeter Wasser umfasst. Das Wasser wird nach Schulschluss abgedreht, um eventuellen Missbrauch zu vermeiden „Das Wasser im Tank reicht für ca. zwei Monate“, erklärt By Bun Ling. „Wenn das Regenwasser aufgebraucht ist, müssen wir das Wasser vom Fluss holen und filtern. Die Kinder bringen Plastikflaschen mit Trinkwasser von zu Hause mit. In jeder Klasse steht ein Wasserkanister mit einem Keramikfilter, von dem sich die Kinder bedienen können, wenn ihre Flaschen leer sind.“ Einen Brunnen mit sauberem Trinkwasser gibt es noch nicht.
Dem Schulleiter ist es wichtig, dass die Schüler richtiges Händewaschen erlernen und über die Risiken von Arsen im Trinkwasser aufgeklärt werden. Daher findet jeden Donnerstag eine Schulstunde zu diesen Themen statt.
Wasser: In Kambodscha manchmal ein Feind des Menschen
Auf der Rückfahrt nach Phnom Penh vorbei an Pagoden, Stelzenhäusern und Lotusfeldern lasse ich die Erlebnisse des Tages noch einmal Revue passieren. Wasser ist etwas so Selbstverständliches für uns, wir machen den Hahn auf und es ist da. Hier in Kambodscha gehört Wasserversorgung eher zur täglichen Arbeit. Und im Fall von zu hohem Arsengehalt, Bakterien oder Parasiten kann es sogar zum Feind der Menschen werden.
Ich bin froh, dass UNICEF über die Kinder einen Weg gefunden hat, die Menschen in diesem Land, in das ich mich längst verliebt habe, über Hygienemaßnahmen und Möglichkeiten aufzuklären. Natürlich wollen auch in Kambodscha alle Mütter, Großmütter, Väter und Großväter, Nachbarn, Onkel und Tanten alles tun, was ihren Kindern dabei hilft, gesund aufzuwachsen.
Reisetagebuch Eva Padberg
» Teil 1: Gesundheitszentrum im Armenviertel
» Teil 2: Zu Besuch an zwei Grundschulen
» Teil 3: Arsen – unsichtbar und gefährlich
» Teil 4: Schule mit durchdachtem Ökosystem