Trotz Verbot: Zehntausende Jungen und Mädchen als Kindersoldaten und -soldatinnen missbraucht
Red Hand Day am 12. Februar/ 20 Jahre Verbot des Einsatzes von Kindersoldat*innen
Auch 20 Jahre nach dem Verbot des Einsatzes von Minderjährigen als Soldat*innen werden nach Einschätzung von UNICEF in Konfliktländern weiterhin zehntausende Mädchen und Jungen rekrutiert und eingesetzt. Anlässlich des morgigen Welttags gegen den Einsatz von Kindersoldaten und -soldatinnen („Red Hand Day“) ruft UNICEF Regierungen dazu auf, diese schwere Kinderrechtsverletzung zu stoppen und Programme zur Unterstützung der betroffenen Kinder und Jugendlichen zu stärken.
Vor 20 Jahren, am 12. Februar 2002, trat das „Fakultativprotokoll zu dem Übereinkommen über die Rechte des Kindes, betreffend die Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten“ in Kraft. Bis heute haben 172 Staaten diese völkerrechtliche Vereinbarung ratifiziert, darunter Deutschland im Jahr 2004.
Kinder dürfen niemals zu Soldatinnen und Soldaten gemacht werden. Konfliktparteien müssen sie immer schützen“, sagt Christian Schneider, Geschäftsführer von UNICEF Deutschland. „Angesichts des erschreckenden Ausmaßes schwerer Kinderrechtsverletzungen im Krieg und des andauernden Missbrauchs von Mädchen und Jungen als Soldatinnen und Soldaten ist die Umsetzung des Protokolls dringender denn je.“
Das Fakultativprotokoll, das der UN-Kinderrechtskonvention angefügt wurde, ist ein wichtiges politisches Instrument, um die Rekrutierung und den Einsatz Minderjähriger zurückzudrängen sowie Mädchen und Jungen zu demobilisieren und wieder einzugliedern. Es schreibt vor, dass Mädchen und Jungen unter 18 Jahren weder gegen ihren Willen rekrutiert werden noch an Kampfeinsätzen teilnehmen dürfen.
Dennoch werden in vielen Konfliktländern weiterhin Minderjährige zum Kämpfen, aber auch für Botengänge, als Wachleute, zum Kochen oder für sonstige Hilfsarbeiten eingesetzt. Kinder werden auch als menschliche Schutzschilde oder für Anschläge missbraucht, zu sexuellen Diensten gezwungen oder mit Kämpfern zwangsverheiratet.
Unbekannte Zahl an Kindersoldat*innen
Da die Rekrutierung verheimlicht wird oder oft in schwer zugänglichen Kriegsgebieten erfolgt, ist die genaue Zahl der betroffenen Kinder nicht bekannt. UNICEF geht davon aus, dass es weltweit zehntausende Mädchen und Jungen sind.
Seit der Einführung des sogenannten „Monitoring and Reporting Mechanism“ haben die Vereinten Nationen in den vergangenen 16 Jahren rund 93.000 Fälle von Kindern verifiziert, die von bewaffneten Gruppen zum Kämpfen oder für unterstützende Rollen missbraucht wurden. Im aktuellen jährlichen UN-Bericht (bezogen auf 2020) sind in 8.521 Fällen die Rekrutierung oder der Einsatz von Kindersoldat*innen dokumentiert, die Mehrzahl Jungen (85 Prozent).
Die meisten verifizierten Fälle ereigneten sich 2020 in Somalia, Syrien, Myanmar, der Demokratischen Republik Kongo, der Zentralafrikanischen Republik, Mali, Afghanistan, Jemen, Kolumbien und Südsudan. Das sind jedoch nur die wenigen Fälle, die überprüft werden konnten – die Dunkelziffer liegt wahrscheinlich sehr viel höher.
Trotz der besorgniserregenden aktuellen Berichte gibt es aber auch Fortschritte. So konnten laut dem aktuellen UN-Jahresbericht im Jahr 2020 durch Vermittlung der Vereinten Nationen 12.643 Kinder aus bewaffneten Gruppen befreit werden. Mit Unterstützung von UNICEF kamen seit 2000 mindestens 170.000 Kindersoldaten und Kindersoldatinnen frei.
Ursachen und Folgen
Kinder und Jugendliche sind leichter zu manipulieren, gehorsam und für bewaffnete Gruppierungen oft die preiswertere Alternative zu erwachsenen Soldat*innen. Teilweise werden Kinder entführt und mit Gewalt dazu gezwungen zu kämpfen. Aber auch extreme Armut, fehlende Bildung und damit verbunden mangelnde Perspektiven können Kinder dazu bringen, sich von bewaffneten Gruppen rekrutieren zu lassen.
Sie sind häufig Opfer von Gewalt und werden gleichzeitig selbst gezwungen, Gewalt auszuüben. Nach ihrem Einsatz sind die Mädchen und Jungen oft traumatisiert, leiden an Alpträumen und psychischen Störungen. Viele Kindersoldatinnen und Kindersoldaten haben jahrelang große Brutalität erlebt, aber nie eine Schule besucht. Sie in die Gesellschaft und in ein ziviles Leben zurückzuführen, ist ein langwieriger Prozess.
So hilft UNICEF
UNICEF leistet humanitäre Hilfe in praktisch allen Krisenländern der Erde und versucht, der Rekrutierung von Kindern vorzubeugen. In Zusammenarbeit mit dem Sekretariat der Sonderbeauftragten für Kinder und bewaffnete Konflikte und anderen UN-Organisationen ist UNICEF für die Dokumentation von schweren Kinderrechtsverletzungen in Konfliktländern wie die Rekrutierung und der Einsatz von Kindern verantwortlich und versucht, auf Regierungen und bewaffnete Gruppen einzuwirken.
Darüber hinaus unterstützt UNICEF Programme, um den Mädchen und Jungen die Rückkehr in ein ziviles Leben zu ermöglichen. Dazu gehören medizinische und psychologische Hilfe, Schul- und Ausbildungsprogramme, die Unterbringung in Transitzentren oder Pflegefamilien sowie Hilfe bei der Wiedereingliederung in die Familie und Gemeinschaft.
Forderungen von UNICEF:
- UNICEF fordert alle Regierungen auf, ihre Verpflichtungen aus der UN-Kinderrechtskonvention und dem Fakultativprotokoll wirksam umzusetzen.
- UNICEF fordert alle Regierungen und bewaffneten Gruppen auf, Kindersoldat*innen zu demobilisieren und für den Schutz von Zivilisten, insbesondere Kindern, zu sorgen sowie gesellschaftlichen Zusammenhalt und Friedensaufbau zu fördern.
- Rehabilitationsprogramme sowie Lern- und Weiterbildungsmöglichkeiten müssen ausgeweitet werden. Darüber hinaus braucht es flächendeckende Reintegrationsprogramme, die dazu beitragen, die Rückkehr ehemaliger Kindersoldat*innen in die Gesellschaft zu erleichtern.
- Menschenrechtsverletzungen müssen nachverfolgt und bestraft werden. Hierfür ist eine Stärkung des „Monitoring and Reporting Mechanism“ notwendig.
Service für Redaktionen
» Fotos und Videos von Kindersoldat*innen in verschiedenen Ländern
» Blog „Kindersoldaten in Afrika und weltweit“ mit Berichten von Kindern
Ninja CharbonneauSprecherin