4 Mythen und 4 Fakten über die Menstruation
"Auf der roten Welle surfen", die "Erdbeerwoche" haben, "Besuch von der roten Lola" kriegen – all diese Codes umschreiben etwas, was Frauen in der Regel jeden Monat einmal beschäftigt. Täglich menstruieren weltweit schätzungsweise 300 Millionen Frauen und Mädchen. Doch viele von ihnen können ihre Menstruation nicht würdevoll und auf gesunde Weise bewältigen.
Tampons und Binden kennt ein Mädchen aus dem Badezimmerschrank, der Werbung oder der Sexualkunde in der Schule. Die junge Frau weiß, dass sie nicht krank oder verletzt ist, sondern ein natürlicher, biologischer Prozess beginnt. In einem aufgeklärten Umfeld ist die Menstruation etwas ganz Normales, das sich meist problemlos in den Alltag integrieren lässt.
Das ist aber nicht überall so! Wie angenehm oder unangenehm das „Erwachsenwerden“ für ein Mädchen ist, hängt davon ab, wo und in welcher Gesellschaft es heranwächst.
Wir räumen mit vier weit verbreiteten Mythen rund um das Thema Menstruation auf und liefern wichtige Fakten, die jede*r kennen sollte!
Mythos 1: „Ich muss mich wohl verletzt haben.“
„Ich war in der fünften Klasse, als ich das erste Mal meine Tage bekam. Ich dachte, ich muss mich an irgendetwas geschnitten haben. Ich habe niemandem davon erzählt, bis ich aufgehört habe zu bluten.“ – Genet (16).
Was geschieht mit meinem Körper? Wie Genet aus Äthiopien wissen viele Mädchen vor ihrer ersten Periode nicht, was passiert, wenn ein Mädchen in das geschlechtsreife Alter kommt. Einer Erhebung von 2020 zufolge wussten etwa in Bangladesch nur 32 Prozent der Mädchen, in Ägypten nur 66 Prozent der Mädchen vor ihrer ersten Periode etwas über die monatliche Blutung. 74 Prozent der Mädchen in Ägypten, die nicht vorher aufgeklärt worden waren, sagten, sie hätten sich erschreckt, Angst bekommen oder geweint bei ihrer ersten Menstruation.
Oft sind Scham und Unsicherheit so groß, dass die Mädchen an Selbstbewusstsein verlieren, sich isolieren und die Schule meiden.
Es kommt vor, dass einige Mädchen von ihrer Familie bestraft werden, wenn sie das erste Mal bluten. In Äthiopien kursiert der Irrglaube, dass eine menstruierende Frau keine Jungfrau mehr ist. Einige Eltern glauben, dass ihre Tochter Sex hatte oder vergewaltigt wurde.
Mythos 2: „Du bist unrein, wenn du blutest“
Kein Spiegel, kein Trinkwasser, keine Früchte – wenn Mädchen und Frauen menstruieren. Das verbietet in Nepal ein lokaler, strenger Aberglaube. Und nicht nur in Nepal. In einigen Ländern werden Mädchen und Frauen während ihrer Periode als „dreckig“ und „unrein“ angesehen. Dabei wissen wir längt, dass die Periode völlig normal ist und ein Zeichen für einen gesund entwickelten Körper.
Mythos 3: „Das ist doch eine Abtreibungspille!“
Ein verbreiteter Irrglaube in manchen Ländern ist, dass Eisentabletten, die in Schulen verteilt werden, eigentlich Abtreibungstabletten sind. Diese Behauptung ist jedoch falsch und basiert oft auf mangelndem Wissen über Menstruation und Gesundheit.
Die Eisentabletten werden gereicht, um den Mädchen dabei zu helfen, einen gesunden Eisenspiegel im Körper aufrechtzuerhalten. Dadurch fühlen sich die Mädchen weniger müde und haben eine bessere Konzentrationsfähigkeit - also ein insgesamt gesteigertes Wohlbefinden während der Menstruation!
Mythos 4: „Du gehörst verbannt, während du blutest“
Wenn sie ihre Tage haben, treffen mehr als die Hälfte der Frauen in Nepal ihre Freund*innen nicht, gehen nicht Einkaufen und nicht zur Arbeit. Zum Glück folgen mittlerweile nur noch die wenigsten Familien dem strengen traditionellen Brauch, Mädchen und Frauen während ihrer Periode in unbeheizte Menstruationshütten zu verbannen. Kälte, Rauchvergiftungen und Tierangriffe waren Gründe, warum Mädchen und Frauen in der Vergangenheit bei diesem Brauchtum ums Leben kamen.
Weg mit den Mythen – her mit den Fakten!
Fakt 1: Eine sichere Hygiene schafft Selbstbewusstsein
Weltweit können sich viele Mädchen und Frauen Menstruations-Hygieneartikel wie Binden oder Tampons nicht leisten. Viele müssen da kreativ werden. In Bangladesch beispielsweise benutzen viele Frauen und Mädchen alte Tücher als Binden.
Zudem fehlt etwa 1,7 Milliarden Menschen der Zugang zu grundlegenden Sanitärdiensten wie Toiletten oder Latrinen. In den am wenigsten entwickelten Ländern fehlt es vielen Haushalten an fließendem Wasser und Seife. Weltweit haben nur etwa 72 Prozent der Schulen sanitäre Anlagen. Das bedeutet, dass rund 540 Millionen Kinder an ihrer Schule keinen Zugang zu sanitären Anlagen haben.
Fehlendes Wasser und Hygiene erschweren es Mädchen und Frauen, ihren Alltag während der Periode reibungslos zu bewältigen. Nicht zu vergessen sind dabei die gesundheitlichen Folgen: Eine schlechte Menstruationshygiene kann zu Infektionen der Fortpflanzungs- und Harnwege führen.
Fakt 2: Menstruation geht jeden etwas an
Entjungfert, verflucht oder unrein – Stigmatisierung, Mythen und Tabus sind die Folgen von fehlender Aufklärung. Das Verständnis für und Wissen über die Menstruation ist für alle wichtig. In vielen Schulen, Mädchenclubs und Projekten lernen nicht nur die Mädchen, sondern auch Jungen, was sich hinter der Monatsblutung der Frau verbirgt. Alle können im Kampf gegen das Tabu wichtige Verbündete sein.
"Ich sollte die Mädchen an meiner Schule nicht hänseln, wenn ich Blutflecken auf ihren Kleidern sehe, sondern sie unterstützen." Solomon (12).
Schulkurse und Projekte über Menstruation geben Mädchen Mut und Know-how mit ihrer Periode sicher und selbstbewusst umzugehen. Gleichzeitig werden sie dadurch zu Multiplikatorinnen, die ihr Wissen an die Gesellschaft – an Väter, Mütter und Geschwister – weitertragen können.
Es ist wichtig, dass Mädchen und junge Frauen die Möglichkeit bekommen, sich über ihre Gesundheit zu informieren. Die in einem UNICEF-Projekt entwickelte App Oky ist die erste Tracking-App, die gemeinsam mit Mädchen für Mädchen entwickelt wurde. Vertrauenswürdig, lustig und kreativ informiert und unterstützt die App Mädchen weltweit dabei, gesund und selbstbewusst mit ihrer Periode aufzuwachsen. Den Entwickler*innen ist dabei wichtig, dass die App einfach zugänglich ist und persönliche Daten gut geschützt sind. Die App gibt es als kostenfreien Download im Google-Play-Store.
Fakt 3: Fürsorge und Enttabuisierung stärken
Während der Menstruation können sich Mädchen müde fühlen und Probleme haben, sich zu konzentrieren. So ging es auch Kidist (16) aus Äthiopien. Sie berichtet: "Noch vor wenigen Jahren kämpfte ich mit Müdigkeit, die es mir schwer machte, mich im Unterricht zu konzentrieren. Meine unregelmäßige Periode verursachte mir außerdem Unbehagen."
In ihrer Schule gibt es daher Ruheräume, in die sich die Mädchen zurückziehen können. Zudem bekommt sie jeden Dienstag eine Eisen-Folsäure-Tablette in der Schule.
„Ich habe mehr Energie für Sport und fühle mich im Unterricht besser, seitdem wir einmal die Woche eine Eisentablette einnehmen“, sagt Kidist. „Ich bin stolz darauf, Teil dieses Programms zu sein, und dankbar für die Unterstützung durch meine Lehrerin Birkinesh.“
Es muss einen unterstützenden Rahmen für menstruierende Mädchen geben, und eine ausgewogene Ernährung, die den Eisenhaushalt im Blick behält, denn das trägt dazu bei, dass es ihnen besser geht.
Fakt 4: Dank Binde in die Schule
„Früher bin ich bis zu sieben Tage zuhause geblieben, wenn ich meine Tage hatte. Ich habe Schulstunden und Prüfungen verpasst." So schildert die 16-jährige Workalem aus Äthiopien ihre Erfahrungen mit der Periode. "Es gab keine Periodenprodukte und kein Wasser in der Schultoilette. Über die Menstruation zu reden war ein Tabu."
Doch heute ist es anders: Workalem ist nun ein aktives Mitglied im Gender Club ihrer Schule, der von UNICEF unterstützt wird. "Jetzt verstehe ich meinen Körper viel besser", sagt sie und setzt sich dafür ein, dass alle Mädchen und Jungen an ihrer Schule aufgeklärt werden. Zudem gibt es an ihrer Schule nun einen Raum für Menstruationshygiene, in dem die Mädchen sich waschen können, Periodenprodukte erhalten und Vertrauenslehrer*innen treffen, die sie bei Fragen rund um die Periode unterstützen.
Es ist wichtig, dass Mädchen zur Schule gehen und sich entfalten können – ganz ohne Sorge um die hygienische Versorgung. Dabei unterstützt UNICEF Mädchen weltweit, zum Beispiel in Projekten, in denen Mädchen und Frauen ihre Binden selbst herstellen.
Auch Nachhaltigkeit spielt eine wichtige Rolle: In Tschad wurden in einer Schule wiederverwendbare Damenbinden verteilt.
Wichtig ist dabei auch die Aufklärung und Ausbildung freiwilliger Betreuer*innen. Sie sprechen mit den Mädchen über ihre körperliche Veränderung, ihre Sexualität und die richtige Nutzung von Hygieneartikeln.
In Guinea-Bissau unterrichtet die Lehrerin von Nhima ihre Schülerinnen über verschiedene Hygieneartikel und Möglichkeiten der Menstruationshygiene. Nhima benutzt jetzt eine auswaschbare Menstruationstasse. Sie ist so begeistert davon, dass sie auch ihre Mutter dazu gebracht hat, Menstruationstassen zu benutzen.
Ob durch Menstruationstassen, selbst genähte Binden oder geteiltes Wissen – eines ist klar: Frauen und Mädchen sollen sich 365 Tage selbstbewusst, aufgeklärt und sicher in ihrem Körper fühlen dürfen. Dafür müssen wir zusammen gegen Menstruationsmythen und -tabus ankämpfen.
Machen wir also gemeinsam auf das Thema aufmerksam und unterstützen wir Mädchen und junge Frauen, damit sie ohne Scham, mit Würde und Perspektive leben können.
*Dieser Artikel wurde erstmals im Mai 2019 von Yvonne Laudien publiziert. Katharina Kesper hat ihn 2024 für Sie aktualisiert.