"Ich könnte nie zur Schule gehen, wenn ich meine Tage habe"
Die Menstruation bleibt für Millionen Mädchen und Frauen weltweit eine große Hürde und emotionale Belastung. Ein UNICEF-Projekt von Mädchen für Mädchen stellt sich dieser monatlichen Herausforderung mit einer simplen Idee zur Verbesserung der Lebensumstände für Mädchen. Im vergangenen Monat durfte ich dieses besondere Projekt in Bangladesch besuchen.
Die Mädchen in der Khulna-Region leiden extrem unter ihrer Periode. Sie gelten dann traditionell als unrein, müssen oft zu Hause bleiben und getrocknete Fische und andere angeblich reinigende Nahrungsmittel essen. Sie verpassen in dieser Zeit wichtigen Schulunterricht – bis zu 10 Tage im Monat! Und weil es keine Tampons gibt und die handelsüblichen Binden viel zu teuer sind, behelfen sie sich mit Lumpen oder Sandsäckchen. Dadurch sind sie äußerst unflexibel und bleiben oft freiwillig für sich.
Binden für eine bessere Welt?
Der „Girl‘s Club“ in einem kleinen Dorf ganz am westlichen Rand der Khulna-Region will das mit eigenen günstigen Binden ändern. Girl’s Clubs sind Clubs, die UNICEF finanziell und beratend unterstützt, um den Austausch von Mädchen untereinander zu fördern.
Hier können sie offen miteinander reden – über Familie, über Liebe und auch über ihre Periode etwa. Doch der Club in Khulna ist etwas ganz Besonderes. Denn dort wird nicht nur geredet und diskutiert – hier wird auch gehandelt!
Vor Ort empfängt uns die Präsidentin des Clubs, Ayshwa (17). Sie führt uns in einen kleinen Raum, wo gerade viele Mädchen zusammensitzen und auf uns warten. Finanzchefin Umme (15) berichtet gerade über die sehr positiven monatlichen Umsätze des Clubs – beziehungsweise über die Club-Produktion.
Etwa 30 Mädchen gehören aktuell zum UNICEF-Girl’s Club und kommen mehrmals die Woche nach der Schule zusammen, um „Sanitary Pads“, also Monatsbinden, zu nähen, zu verpacken und dann zu verkaufen.
„Ich könnte nie zur Schule gehen, wenn ich meine Tage habe. Jedenfalls nicht ohne Binden“, erklärt Ayshwa mir. „Im Club sprachen wir anfangs oft darüber, wie sehr uns die Periode einengt. Industrielle Binden kann sich hier kein Mädchen leisten. Sie müssen also Lumpen, alte Shirts und so etwas, nehmen, mit denen man sich kaum bewegen kann. Bei dieser Hemmschwelle bleiben viele von uns dann einfach zu Hause, statt zur Schule zu gehen. Bis zu zehn Tage pro Monat. Da verpasst man natürlich viel wichtigen Stoff. So kamen wir auf die Idee mit den selbstgemachten und viel günstigeren Binden."
UNICEF in Bangladesch befand das für eine super Idee und hat die Mädels sofort unterstützt. Eine Partnerorganisation vor Ort zeigte ihnen zuerst, wie man Binden einfach herstellen kann. Die Maschinen finanzierte UNICEF – ebenso das monatliche Material an Baumwolle, Gummibändern, Verpackung und Garn. Das Gebäude gehört der Regierung, die Mädchen müssen keine Miete zahlen.
So geht's - der Herstellungsprozess
Job und gesellschaftliche Aufklärung in einem
Den Mädchen geht es nicht nur um die Produktion von Binden, sie wollen auch aufklären und viele Mädchen erreichen mit ihrer Arbeit und ihrem Wissen. „Gerade in kleineren Dörfern auf dem Land haben Betroffene nicht nur keine Binden – sie gelten auch als unrein, müssen während ihrer Periode zu Hause bleiben und getrocknete Fische essen, um sich zu reinigen. Sie dürfen dann gar nicht zur Schule gehen“, erklärt mir UNICEF-Mitarbeiterin Halima, die selbst aus Khulna kommt und das Projekt betreut.
Um gegen diese Vorurteile aufzuklären und Mädchenrechte zu stärken, bauen sich die Club-Mitglieder stetig weiter Kontakte zu Dorfvorstehern, Müttern und Vätern oder auch Lehrern auf.
Mit jeder verkauften Packung (umgerechnet etwa 40 Cent für 10 Binden) kommen sie ins Gespräch. „Unsere neueste Idee ist es, männliche Mitglieder zu gewinnen, damit sie auf andere Männer, vor allem Väter zugehen können. Sie sollen ihre Töchter dann besser verstehen und nicht mehr als unrein ansehen“, sagt Ayshwa.
Der Erfolg gibt den Mädchen recht: Bereits 2018 wollen sie finanziell so gut abschließen, dass sie die UNICEF-Hilfe nicht mehr brauchen, sondern selbstständig sind. Bei meinem Abschied habe ich ein gutes Gefühl – weil die Mädels so gut vorankommen und so selbstbewusst sind. Hier macht Entwicklungshilfe von vorne bis hinten Sinn und erfüllt das größte Ziel: Langfristige Unabhängigkeit. Gleichzeitig bin ich wieder einmal unendlich dankbar, dass ich so ein einfaches Leben habe.