Zwei Leben, zwei Kriege, eine Flüchtlingsgeschichte
Die Geschichten von Harry und Ahmed
Was verbindet den 92-jährigen Harry aus Deutschland und den 12-jährigen Ahmed aus Syrien?
80 Lebensjahre und einige tausend Kilometer liegen zwischen ihnen und dennoch gibt es in ihrem Leben eine Parallele: Beide mussten ihre Heimat verlassen, vor Verfolgung und Gewalt fliehen und in der Ferne ein neues Zuhause finden.
In einem Video, das im Auftrag von UNICEF produziert wurde, erzählen sie ihre Lebensgeschichten. Der Kurzfilm wurde in sozialen Netzwerken und von Medien weit verbreitet und hat viele Menschen berührt. Er zeigt die Parallelen von Kindern auf der Flucht – damals wie heute. Dabei wechselt das Video zwischen den Erzählungen von Ahmed und Harry.
Dreharbeiten fanden in Berlin statt
Ende November fanden in einem Filmstudio in Berlin-Kreuzberg die Dreharbeiten für das Video statt. Unsere Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Jenifer aus unserem Berliner Büro hat einen Drehtag begleitet und war von beiden Protagonisten begeistert. „Die Begegnung mit Harry und Ahmed war sehr beeindruckend. Ihr Optimismus und ihre Stärke waren unglaublich faszinierend“, erzählte sie nach dem Dreh.
Harry Jacobi: Flüchtling im Zweiten Weltkrieg
Für Harry, der seit dem Krieg in Großbritannien lebt, war der Dreh in Berlin nicht nur aufregend, sondern auch eine Rückkehr in seine Heimatstadt. Hier wurde er 1925 geboren und verbrachte seine Kindheit. Nach der Reichspogromnacht 1938 schickte ihn seine Mutter mit dem Kindertransport in die Niederlande, in der Hoffnung ihren Sohn so vor der Verfolgung durch die Nationalsozialisten in Sicherheit zu bringen.
In dem Video erzählt der heute 92-Jährige von der quälenden Gewissheit, die seine Mutter damals gehabt haben muss, ihren Sohn wohl nie wieder zu sehen.
Die Holländerin Geertruida Wijsmuller-Meijer, bekannt geworden als Tante Truus, brachte Harry 1940 gemeinsam mit 40 weiteren Kindern in einem Bus in den Norden Hollands, von wo aus sie mit einem Boot nach England übersetzen sollten.
Während der Überfahrt nach Falmouth – eine Hafenstadt im südlichen England – wurde das Schiff von Flugzeugen bombardiert. Harry erzählt in dem Video, wie er untertauchte und sich an ein Stück Holz klammerte, um nicht zu ertrinken.
Harry hatte an diesem Tag großes Glück – und schreckliche Angst. In den deutschen Radios wurde berichtet, dass das Boot gesunken sei. Tatsächlich aber legte es heimlich in Falmouth an und ankerte dort drei Tage bis die britische Regierung erlaubte, dass die Kinder an Land gehen durften.
Ahmed: syrischer Flüchtling
Für den Dreh reiste Ahmed gemeinsam mit seinem Bruder Bashar und dessen Freundin aus Schweden an.
2013 floh Ahmed zusammen mit seinem Bruder aus Damaskus, als die Kämpfe in seiner Nachbarschaft immer schlimmer wurden. Die beiden machten sich ohne ihre Eltern oder andere Familienmitglieder auf den Weg und flohen zunächst nach Ägypten. Vor vier Jahren konnten syrische Staatsbürger dort noch ohne Visum einreisen.
Insgesamt drei Monate lebten Ahmed und Bashar in Ägypten, bis sie sich nach Alexandria durchschlagen konnten, um von dort über das Mittelmeer nach Italien zu gelangen. Die Route über das Mittelmeer gehört zu den gefährlichsten Fluchtrouten. Nach Schätzungen eines neuen UNICEF-Reports starben im vergangenen Jahr 700 Kinder bei den Überfahrten im Mittelmeer.
Auch Ahmed erzählt in dem Video von der anstrengenden und gefährlichen Reise auf dem Boot. „Es war nur für zwei oder drei Leute, aber wir waren zwölf.“ Zehn Tage waren er und sein Bruder auf offener See unterwegs – zu essen gab es kaum etwas.
Als sie endlich auf Lampedusa ankamen, wurden Ahmed und Bashar festgenommen. Später konnten sie sich bis nach Österreich durchschlagen, wo sie jedoch wieder festgenommen wurden. Seinen zehnten Geburtstag verbrachte Ahmed damals im Gefängnis.
Wenig später gelang ihnen doch die Einreise nach Deutschland, von wo aus sie mit dem Zug nach Schweden weiterfuhren. Dort lebt Ahmed inzwischen mit seiner Familie und ist sehr glücklich am Leben zu sein – weit weg vom Krieg. „Ahmed spielt gerne Fußball und ist in der Schule sehr gut in Mathe. Später möchte er Autohändler werden“, erzählt uns Jenifer, die selbst ein wenig Schwedisch spricht und sich mit Ahmed unterhalten konnte. „Allerdings ist sein Schwedisch deutlich besser als meins!“