Unterwegs für UNICEF: Uganda
Meine ersten Eindrücke aus dem jüngsten Land der Welt
Hallo, oli otya, ich bin Lena und ich arbeite derzeit für UNICEF in Uganda. Vier Wochen lang begleite ich hier das Kommunikations-Team und lerne mehr über die Arbeit vor Ort.
Als Vorbereitung für meinen Aufenthalt hier hatten mir die Kollegen schon vorher einiges an Lesestoff geschickt: eine brandaktuelle Analyse der Situation der Kinder in Uganda. Einige der Zahlen sind gleich sehr einprägsam, weil ebenso beeindruckend: Uganda ist eines der jüngsten Länder der Welt. Je nachdem, welchen Statistiken man glaubt sogar das jüngste. Mehr als 56 Prozent der Bevölkerung sind unter 18 Jahren. Das sind mehr als 17 Millionen Kinder. Kein Vergleich zu Deutschland, wo seit 1972 die Sterberate höher ist als die Geburtenrate und wo Ende 2013 fast 85 Prozent der Bevölkerung über 18 Jahren war. Nicht nur ein umgekehrtes Verhältnis also, sondern ein krasser Gegensatz.
So hoch Uganda in der Liste der jüngsten Länder der Welt steht, so hoch steht es leider auch in der der Länder mit der höchsten Kindersterblichkeit – unter den Top10. Die Gründe dafür sind vielzählig und sie hängen alle miteinander zusammen, genauso wie die UNICEF-Arbeit dazu vor Ort.
Mangelernährung – Gesunde Mutter, gesundes Kind
Zu dieser Arbeit im Bereich Ernährung, bzw. Unterernährung konnte ich mir gleich am zweiten Tag meines Aufenthalts selbst ein Bild machen, in einem Ernährungszentrum in der Hauptstadt Kampala.
Das Zentrum wurde bereits 1964 eröffnet und ist angebunden an ein örtliches Krankenhaus. Sein Name „Mwanamujuimu“ kommt von einer traditionellen Redewendung: „Ein gesundes Kind kommt aus einem gesunden Mutterleib“. Und genau nach diesem Prinzip arbeitet man hier auch. Die Kinder werden nicht nur aus der akuten, lebensbedrohlichen Situation gerettet, sondern die Mütter werden aufgeklärt, wie sie ihre Kinder in Zukunft bei einer gesunden Entwicklung unterstützen können. UNICEF stellt neben der lebensrettenden Erdnusspaste und therapeutischer Milch auch Untersuchungsgeräte wie Maßbänder und Waagen zur Verfügung, die bei regelmäßigen Check-Ups helfen bereits eine drohende Mangelernährung zu erkennen.
Die entscheidenden Stunden
Dr. Elizabeth, die wahnsinnig engagierte Leiterin, die zusätzlich für viele ihrer Angestellten auch eine Art Mentor ist, erklärt uns den Ablauf innerhalb ihrer Einheit: Die Neuzugänge kommen gewöhnlich gegen 11 Uhr morgens, sie werden vom naheliegenden Krankenhaus überwiesen. Die Kinder werden untersucht und es wird entschieden, ob sie aufgenommen werden müssen. In den meisten Fällen verbringen sie dann die ersten Stunden oder Tage in der „Critical Care Unit“, einer Art kleinen Intensivstation.
Diese Zeit entscheidet im wahrsten Sinne des Wortes über Leben und Tod. Die Kinder, die hier liegen haben meist zusätzlich zu einer schweren, akuten Mangelernährung noch weitere Komplikationen, wie z.B. Atemwegsinfektionen, für die sie in ihrer schwachen Konstitution sehr anfällig sind. „Wir stecken alle unsere Anstrengungen in diese ersten Stunden“, erklärt die Ärztin uns, die ersten 48 Stunden entscheiden.
Zurück ins Leben
Wenn sich der Zustand der Kleinen stabilisiert hat kommen sie einen Raum weiter, auf die „Giraffen-Station“. Das ganze Zentrum ist mit Wandmalereien wie Tieren, Blumen und Sprüchen verziert. Auch wenn hier alles recht alt und teilweise verblichen und abgeblättert wirkt, ist doch deutlich zu spüren, dass man hier Wert legt auf eine Umgebung, die auf Mütter und Kinder freundlich und fröhlich wirkt.
Die Station ist ein einziger großer Raum, voll bis in jede Ecke mit kleinen Kinderbettchen über denen zusammengeknotete Moskitonetze hängen. Ich bin beeindruckt über die Anzahl an Babys, Kindern und Erwachsenen, die in diesen Raum passt. Dazwischen sieht man immer wieder einen weißen Kittel von einem Arzt oder einer Schwester. Nicht selten sind die Bettchen doppelt belegt und Oma, Geschwister und Tanten sitzen darum herum auf dem Boden. Auf dieser Station sollen die Kinder sich erholen und stabilisieren. Während sie auf der Intensivstation noch mit Nasensonde und Venenzugang versorgt wurden, bekommen sie hier schon die therapeutische Milch „F25“. Die Zahl bezeichnet den Kalorienanteil – je besser der Zustand der Kinder ist, desto mehr Kalorien können sie zu sich nehmen.
Wenn sie sich hier erholt haben, ziehen sie wieder einen Raum weiter, auf die Zebra-Station. Als ich den Raum betrete fällt mir der Unterschied zu den vorherigen Räumen sofort auf. Nicht nur dass hier große Betten stehen, wo Mutter und Kind gemeinsam schlafen, sondern vor allem kommen mir krabbelnde, spielende und lächelnde Kinder entgegen. Man sieht sofort, dass die Aktivität in diesem Stadium schon erheblich gesteigert ist. Auch die Mütter interagieren deutlich mehr mit ihren Kindern und werden auch ausdrücklich dazu angehalten. Hier bekommen die Kleinen die kalorienreichere Milch „F100“ oder die „ready to use“ (RTF) Erdnusspaste Plumpy Nut. Die jüngeren Kinder, bis zu einem Alter von sechs Monaten, werden aber auch hier ausschließlich über Stillen versorgt. Jeden Tag um zwei kommen ein Arzt und eine Ernährungsberaterin vorbei und erklären den Müttern die Vorteile des Stillens.
Die Geschichte von Sarah und Hanisha
Wir laufen weiter zur „Rehabilitationsstation“, die letzte Station für Mutter und Kind bei ihrem Aufenthalt hier, der insgesamt circa zwei bis drei Wochen dauert. Nachdem sich die Kinder etwas erholt haben, sollen sie hier „aufholen“, das heißt kräftiger werden, lernen zu essen, zu spielen etc. Vor allem aber ist dieser Abschnitt ein wichtiger für die Mütter. Um den Erfolg, nämlich ihre gesunden Kinder, nachhaltig zu sichern lernen sie hier elementar wichtige Dinge über Ernährung, Hygiene, Aktivitäten und sogar mögliche einkommensschaffende Maßnahmen. Mangelernährung ist hier nicht selten verknüpft mit Armut.
Hier lernen wir Sarah und Hanisha kennen. Sarah ist Anfang 20 und sie ist heute damit dran, den anderen Müttern zu erklären, welche Lebensmittel und Lebensmittelarten es gibt und wofür welche davon wichtig sind. Ein Plakat an der Wand erinnert sie immer wieder daran. Sarah hebt verschiedene Gemüse und kleine Schälchen von einem reich gedeckten Tisch hoch und erklärt ganz einfache Dinge wie zum Beispiel: „ Diese Nahrung gibt uns Energie. Sie hilft unseren Körpern stark zu sein“. Sie erntet Applaus von Müttern und Zuhörern als sie fertig ist. Als sie dann ihre kleine Tochter Hanisha im Arm hält strahlt sie übers ganze Gesicht. Stolz zeigt sie uns ein Foto, das das einjährige Kind vor zwei Wochen zeigt, als sie hier eingeliefert wurde. Sie ist abgemagert, hat eine Nasensonde und deutliche Hautprobleme. Sie lächelt nicht und ihre Augen blicken ins Leere. Kein Vergleich zu dem Kind, das sie jetzt auf ihrem Arm hält und das gar nicht aufhört zu strahlen. „Ich bin hierhergekommen und dachte mein Kind wird sterben. Und jetzt, schaut sie Euch an.“, Sarah ist völlig begeistert und überglücklich.
„Wir können hier nicht sitzen und auf Mangelernährung warten“
Später können wir noch sehen, wie die Mütter ihre Kinder mit dem Essen füttern, das sie selbst nach den Anleitungen zubereitet haben. Es tut gut, die Kinder mit solchem Appetit essen zu sehen. Man versteht sofort, warum diese Entwicklung Sarah bei ihrem eigenen Kind so positiv mitnimmt, wenn man als Außenstehender schon so berührt ist.
Wie die anderen Mütter auch werden Sarah und Hanisha nach ihrer Entlassung in etwa zwei Wochen wieder kommen, zum „Screening“. Zwei Monate lang müssen sie das machen, damit die Ärzte die Fortschritte der Kinder überprüfen können und frühzeitig Anzeichen einer erneuten Mangelernährung erkennen und eingreifen können. Zum Abschluss sagt uns Dr. Elizabeth aber noch ganz klar: „Wir können hier nicht einfach nur sitzen und warten, das Mangelernährung zu uns kommt. Wir müssen rausgehen in die Gemeinden und Aufklärung betreiben“.
Zum Abschied Tanzen, Singen, Lachen
Und das machen sie dann auch: Unterstützt durch UNICEF haben sie so genannte Dorf-Gesundheits-Teams aufgebaut und die Teilnehmer dafür ausgebildet, Mangelernährung bei Kindern frühzeitig zu erkennen und die entlassenen Kinder auf ihrem Weg weiter zu begleiten.
Zum Schluss steht noch eine Überraschung an: Die Mütter und einige der wenigen anwesenden Väter haben ein Lied und einen Tanz einstudiert und wollen uns damit verabschieden. Mit viel Humor und noch mehr afrikanischem Rhythmusgefühl bedanken sie sich darin bei UNICEF, den Besuchern und nicht zuletzt bei den Ärzten für ihren Einsatz. Ein fröhlicher Abschluss für einen Tag, der doch ein Auf und Ab der Gefühle war. Die Kinder, die zum Gesang mit tanzen und hüpfen, zeigen auf jeden Fall so viel Lebensfreude, dass es außer Frage steht warum diese Arbeit so wichtig ist.
Haben Sie Fragen oder Anmerkungen?
Sie haben Fragen an mich, z.B. zum Ablauf im Ernährungszentrum oder generell zur Arbeit von UNICEF im Ernährungsbereich? Im Kommentarbereich können Sie Ihre Fragen und Anmerkungen loswerden und ich werde versuchen, so viele Fragen wie möglich zu beantworten.
Wenn Sie mehr über die UNICEF-Arbeit in Uganda erfahren möchten, lesen Sie hier weiter: Uganda - Mit Solarcomputern in die Zukunft.