„Die Welt hat dieses Leiden für fünf lange Jahre zugelassen“
Kommentar von UNICEF Exekutivdirektor Anthony Lake nach seinem Besuch in Syrien
Homs, Syrien – 1. März 2016: Ich beende diesen Besuch in Syrien, zusammen mit Peter Salama, UNICEF Regionaldirektor, unmittelbar vor dem fünften Jahrestag dieses Krieges. Mein vorheriger Besuch fand unmittelbar vor dem dritten Jahrestag statt, also vor zwei Jahren des Leidens. Nun bietet die Einstellung der Feindseligkeiten dem syrischen Volk die Möglichkeit auf Frieden.
An allen Orten, die ich besucht habe – Damaskus, Homs, Hama und Al-Salameya – sprachen die Leute von Hoffnung. Hoffnung auf Frieden; Hoffnung, dass Frieden mehr bedeuten wird als nur ein diplomatisches Schriftstück; Hoffnung, dass Frieden in ihren Alltag zurückkehren wird. Die Kinder, die ich in ihren Klassenräumen traf, sprachen von ihren Hoffnungen für ihre Zukunft – als Ärzte, Ingenieure, Lehrer.
Als ich die Grenzen des belagerten Viertels Al Waer in Homs überschritt, sah ich Dinge, die ich vor zwei Jahren nicht gesehen hatte – offene Geschäfte, frei herumlaufende Menschen, Kinder, die in Klassenräumen lernen, anstatt sich aus Angst vor Heckenschützen in Kellerräumen zusammenzukauern. Selbst in die zerstörte Altstadt von Homs kehren wieder Menschen zurück, die durch die Kämpfe vertrieben wurden.
Und was besonders wichtig ist: Regierungsvertreter in Damaskus haben beschlossen, dass wir, zusammen mit der WHO und unseren Partnern wie dem Gesundheitsministerium, umgehend ein landesweites Impfprogramm gegen Kinderkrankheiten planen und durchführen können. Dafür ist der dauerhafte Zugang in alle belagerten und schwer zu erreichenden Gebiete notwendig. Außerdem müssen sowohl Regierung als auch bewaffnete Oppositionsgruppen den Zugang zu allen syrischen Kindern ermöglichen.
Aber neben dieser Hoffnung gab es immer noch Zeichen von Verwüstung und eindrückliche Beweise für den hohen Tribut, den der Krieg von den Kindern gefordert hat. Ganze Viertel wurden dem Erdboden gleichgemacht. Ein Kinderzentrum in Al Waer, ehemals ein Waisenhaus, wurde vor zwei Jahren von einem Mörserangriff getroffen, der acht Kinder getötet und mehr als 30 verletzt hat.
In Homs nahmen Ärzte mich mit auf eine chirurgische Station. Dort behandelten sie ein Opfer, dem kürzlich von einem Heckenschützen ins Gesicht geschossen worden war. Die Ärzte hatten lediglich alte chirurgische Instrumente, um dem Patienten Teile des zerstörten Kiefers zu entfernen. Die Narkosemedikamente hatten das Haltbarkeitsdatum bereits überschritten.
Die Ärzte, Krankenschwestern und vor allem der Vater des Opfers brachten ihre Wut zum Ausdruck – nicht nur auf die Regierung, die diesen Gebieten weiterhin den Zugang zu chirurgischen und medizinischen Hilfslieferungen verwehrt, sondern auch auf die Vereinten Nationen und die ganze Welt. Wir können es ihm nicht verübeln – denn die Welt hat dieses Leiden für fünf lange Jahre zugelassen.
All denen gegenüber, die wir getroffen haben, haben wir uns – gemeinsam mit Hanaa Singer, unserer Leiterin von UNICEF Syrien – dazu verpflichtet, dass wir von UNICEF weiterhin alles tun werden, was wir können, um Syrien zu unterstützen. Nicht nur dabei, die dringendsten humanitären Bedürfnisse zu bewältigen, sondern auch bei seinem Wiederaufbau und seiner Entwicklung.
Tatsächlich findet diese Entwicklung heute bereits statt. Jedes Mal, wenn wir ein syrisches Kind ausbilden, wo immer er oder sie auch sein mag, helfen wir, Syriens Zukunft aufzubauen.
Im Laufe der letzten fünf Jahre hat UNICEF, gemeinsam mit unseren Partnern wie dem Syrisch-Arabischen Roten Halbmond, mehr als zehn Millionen Menschen, vor allem Kinder, mit Wasser, Gesundheits- und Ernährungsmaßnahmen, Bildung und psychosozialer Hilfe erreicht.
Aber es gibt so viel mehr Kinder, die wir erreichen müssen. Mehr als acht Millionen Kinder benötigen Unterstützung: sechs Millionen in Syrien und mehr als zwei Millionen, die vor der Gewalt in die Nachbarländer geflohen sind.
Wir werden unser Bestes tun, um diese Herausforderung zu bewältigen!
- Anthony Lake -
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UNICEF-Mitarbeiter in Syrien sind täglich für die Kinder im Einsatz: Sie organisieren Impfkampagnen, versorgen Menschen in Städten und Flüchtlingscamps mit Trinkwasser, richten Notschulen und Kinderzentren ein und verteilen Pakete mit schützender Kleidung.
Schon mit einem kleinen Beitrag können Sie diese Hilfe unterstützen. Vielen Dank im Namen aller Kinder!