Was heißt Schulbesuch in Südsudan?
Weltweit gesehen gehen in Südsudan die wenigsten Kinder zur Schule. Der seit 2013 herrschende blutige Konflikt hat die Bildungssituation in dem jungen Land weiter verschlechtert.
Kinder aus Südsudan schildern, wie sie die Zerstörung ihres Zuhauses erlebt haben. Ihr Privileg: Sie können noch zur Schule gehen.
Südsudan hat die niedrigste Schulbesuchsrate der Welt – nur die Hälfte der Grund- und Mittelschüler kommt tatsächlich zum Unterricht. Es fehlen Schulen, Klassenräume und Unterrichtsmaterialien. Der seit 2013 herrschende blutige Konflikt in Südsudan hat die Bildungssituation in dem jungen Land weiter verschlechtert: 400.000 Kinder und Jugendliche wurden bereits mit ihren Familien vertrieben und mussten die Schule abbrechen. Allein 2015 wurden über hundert Schulen zerstört oder besetzt.
Mit der Initiative "Back to learning" unterstützt UNICEF landesweit die Eröffnung von Grundschulen, um den besonders benachteiligten Kindern – Vertriebene und Kinder, die nie eine Schule von innen gesehen haben – wieder einen Zugang zu Bildungsmöglichkeit zu eröffnen. Damit sollen über eine halbe Million Kinder den Weg zum Lernen wiederfinden. Allein im größten Lager für Inlandsvertriebene auf der UN-Basis in Bentui – im Norden des Landes – hat UNICEF sieben Notschulen errichtet.
Acht Schüler aus Südsudan schildern, wie sie die Zerstörung ihres Zuhauses und ihres Alltags erlebt haben. Sie sind froh, dass sie wieder zur Schule gehen können – meist in Lagerschulen – und haben große Pläne für die Zukunft.
Kinder aus Südsudan und ihre Geschichte
Malual Stephan kommt aus Bentui. Er ging gerne zur Schule: "Als die Kämpfe begannen und ich die Gewehrschüsse hörte, lief ich mit meinen Eltern durch die Straßen zur UN-Basis." Später zog der 16-Jährige weiter in ein Flüchtlingslager in die Hauptstadt Juba und besucht dort die dritte Klasse. "Hier sind die Klassen leider sehr überfüllt."
Nyawargakna Kuol, 16, geht in dieselbe Klasse wie Malual: "Ich weiß, dass die Schulbildung mir später helfen wird. Ich mag besonders das Fach Religion. Wenn ich mich ärgere, hilft mir der Glaube, meine Probleme zu lösen. Ich hoffe sehr, dass bald Frieden in unserem Land einkehrt." Vor der Krise lebte Nyawargakna in Yei im Süden des Landes und ging hier auch gerne zur Schule: "Aber unser Haus war nicht mehr sicher, weil es in der Nähe der Militärkaserne lag."
Der 14-jährige James Jidit Matai kommt ursprünglich aus Mankien, einem Ort westlich von Bentui. Jetzt lebt er bei seinem Onkel im Lager in Juba. Als Zweitklässler der Hope-Grundschule ist er sehr überzeugt vom Unterricht: "Die Schule hier ist besser als in Mankien. Ich mag besonders den Sachkundeunterricht und will später Lehrer für naturwissenschaftliche Fächer werden. In der Schule lernt man viele Dinge, die man später weitergeben kann."
Nyaturo Diew aus Bentui sehnt sich nach ihrer alten Schule zurück: "Wegen der Kämpfe konnte ich ein Jahr lang gar nicht zur Schule gehen. Meine Schule wurde zerstört. Den Unterricht habe ich sehr vermisst." Heute besucht das elfjährige Mädchen eine andere Grundschule in der Stadt. "Wenn ich groß bin, würde ich gerne in einem Krankhaus arbeiten. Ich wünschte, meine Heimat würde wieder so sein wie sie mal war; man könnte zur Schule gehen und es gäbe Frieden."
"Fast meine gesamte Familie lebt im Flüchtlingslager in Bentui", erzählt Haj Abdullah Kuol, zehn Jahre alt. "Dort ging ich auch zur Schule. Das war ganz ok. Aber eines Tages wollte mein Vater wieder zurück in die Stadt, wo er in einer Moschee arbeitet." Daher geht Haj Abdullah jetzt in die erste Klasse der Dawa-Grundschule in Bentiu.
Ihre Kusine wurde bei einem Kreuzfeuer in Bentui getötet. Nyanhial Gatbel, hier mit ihrem älteren Bruder, steht noch ganz unter dem Einfluss der blutigen Kämpfe im Norden des Landes. "Wir hatten schrecklich Angst. Ein Mann auf dem Markt nahm mich und meine Familie im Auto mit ins Flüchtlingslager." Mittlerweile zurück in ihrem alten Stadtteil besucht die Siebenjährige die erste Klasse. Wie ihre Zukunft aussehen soll, weiß sie schon genau: "Wenn ich erwachsen bin, will ich Ministerin werden, damit ich den Leuten das bringen kann, was sie vermissen wie etwa Licht."
Changkuoth Bayak, 18, findet, dass genug gekämpft wurde. "Wenn wir aus Südsudan ein gutes Land machen wollen, müssen wir endlich einander vergeben. Und nur, wenn wir unsere Bürger ausbilden, wird sich unser Land auch weiter entwickeln können." Changkuoth geht in siebte Klasse der Naath Grundschule im Vertriebenenlager auf der UN-Basis von Bentui.
"Fast zwei Jahre lang bin ich wegen der Gefechte nicht zur Schule gegangen", bedauert die zwölfjährige Tabitha Nyapuop. Jetzt besucht sie eine der sieben Notschulen, die UNICEF im Lager in Bentui eingerichtet hat. "Ich will weiterlernen – anders als meine Mutter, die nicht zur Schule gegangen ist. Mein Lieblingsfach ist der Sachkundeunterricht, weil ich später Kinder unterrichten will. Ich möchte sie lehren, sich sauber und gesund zu halten, damit sie nicht krank werden."
Für eine ganze Generation von Kindern, die der Bürgerkrieg in Südsudan um ihre Kindheit bringt, bedeutet der Unterricht die einzige Chance auf eine hoffnungsvollere Zukunft. Dank der von UNICEF unterstützten Initiative "Back to learning" gehen bereits 360.000 Kinder wieder zur Schule.
Eine halbe Million Mädchen und Jungen soll noch in diesem Jahr erreicht werden.