Nepal: Die Kinder im Nach-Beben-Land, Teil 3
Sechs Monate nach den schweren Erdbeben in Nepal ist UNICEF-Geschäftsführer Christian Schneider in das kleine asiatische Land gereist und hat beeindruckende Bilder und bewegende Geschichten mitgebracht.
In dem halben Jahr nach dem ersten großen Erdbeben hat UNICEF bereits vielen Menschen und vor allem Kindern geholfen. Doch Hunderttausende leiden immer noch unter den Folgen der Katastrophe, und nun steht der Winter vor der Tür.
Lesen Sie in unserer Blog-Serie „Nepal: Die Kinder im Nach-Beben-Land“, wie sich die Menschen im Obdachlosen-Lager in Kathmandu gegenseitig helfen, wie die erste Baby-Generation nach den Beben das Licht der Welt erblickt hat und wie die starken Frauen im Bergdorf Bhirkot für ihre Kinder kämpfen.
Teil 3: Die Frauen von Bhirkot
Was 30 Dollar bewirken können
In einem Punkt stimmen hier alle lautstark überein: Als ich in die Runde der Frauen in der kleinen Siedlung Bhirkot frage, wessen Haus durch das Beben unbewohnbar wurde, gehen alle Hände in die Höhe. Die Stimmen überschlagen sich, als die Frauen berichten, wie ihre einfachen Häuser einstürzten, was alles verloren ging.
Es sind starke Frauen. Mütter, die anpacken können, die täglich enorme Lasten durch die Berge rund um Bhirkot tragen, um ihre Büffel mit frischem Gras zu versorgen. Es sind allesamt Frauen aus der Gruppe der Dalit, die Ärmsten der Armen. Und viele von ihnen sind, nicht erst seit dem Erdbeben, ganz auf sich gestellt, weil die Männer sich mindestens in Kathmandu, häufiger noch in Indien, Dubai oder weiter entfernten Orten als billige Arbeitskräfte verdingt haben.
„Die Widerstandskraft dieser Leute zu wahren und zu stärken, das ist mir besonders wichtig“, sagt Tomoo Hozumi von UNICEF. Frauen wie diese hatte der UNICEF-Leiter im Blick, als er nach dem Erdbeben ein großes Programm mit kleinen Bargeldzahlungen für die besonders schlimm von Armut und Erdbeben getroffenen Familien startete.
Eine Million Menschen rutschen weiter in die Armut ab
Bis zu eine Million Menschen, so fürchtet Tomoo Hozumi, sind durch die Katastrophe und ihre Auswirkungen noch weiter in die Armut abgerutscht, haben damit noch weniger als die zynisch dürftigen 1,25 Dollar am Tag zum Überleben.
Schnell wird in der Runde der rot gekleideten Frauen auf dem kleinen Hof deutlich, was das bedeutet. Die eine berichtet, wie sehr die Schulden drücken für das Haus, das nun unbewohnbar wurde. Eine andere sagt, dass sie bei Mäusen und Schlangen in einer Hütte übernachte. Die nächste hat bei einem der zahlreichen Bergrutsche ihren Acker und das Haus verloren. „Wir wissen nicht, was wir tun sollen. Der Winter kommt, das wird vor allem für uns Ältere und für die Kinder schwer. Wir sind verzweifelt.“
Um die Versorgung dieser Frauen zu verbessern und ihnen die Möglichkeit zu geben, selbst über ein wenig Geld zu entscheiden, hat UNICEF in einer Höhe von jeweils umgerechnet 30 Dollar Bargeld an besonders Bedürftige in der Erdbebenregion ausgegeben. Kinder aus der Dalit-Kaste gehören zu denen, die damit erreicht werden sollen, aber auch Angehörige besonders benachteiligter ethnischer Gruppen und Menschen mit Behinderungen.
Die 3.000 Rupies wurden zusammen mit einem Sozialgeld des Staates ausgezahlt. So konnte zusätzliche Bürokratie vermieden und sichergestellt werden, dass das Geld die Armen in der Erdbebenregion auch wirklich und ohne große Zusatzkosten erreicht. In Dörfern wie Bhirkot haben die Dorfvorsteher persönlich das Bargeld an die Familien ausgezahlt – gleichzeitig haben Gemeindegruppen, die Pfadfinder, lokale Medien und auch ein SMS-Dienst das Programm begleitet, unabhängige Stellen überwachen es. So ist es gelungen, bis Ende September schon 240.000 Menschen in vier Distrikten mit der Zahlung zu erreichen, in den anderen Distrikten läuft das Programm weiter.
Frauen wie Laxmi Lohar (60) und ihre Schwiegertochter Ambika (22) profitierten unmittelbar davon. Sie und ihre Nachbarinnen konnten die Lebensmittelrationen für die Kinder aufbessern – von immenser Bedeutung in diesem Land, in dem über 37 Prozent aller Kinder aufgrund chronischer Mangelernährung in ihrer Entwicklung zurückbleiben. Viele Mütter haben wie die junge Ambika einen Teil für die Kinder zurückgelegt, um auch in den nächsten, sicherlich harten Monaten ein wenig Bargeld für die Schule, für Kleidung oder andere Dinge des täglichen Bedarfs zu haben – ein kleines, aber Hoffnung spendendes Polster gegen die Verzweiflung.
Die Hilfe muss weitergehen
Sechs Monate nach der tödlichen Katastrophe, über 400 Nachbeben später, nach Monsunregen, Erdrutschen und dem verzweifelten Warten so vieler Menschen auf den Wiederaufbau ihrer Häuser sind für Tomoo Hozumi Begegnungen wie diese, mit den Frauen von Bhirkot, Ansporn, nicht nachzulassen mit seinem UNICEF-Team. „Die Widerstandskraft und der unbezwingbare Geist der Menschen in Nepal, die so enorme Herausforderungen überstanden haben, ist für uns alle Inspiration.“
Dem ist nichts hinzuzufügen. Doch, eines noch: Lassen Sie mich Ihnen herzlich dafür danken, dass Sie unsere UNICEF-Hilfe in Nepal mit ihren Spenden so großzügig unterstützen!
Ihr
Christian Schneider
Serie: Die Kinder im Nach-Beben-Land
Lesen Sie alle drei Artikel von Christian Schneiders Reise in das von Erdbeben so schwer getroffene Nepal.
» Teil 1: Besuch im Obdachlosen-Lager in Kathmandu
» Teil 3: Die Frauen von Bhirkot