Kinder weltweit

Vom Wert eines alten Fußballs: Wenn der Krieg den besten Freund tötet


von Susanne Nandelstädt

Eben noch haben zwei Jungen im Jemen zusammen auf der Straße gespielt – Augenblicke später ist einer der beiden Freunde tot. Wie geht es dem Jungen, der diese Situation erlebt und seinen besten Freund verloren hat? Und welche Bedeutung hat für ihn der Fußball, mit dem die Beiden oft spielten?

In kurzen Videos erzählen vier Kinder aus dem Jemen, was sie beschäftigt und wie sie ihr Leben im Kriegsgebiet bewältigen. Die Geschichten dieser Mädchen und Jungen haben mich sehr berührt – deshalb möchte ich sie gerne mit Ihnen teilen.

Hashims schrecklicher Verlust

Inmitten des Krieges versuchen die Kinder ihren "normalen" Alltag irgendwie weiterzuleben. Oft ist aber genau diese Normalität unmöglich, wie zum Beispiel Hashim (9 Jahre) schmerzlichst erleben musste. Wenige Minuten vor dem katastrophalen Unglück hatte er noch einen seltenen Glücksmoment genossen: Er hatte mit seinem besten Freund Fareed draußen Ball gespielt, bis Fareed ihn bat, kurz auf den Ball aufzupassen. Er wollte nur schnell zuhause etwas Wasser trinken gehen und dann mit Hashim weiterspielen. Aber Fareed kam nie zurück.

Hashim hat mit seinem besten Freund einen der wichtigsten Menschen in seinem Leben verloren – genauso wie das Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit. Mit seiner Familie ist er mehrmals innerhalb des Jemen geflohen, immer auf der Suche nach einem friedlicheren Ort. Der brutale Krieg im Jemen dauert schon seit fast vier Jahren an. Täglich werden Kinder verletzt und getötet oder sterben an vermeidbaren Krankheiten. Tausende Familien hungern.

Muhanad und seine Tauben

15 Tauben besitzt der 15-jährige Muhanad aus Sana’a. Täglich füttert er sie und gibt ihnen Wasser. Er hat sie alle ins Herz geschlossen, aber an einer der Tauben hängt er ganz besonders. Sie sei wie ein Freund für ihn, sagt er. Die Tauben sind Muhanads Hobby – und zugleich eine kleine, aber wichtige Einnahmequelle. Denn gelegentlich verkauft er eine Taube und kauft von dem Geld etwas sehr Wertvolles. Was das ist, berichtet er im Video.

Muhanad hat noch sechs Geschwister, von denen aber nur zwei zur Schule gehen können. Die Eltern können sich die Schulgebühren nicht für alle sieben Kinder leisten. Auch Muhanads Geschwister helfen mit, um die große Familie durchzubringen. Einer seiner Brüder zum Beispiel sammelt Plastikflaschen und verkauft sie, um so die Familie zu unterstützen. Für Muhanad selbst ist die Schule zu einem weit entfernten Traum geworden. Aber er hofft, dass er eines Tages zu ihr zurückkehren kann.

Ghaida: Angst ist ihr ständiger Begleiter

In der Hafenstadt Hudaida hat es in den letzten Monaten heftige Kämpfe gegeben. Die 13-jährige Ghaida ist dort aufgewachsen. Unmittelbar neben dem Haus, in dem sie wohnte, fielen immer wieder Bomben. Bei jedem Angriff hatte Ghaida Angst um ihr Leben und verkroch sich unter ihrem Bett.

Dann floh sie mit ihrer Familie nach Sana’a. Die Kämpfe sind für sie dadurch ein bisschen weiter in die Ferne gerückt – jedoch nur räumlich. Denn in Ghaidas Kopf laufen die Bilder des Kriegs immer und immer wieder ab. Vor Schock war Ghaida lange Zeit so gelähmt, dass sie sich gar nicht mehr aus dem Haus traute. Wie hat sie es geschafft, dass sie heute wieder zur Schule gehen kann? Und welche Rolle spielte ihre Mutter in dieser schweren Zeit?

Auch heute noch ist Ghaida vor Angst wie gelähmt, sobald sie das Geräusch von Schüssen hört. Sie ist nur eines der unzähligen traumatisierten Kinder im Jemen, die Flucht, Gewalt und Tod miterleben mussten. Ghaida ist es gelungen, sich aus ihrer Isolation freizukämpfen. Aber die Angst bleibt ihr ständiger Begleiter.

Mohammed: Vor verschlossenen Türen

Mohammed (10 Jahre) war voller Vorfreude, als im Oktober die Schule wieder losgehen sollte. Aber als er an der Schule ankam, gab es schlechte Nachrichten für ihn: Die Gehälter der Lehrer konnten nicht mehr gezahlt werden – und die Schule musste geschlossen bleiben. Mohammed erzählt im Video, wie er sich an diesem Tag fühlte und was er sich für seine Zukunft wünscht.

So wie Mohammed geht es über zwei Millionen Kindern im Jemen, die momentan nicht zur Schule gehen können. Durch den Krieg sind viele Schulen zerstört worden. Andere werden als Unterkünfte für Flüchtlinge genutzt. Viele Lehrer mussten sich andere Jobs suchen, für die sie auch tatsächlich bezahlt werden. Nur so können sie sich und ihre Familien ernähren.

UNICEF vermittelt Hoffnung

Mit dem Grauen, das die jemenitischen Mädchen und Jungen erlebt haben, geht jedes und jeder von ihnen anders um: Manche – wie Muhanad – wirken trotz allem erstaunlich positiv und hoffnungsvoll. Andere Kinder, zum Beispiel Ghaida, sind so traumatisiert, dass sie sich völlig in sich und ihre eigene Gefühls- und Gedankenwelt zurückziehen.

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© UNICEF/UN0262504/Abdulhaleem

Unsere Mitarbeiter im Jemen sind an der Seite der Kinder, die besonders verletzlich sind und denen die Hoffnung auf eine bessere Zukunft fehlt. Wir geben ihnen ein bisschen dieser Hoffnung zurück. Zum Beispiel, indem wir Schulen reparieren und den Kindern sichere Räume anbieten, in denen sie spielen und neue Energie auftanken können.

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UNICEF-Online-Redakteurin Susanne Nandelstädt
Autor*in Susanne Nandelstädt

Susanne Nandelstädt arbeitet als Online-Redakteurin für UNICEF. Im Blog schreibt sie über UNICEF-Projekte weltweit.