Fotoreportagen

Hoffnung für die Kinder in Bossangoa


von Gastautorin Rahel Vetsch

In diesen Tagen regnet es oft und heftig in der Zentralafrikanischen Republik. Es wird die nächsten Wochen so bleiben. Ich denke an die Kinder, die ich in den letzten Wochen kennengelernt habe. An den Matsch, die Kälte, die durchnässten Zelte, die Moskitos. Was ich brauche ist ein Funken Hoffnung. Wir fahren nach Bossangoa.

Wer sich für den Konflikt in der Zentralafrikanischen Republik interessiert, kommt um Bossangoa nicht herum. Im vergangenen September war es der traurige Schauplatz eines Massakers. Im Dezember und Januar spitzte sich die Krise weiter zu.

Zentralafrikanische Republik: Kinder in Bossangoa

Langsam kehrt Ruhe ein in Bossangoa: Die Schulen konnten wieder geöffnet werden.

© UNICEF/CAR

Wir halten kurz beim Gemeindehaus. Von der Terrasse aus überblicken wir ein großes Areal. Hier war eines von zwei Flüchtlingslagern. Auf dem Areal der Schule «Liberté» lebten rund 10.000 Menschen. In «Evêché», am anderen Ende der Stadt, waren es rund 45.000. Weitere 123.000 Menschen lebten im Busch in der Umgebung. Evêché ist heute beinahe leer, noch rund 90 Familien sind hier. Liberté wurde bereits geschlossen, die Vertriebenen wurden ab dem 29. Januar 2014 aus Sicherheitsgründen evakuiert und wohnen jetzt im Tschad. UNICEF und Partnerorganisationen organisierten mehrere Konvois, die von der Tschadischen Armee begleitet wurden. Die letzten 647 Personen verließen am 11. April ihre Heimat, um in die Ungewissheit zu ziehen. Es hat ihnen das Leben gerettet. Und einigen sicherlich auch das Herz gebrochen.

Sichtbarer Hass und Zerstörungswut

Wir fahren durch ihr ehemaliges Wohngebiet. Der Anblick, der sich uns bietet, zeugt von einem enormen Hass, von Zerstörungswut. Ziegelsteinhäuser wurden mit roher Gewalt zerstört, Ziegelstein für Ziegelstein. Leben für Leben wurde ruiniert.

Robert McCarthy begleitet uns. Er ist Nothilfe-Koordinator und verfügt über jahrelange Erfahrung in Krisengebieten. Er gehörte zu den Ersten, die kurz nach Ausbruch des Konfliktes hierhin gesandt wurden. Es gelingt ihm nicht, seine Betroffenheit zu verbergen. Das Ausmaß der Brutalität war zu groß. Während mehreren Wochen war diese Strecke die Gefährlichste. Eine Geisterstadt zwischen den beiden Flüchtlingslagern - leergefegt, umkämpft, verwüstet. Vor diesem Hintergrund erscheint die Anzahl hier stationierter Soldaten lächerlich im Vergleich zur Bevölkerung. Und doch erzielt ihre Präsenz die gewünschte Wirkung. Bossangoa wurde nicht mehr angegriffen. Dies gibt Hoffnung, im September sollen weitere Truppen in die Zentralafrikanische Republik kommen.

In den umliegenden Dörfern und im Busch fehlt diese Sicherheit noch. Die Angst sitzt weiterhin tief. Die Menschen flüchten bei Motorengeräusch und viele Dörfer scheinen ausgestorben zu sein.

Mit der Sicherheit kommt der Fortschritt

Dank der zurückkehrenden Ruhe sind die Fortschritte groß. Die Schulen konnten wieder geöffnet werden. UNICEF verteilte Hefte und Stifte und baute Latrinen. Eine Partnerorganisation kocht den Kindern jeweils ein warmes Mittagessen – hier noch immer keine Selbstverständlichkeit. Auch wenn noch nicht für alle Schulzimmer Stühle, Bänke und Wandtafeln gekauft werden konnten, das Leben ist zurückgekehrt. Die Schüler lernen lesen, rechnen und schreiben. Vor wenigen Monaten noch undenkbar.

Zentralafrikanische Republik: Schule in Bossangoa

Kinder in einer Schule in Bossangoa.

© UNICEF/CAR

Wir fahren über einen Fluss, vorbei am Haus eines Rebellenführers, der wenige Tage vorher getötet wurde, vorbei an einem renovierten Gesundheitszentrum. Was uns erwartet ist Geschrei, Gesang, Klatschen, Lachen. Endlich. Die von UNICEF unterstützte kinderfreundliche Zone in Bossangoa bietet den Kindern einen geschützten Rahmen zum Spielen. Kinder dürfen hier einfach Kinder sein. Es erscheint mir wie eine fremde Welt. Weg von Krankheit, Armut, Kinderarbeit. Hinein in eine faszinierende Welt von Knetmasse, Farbstiften, Holzklötzen und Bällen.

Für einige Stunden einfach Kind sein

Die Kinder haben eines gemeinsam: Angst und Gewalt haben wochenlang ihren Alltag geprägt. Viele haben Eltern oder Geschwister verloren, haben gesehen, wie die Mutter vergewaltigt wurde, der Vater verstümmelt. Wild gemischt sitzen sie hier, jedes Kind hat seine eigene Geschichte. Auch von ihren Familien getrennte Kinder und ehemalige Kindersoldaten sind unter ihnen.

Zentralafrikanische Republik: Kinderfreundliche Zone

Für einige Stunden einfach Kind sein: Kinder spielen in einer kindefreundlichen Zone.

© UNICEF/CAR

Ich setzte mich zur einer Gruppe, welche mit Knetmasse spielt. Die Figuren reichen von einem kaum erkennbaren Irgendetwas bis zum Handy mit Antenne und Tasten. Es gibt viele Helikopter, auch Waffen sind zu erkennen.

Traumatisiert von den Ereignissen brauchen einige Kinder Zeit, um wieder spielen zu können. Viele Eltern waren aber überrascht, wie schnell die Lebensfreude in ihr Haus zurückkehrte. Leider fehlen auch hier die finanziellen Ressourcen, um mehrere kinderfreundliche Zonen gleichzeitig zu führen. Deshalb wurde in den umliegenden Dörfern ein Rotationsmodus eingeführt, um möglichst vielen Kindern einige Stunden Freude zu ermöglichen.

Z wie Zerstörung und Zukunft

Bossangoa ist gleichzeitig der Inbegriff für rohe Gewalt, Massaker, Verstümmelungen aber auch für Hoffnung, Fortschritt, Zukunft. Für mich ist es ein Beispiel von Menschen, die das Schlimmste erlebt haben und nun nach vorne blicken.

Helfen auch Sie!

Unterstützen Sie unsere Hilfe in der Zentralafrikanischen Republik und schützen Sie die Kinder vor Gewalt und Krankheit - vielen Dank!

Rahel Vetsch
Autor*in Rahel Vetsch

Rahel Vetsch arbeitet bei UNICEF Schweiz. Seit Ende Juni ist sie in der Zentralafrikanischen Republik und unterstützt dort die UNICEF-Kommunikationsabteilung.