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WHO und UNICEF: Stärkster anhaltender Rückgang bei weltweiten Routineimpfungen in drei Jahrzehnten

Rund 25 Millionen Kinder weltweit verpassten 2021 lebensrettende Impfungen

Genf/New York/Köln

Im vergangenen Jahr wurde der stärkste anhaltende Rückgang von Routineimpfungen bei Kindern in 30 Jahren verzeichnet. Dies zeigen aktuelle Erhebungen von UNICEF und der Weltgesundheitsorganisation (WHO).

Myanmar: Kind sitzt im Schoß seiner Mutter und wird geimpft.

Ein Kind in Myanmar erhält eine Impfung.

© UNICEF/UNI218090/Oo

Zwischen 2019 und 2021 sank der Anteil der geimpften Kinder von 86 auf 81 Prozent. Gemessen wird die Impfrate an der Zahl der Kinder, die alle drei Impfungen des Kombinationsimpfstoffes gegen Diphtherie, Tetanus und Keuchhusten (DTP-3) erhielten.

Laut den aktuellen Zahlen haben im vergangenen Jahr 25 Millionen Kinder mindestens eine oder mehrere Impfungen gegen Diphtherie, Tetanus und Keuchhusten verpasst – zwei Millionen mehr als 2020 und sechs Millionen mehr als 2019. Dadurch sind mehr Kinder durch vermeidbare Infektionskrankheiten gefährdet. Der Rückgang der weltweiten Impfquote lässt sich auf verschiedene Faktoren zurückführen. Dazu gehört, dass immer mehr Kinder in Konflikt- und Krisengebieten leben, in denen der Zugang zu Impfungen häufig schwierig ist. Weitere Gründe sind Fehlinformationen über Impfungen sowie die pandemiebedingten Unterbrechungen von Impfprogrammen und Lieferketten. Darüber hinaus wurden im Kampf gegen Covid-19 Mittel für den Zugang zu Impfungen anderweitig eingesetzt bzw. deren Verfügbarkeit eingeschränkt.

"Dies ist ein Alarmsignal für die Gesundheit von Kindern. Wir erleben den stärksten anhaltenden Rückgang von Routine-Impfungen bei Kindern in einer ganzen Generation. Die Folgen werden in Leben gemessen werden", sagte UNICEF-Exekutivdirektorin Catherine Russell. „Ein Rückgang war angesichts der pandemiebedingten Unterbrechungen und -Einschränkungen zu erwarten, aber jetzt zeigt sich, dass dieser Rückgang anhält. Die Covid-19-Pandemie darf keine Ausrede sein. Wir müssen die verpassten Impfungen für Millionen Kinder nachholen, oder wir werden unweigerlich mehr Krankheitsausbrüche, mehr kranke Kinder und einen größeren Druck auf die bereits überlasteten Gesundheitssysteme erleben."

18 Millionen der 25 Millionen Kinder erhielten im vergangenen Jahr nicht einmal die erste Dosis des DTP-Impfstoffs gegen Diphtherie, Tetanus und Keuchhusten. Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen wie Indien, Nigeria, Indonesien, Äthiopien und die Philippinen verzeichnen die höchste Zahl der nicht geimpften Kinder. Myanmar und Mosambik verzeichnen dabei den größten relativen Anstieg.

Auch der Anteil der Kinder, die gegen humane Papillomviren (HPV) geimpft wurden, ging im vergangenen Jahr im Vergleich zu 2019 um mehr als ein Viertel zurück, mit schwerwiegenden Folgen für die Gesundheit von Frauen und Mädchen. Der weltweite Anteil der Mädchen und Frauen, die mindestens eine Dosis des HPV-Impfstoffs erhielten, beträgt nur 15 Prozent.

Es bestand die Hoffnung, dass die weltweite Impfquote von Kindern 2021 wieder zunehmen würde, wenn sich die überlasteten Impfprogramme wieder erholen und die im Jahr 2020 verpassten Impfungen nachgeholt werden würden. Stattdessen sank die DTP-3-Durchimpfungsrate auf den niedrigsten Stand seit 2008. Neben dem Rückgang anderer Impfungen bedeutet dies, dass die Welt weit davon entfernt ist, seine globalen Impfziele zu erreichen, einschließlich der in den nachhaltigen Entwicklungszielen (SDGs) festgelegten Ziele.

Akute Mangelernährung und Impflücken bringen Kinder in Gefahr

Gleichzeitig steigt weltweit die Zahl schwer akut mangelernährter Kinder, deren Immunsystem bereits geschwächt ist. Verpasste Impfungen können dazu führen, dass Kinderkrankheiten für sie schnell tödlich enden. Das Zusammentreffen einer Hungerkrise mit einer wachsenden Impflücke bringt das Leben vieler Kinder in Gefahr.

Die Durchimpfungsrate ging in allen Weltregionen zurück, wobei Ostasien und die Pazifik-Region mit einem Rückgang von neun Prozentpunkten in nur zwei Jahren den stärksten Rückgang der DTP-3-Durchimpfung verzeichnet.

"Die Vorbeugung und Bekämpfung von Covid-19 sollte Hand in Hand mit der Impfung gegen tödliche Krankheiten wie Masern, Lungenentzündung und Durchfall gehen", sagte Dr. Tedros Adhanom Ghebreyesus, Generaldirektor der WHO. "Es ist keine Frage des Entweder-Oder, sondern es ist möglich, beides zu tun".

In einigen Ländern konnte der Rückgang der Impfraten aufgehalten werden. Uganda beispielsweise konnte seine hohe Impfrate bei Routineimpfungen aufrechterhalten und gleichzeitig ein gezieltes Impfprogramm zum Schutz besonders gefährdeter Menschen gegen Covid-19 umsetzen, einschließlich des Gesundheitspersonals. Auch Pakistan erreichte dank des Engagements der Regierung auf höchster Ebene sowie Aufholimpfungen wieder die Impfrate von vor der Pandemie. Dass dies inmitten einer Pandemie gelang, als die Gesundheitssysteme und das Gesundheitspersonal unter erheblichem Druck standen, verdient Beifall.

Es drohen vermeidbare Krankheitsausbrüche

Um eine flächendeckende Durchimpfung zu erreichen und Krankheitsausbrüche zu verhindern, bedarf es großer Anstrengungen. Unzureichende Durchimpfungsraten haben in den vergangenen zwölf Monaten bereits zu vermeidbaren Ausbrüchen von Masern und Polio geführt.

Der Anteil der Kinder, die die erste Impfung gegen Masern erhielten, sank 2021 auf 81 Prozent – der niedrigste Stand seit 2008. Rund 24,7 Millionen Kinder verpassten somit im vergangenen Jahr ihre erste Erstimpfung gegen Masern – 5,3 Millionen mehr als 2019. Weitere 14,7 Millionen erhielten nicht die die notwendige zweite Dosis. Ebenso verpassten im Vergleich zu 2019 6,7 Millionen mehr Kinder die dritte Dosis der Impfung gegen Polio und 3,5 Millionen die erste Dosis der Impfung gegen HPV.

Der drastische Rückgang in den letzten zwei Jahren folgt auf ein Jahrzehnt, in dem Impfraten stagnierten. Er verdeutlicht, wie wichtig es ist, nicht nur die pandemiebedingten Unterbrechungen, sondern auch grundsätzliche Herausforderungen bei Impfungen anzugehen, um alle Kinder und jungen Menschen zu schützen.

UNICEF und WHO arbeiten mit der Impfallianz Gavi und weiteren Partnern zusammen, um die ehrgeizigen Ziele der globalen Impfagenda 2030 (IA2030) zu erreichen.

"Es ist erschütternd, dass zum zweiten Jahr in Folge immer weniger Kinder vor vermeidbaren Krankheiten geschützt werden. Die Priorität der Impfallianz muss darin bestehen, die Länder bei der Aufrechterhaltung, Wiederherstellung und Stärkung von Routineimpfungen sowie bei der Durchführung der ehrgeizigen Covid-19-Impfpläne zu unterstützen, und zwar nicht nur durch Impfungen, sondern auch durch eine strukturelle Unterstützung der Gesundheitssysteme", sagte Dr. Seth Berkley, CEO von Gavi.

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Christine Kahmann

Christine KahmannSprecherin - Nothilfe

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