Welt-Flüchtlingstag: Jeder zweite Flüchtling ist ein Kind
Neuer Bericht zur Situation syrischer Flüchtlingskinder in Jordanien
Fast jeder zweite Flüchtling weltweit (46 Prozent) ist ein Kind oder Jugendlicher unter 18 Jahren. Darauf weist UNICEF Deutschland zum Weltflüchtlingstag am 20. Juni hin. Laut dem aktuellen „Global Trends“-Report des UN-Flüchtlingshilfswerks sind seit 1994 nicht mehr so viele Menschen aus ihrer Heimat geflohen oder vertrieben worden. Besonders besorgt ist UNICEF, dass weltweit immer mehr unbegleitete Kinder und Jugendliche in Asylverfahren registriert werden. 2012 waren es 21.300 Minderjährige, ein neuer Höchststand. Hauptursachen für Flucht und Vertreibung sind Kriege und bewaffnete Konflikte – wie zum Beispiel aktuell in Syrien.
Anlässlich des Weltflüchtlingstages weist UNICEF auf die enormen Belastungen hin, denen syrische Kinder und Frauen auf der Flucht ausgesetzt sind. Einer neuen Untersuchung von UNICEF Jordanien („Shattered Lives“) zufolge sind die Probleme sowohl im Za’atari-Flüchtlingscamp als auch in den jordanischen Gastgemeinden groß. Mehr als 1,6 Millionen Syrer sind bereits in die Nachbarländer geflohen, davon rund 475.000 allein nach Jordanien. 53 Prozent von ihnen Kinder und Jugendliche unter 18.
Flüchtlinge in Camps und Gastgemeinden
In Za’atari, einer Zeltstadt in der Wüste mit geschätzten 150.000 Flüchtlingen, leiden die Menschen unter beengten Wohnverhältnissen und schlechten hygienischen Bedingungen. Unter Kindern und Jugendlichen sorgen traumatische Erlebnisse, fehlende Beschäftigung und Hoffnungslosigkeit für Frust und Aggression. Mädchen und Frauen haben Angst vor sexueller Belästigung und trauen sich häufig nachts nicht in die Waschräume. Es gibt Berichte darüber, dass Mädchen jung verheiratet und Jungen für den Kampf in Syrien rekrutiert werden. Viele Eltern fühlen sich mit der Situation überfordert. Häusliche Gewalt nimmt zu – genauso wie Vandalismus und Kriminalität.
Auch in den jordanischen Gastgemeinden, die die größte Last der Flüchtlinge zu tragen haben, kommt es zunehmend zu Spannungen, zum Beispiel wegen begrenzter Wasservorräte. Viele syrische Flüchtlingskinder müssen arbeiten, um zu überleben. Im jordanischen Ort Ghor müssen beispielsweise 44 Prozent der syrischen Kinder auf Farmen mithelfen, anstatt in den Kindergarten oder die Schule zu gehen. Oft arbeitet die ganze Familie auf den Feldern im Austausch gegen Unterkunft und Verpflegung. UNICEF hat im Za’atari-Camp zwar Notschulen eingerichtet und unterstützt die Einschulung von syrischen Kindern in jordanischen Schulen. Trotzdem besucht die Mehrzahl der Flüchtlingskinder im Lager und in den Gastgemeinden nicht die Schule. Dazu kommen psychosoziale Probleme wie Trauer, Angst, Depression, Aggression, Sorge über die ungewisse Zukunft und ein Gefühl der Fremdheit im Exil.
So hilft UNICEF
UNICEF setzt alles daran, um die schwierige Situation der Flüchtlinge zu verbessern. So versorgt UNICEF die Menschen mit sauberem Trinkwasser, führt große Impfkampagnen durch, kümmert sich um unbegleitete Kinder und organisiert Unterricht und Spielangebote.
Die Angebote für Jugendliche, zum Beispiel Sport- und Freizeitaktivitäten und berufsvorbereitende Kurse, sollen ausgeweitet werden. UNICEF arbeitet in Syrien und den von der Krise betroffenen Nachbarländern Jordanien, Libanon, Irak und Türkei - erfahren Sie mehr.
Stimmen von geflüchteten syrischen Eltern und Kindern
„Am Telefon hat mir mein Sohn immer gesagt, dass es ihm gut geht, aber ich wusste, es stimmt nicht. Manchmal habe ich im Hintergrund Bomben gehört, dann hat er den Hörer fallen lassen und Schutz gesucht. Ich hatte solche Angst, als mein Sohn noch in Syrien war.“
Mutter, jetzt im jordanischen Mafraq mit ihrem 17-jährigen Sohn wiedervereint
„Ich habe den anderen Mädchen gesagt, dass sie auch in die Camp-Schule gehen sollen, sonst verlieren sie ein Schuljahr. Ein paar haben sich angemeldet, aber sie gehen nicht mehr zum Unterricht. Sie sagen, sie werden in die Schule gehen, wenn sie wieder zu Hause in Syrien sind. Ich sage: Was ist, wenn wir noch sehr lange hier bleiben müssen?“
13-jähriges Mädchen im Za’atari Camp
„Ich kann mit meiner Mutter nicht über alles sprechen. Sie weint die ganze Zeit. Drei von meinen älteren Schwestern sind in Syrien, sie sind ganz allein. Unser Vater ist tot, und mein Bruder kämpft auf der Seite der Opposition.“
11-jähriges Mädchen in Amman
„Ich komme mit meinen Kindern nicht mehr zurecht. Unsere Routine ist zerstört. Wir essen nicht mehr zusammen und es gibt kein Abendritual mehr. Mein älterer Sohn hört nicht mehr auf mich. Er verbringt viel Zeit mit den anderen Jungs und lernt Schimpfwörter und schlechte Manieren. Vorher war er nicht so aggressiv.“
Vater von fünf Kindern im Za’atari Camp