UNICEF: Viele Hausaufgaben für Deutschland in Sachen Kinderrechte
Deutsche Regierung nimmt heute und morgen vor UN-Ausschuss in Genf Stellung zur Umsetzung der Kinderrechte in Deutschland
Köln/ Berlin/ Genf, 5. September 2022
Zur heute in Genf beginnenden Anhörung Deutschlands vor dem UN-Kinderrechtsausschuss mahnt UNICEF Deutschland, dass Kinder und Jugendliche noch stärker ins Zentrum der Politik gerückt werden müssen.
„Gerade in schwierigen Zeiten zeigt sich, wie kinderfreundlich Deutschland wirklich ist: Die langen Schul- und Kita-Schließungen während der Corona-Pandemie führten eindringlich vor Augen, dass die Interessen von Kindern und Jugendlichen häufig zurückgestellt werden“, sagte Dr. Sebastian Sedlmayr, Abteilungsleiter Advocacy und Politik bei UNICEF Deutschland, der am UN-Kinderrechtsausschuss in Genf als Beobachter teilnimmt. „Es gibt viele einzelne gute Ansätze, um die Situation von Kindern und Jugendlichen in Deutschland zu verbessern. Die junge Generation bräuchte aber gerade angesichts der anstehenden sozialen und ökonomischen Probleme eine viel stärkere Rückendeckung von der Politik.“
Die heute beginnende Anhörung vor dem Kinderrechtsausschuss der Vereinten Nationen in Genf ist das erste Mal seit 2014, dass Deutschland im Rahmen des sogenannten Staatendialogs vor den Kinderrechtsexpert*innen der UNO Stellung nimmt. Diese stellen kritische Nachfragen zum 2019 von der Bundesregierung vorgelegten Staatenbericht und zu den schriftlichen Antworten der Regierung auf Fragen des Ausschusses („List of Issues“). Dazu gehören zum Beispiel Fragen zu Armut und Teilhabechancen, Gewaltschutz, Bildung, die Lage geflüchteter Kinder und den Beteiligungsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche. Verschiedene zivilgesellschaftliche Organisationen haben Alternativberichte veröffentlicht.
Kinderrechte in Deutschland: Viel erreicht und noch mehr vorgenommen
Nach Einschätzung von UNICEF gab es seit der letzten Anhörung vor acht Jahren eine Reihe von politischen Maßnahmen in Deutschland, um den Kinderrechten mehr Nachdruck zu verleihen. Zum Beispiel hat die Bundesregierung 2015 eine Monitoringstelle für Kinderrechte am Deutschen Institut für Menschenrechte eingerichtet, die die Umsetzung beobachtet und Empfehlungen gibt. Wichtig ist, dass diese Monitoringstelle ausgebaut und verstetigt wird.
Weitere wichtige Schritte waren das Kinder-und Jugendstärkungsgesetz von 2021, das unter anderem mehr Partizipation und Inklusion in der Kinder-und Jugendhilfe bewirkt, sowie die Reform des Kinder- und Jugendmedienschutzes mit der Änderung des Jugendschutzgesetzes 2021.
Auf Landesebene haben inzwischen fast alle Bundesländer die Kinderrechte in ihren Landesverfassungen verankert. Außerdem haben Brandenburg, Sachsen und Hessen seit 2014 Kinderbeauftragte eingerichtet und Nordrhein-Westfalen plant eine solche Stelle. Auch auf kommunaler Ebene hat sich in den vergangenen Jahren viel bewegt, zum Beispiel haben sich zahlreiche Städte und Gemeinden der Initiative Kinderfreundliche Kommunen von UNICEF und Deutschem Kinderhilfswerk angeschlossen.
„Die neue Bundesregierung hat sich für Kinder, Jugendliche und Familien viel vorgenommen. Wir ermutigen Bund, Länder und Kommunen, die Umsetzung der Kinderrechte weiter gemeinsam voranzutreiben. Die Empfehlungen des UN-Kinderrechtsausschusses geben dazu hilfreiche Impulse. In der Corona Pandemie und jetzt unter den wirtschaftlichen Problemen haben die Kinder besonders zu leiden, die bereits vorher benachteiligt waren. Sie müssen jetzt besonders gestärkt werden“, so Dr. Sebastian Sedlmayr.
Der UN-Kinderrechtsausschuss wird nach den Beratungen im Genf voraussichtlich Ende September Empfehlungen („concluding observations“) für die Umsetzung der Kinderrechte durch die deutsche Politik abgeben.
Forderungen von UNICEF Deutschland
Aus Sicht von UNICEF Deutschland sind folgende politischen Maßnahmen dringend erforderlich:
- Die Aufnahme der Kinderrechte ins Grundgesetz
- eine bessere Datenlage zur Situation von Kindern und Jugendlichen
- eine übergreifende Kinderrechtsstrategie
- die systematische Beteiligung von Kindern und Jugendliche in politischen Entscheidungsverfahren
- eine wirkungsvolle Bekämpfung der Kinderarmut
- die Sicherung der Teilhabe und Bildungschancen für alle Kinder, auch für geflüchtete.
Deutschland hat die UN-Kinderrechtskonvention vor genau 30 Jahren ratifiziert und sich damit verpflichtet, sie umzusetzen und über Fortschritte und Vorhaben regelmäßig zu berichten.
Service für Redaktionen
Das Anhörungsverfahren in Genf am Montag, 5. September 2022, von 15 bis 18 Uhr und Dienstag, 6. September 2022, von 10 bis 13 Uhr ist öffentlich und wird im Internet live übertragen. Das Video der Sitzung wird dort auch gespeichert.
Weitere Informationen zum Stand der Kinderrechte in Deutschland finden Sie auf der Seite des UN-Kinderrechtsausschusses oder im aktuellen UNICEF-Bericht zum 30-Jährigen Jubiläum der Konvention in Deutschland.
UNICEF ist in der UN-Kinderrechtskonvention ausdrücklich als Organisation genannt, die die Umsetzung unterstützt. In Deutschland setzt sich das Deutsche Komitee für UNICEF für die Umsetzung der Kinderrechte ein.
Dr. Sebastian Sedlmayr, Abteilungsleiter Advocacy und Politik, steht gerne für Interviews und Hintergrundgespräche zur Verfügung.
Bei Interesse wenden Sie sich bitte an die UNICEF Pressestelle:
Ninja CharbonneauSprecherin