© UNICEF/UN0646075/BushaG7-Gipfel: Mann trägt sein Kind auf den Schultern
Gut zu wissen

Warum ist der G7 2022 so wichtig für Kinder?

In diesem Jahr hat Deutschland den Vorsitz der G7 übernommen. Das Programm des diesjährigen Gipfels lautet „Fortschritt für eine gerechte Welt“. Wie wichtig ist dieses Ziel für Kinder, worum geht es beim G7-Gipfel im Juni und worauf kommt es UNICEF an? Wir klären die wichtigsten Fragen rund um den G7-Prozess.


von Susanne Hassel Autorin und Jenifer Stolz

Die Covid-19-Pandemie, Klimawandel und Konflikte haben weitreichende Folgen, die bereits in fast allen Teilen der Welt zu einer sich zuspitzenden Verschlechterung der Situation von Kindern und Familien führen. Der Krieg in der Ukraine verschärft diese Entwicklung sowohl für Kinder in der Ukraine aber auch weltweit dramatisch, wie sich zum Beispiel durch die sich aktuell ausweitende Ernährungskrise zeigt. Kinder, und hierbei die ärmsten und ohnehin schon stark benachteiligten, sind davon am stärksten betroffen.

Doch welchen Beitrag können die G7 leisten, um die aktuellen Krisen abzuschwächen und zu beenden? Und vor allem: was muss getan werden, um dafür zu sorgen, dass so schwerwiegende Krisen zukünftig besser abgefedert oder sogar verhindert werden können? Wir geben in unserem Blog einen kurzen Überblick zu den wichtigsten Fragen zum diesjährigen G7-Prozess unter deutschem Vorsitz.

G7-Gipfel 2022: Coronapandemie verschärft globale Bildungskrise

Die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Schulschließungen haben die globale Bildungskrise noch verschärft.

© UNICEF/UN0606898/Panjwani

Was ist der G7-Prozess?

Die „Gruppe der Sieben“ (G7) ist ein informelles Forum einflussreicher Industrienationen, die 1975 zum ersten Mal in der Form zusammenkamen. Der G7 gehören Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Kanada und die USA an. Außerdem ist die Europäische Union bei allen Treffen vertreten. Beim Vorsitz wechseln sich die G7-Staaten ab. 2022 hat die deutsche Bundesregierung den Vorsitz. Jedes Jahr kommen die G7 zu einem Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs zusammen, der in diesem Jahr vom 26. bis 28. Juni in Bayern stattfindet. Der Gipfel selbst ist jedoch nur der Höhepunkt. Während des ganzen Jahres finden zahlreiche weitere Treffen und Konferenzen der G7-Fachminister*innen statt, die sich zu einzelnen Themen austauschen und wichtige Beschlüsse vorbereiten.

G7-Gipfel 2022: Klimakrise Überschwemmungen im Südsudan

Die Klimakrise hat bereits jetzt dramatische Auswirkungen auf Kinder im Südsudan. Heftige Überschwemmungen haben weite Teile des Landes verwüstet.

© UNICEF/UN0594302/Naftalin

Was hat sich die Bundesregierung für die G7-Präsidentschaft vorgenommen und geht es auch um Kinder?

Der Titel des Programms der deutschen G7-Präsidentschaft lautet dieses Jahr „Fortschritt für eine gerechte Welt“ – ein großes Vorhaben angesichts der weltweiten Krisensituationen. Die fünf großen Ziele der deutschen G7-Präsidentschaft sind:

  • starke Allianzen für einen nachhaltigen Planeten
  • Weichenstellung für wirtschaftliche Stabilität und Transformation,
  • starke Vorsorge für ein gesundes Leben,
  • nachhaltige Investitionen in eine bessere Zukunft und
  • gemeinsamer Einsatz für ein starkes Miteinander.

Obwohl Kinder rund ein Drittel der Weltbevölkerung ausmachen, stehen sie auch dieses Jahr nicht im Fokus des Programms der G7-Länder. Doch alle Themen, die im Rahmen des G7 Prozesses (das heißt dem Gipfel selbst und zahlreichen damit zusammenhängenden Treffen) besprochen werden, betreffen auch Kinder. Die Entscheidungen der G7 haben massive Auswirkungen auf ihr heutiges Leben und ihre Zukunft.

G7-Gipfel 2022 Kindersterblichkeit durch Mangelernährung in Afrika

Am Horn von Afrika droht derzeit eine drastische Zunahme der Kindersterblichkeit. Allein in Somalia benötigen schätzungsweise 386.000 schwer akut mangelernährte Kinder dringend eine Behandlung.

© UNICEF/UN0591087/Taxta

Wie können die Entscheidungen der G7 das Leben und die Zukunft von Kindern beeinflussen?

Die G7 repräsentieren nur einen kleinsten Teil der Länder weltweit. Sie können aber dennoch wichtige Impulse setzen und sich zu Initiativen und Investitionen verpflichten, die zentrale Weichen stellen, um die nachhaltigen Entwicklungsziele zu erreichen. Das ist gerade in diesem Jahr vor dem Hintergrund der sich zuspitzenden Krisen besonders entscheidend und kann und muss ganz akut das Leben von Millionen Kindern retten. Schon vor dem Krieg in der Ukraine ging UNICEF beispielsweise von 525,8 Millionen Kindern aus, die 2022 weltweit humanitäre Hilfe benötigen.

Die G7 können mit ihren Entscheidungen aber auch dazu beitragen, dass die drastischen Auswirkungen des Klimawandels, der Covid-19-Pandemie und der weltweiten Konflikte abgefedert werden und solchen Krisen zukünftig präventiv begegnet werden kann.

Die aktuell sich verschärfende Ernährungskrise in vielen Regionen der Welt ist ein dramatisches Beispiel für die Zuspitzung der Auswirkungen verschiedener Krisen, die in einigen Ländern der Welt zusammentreffen. Kinder in Regionen wie dem Horn von Afrika, der Sahelzone, Afghanistan oder Jemen waren schon lange in steigendem Ausmaß von Mangel- und Unterernährung in Folge von jahrelangen Konflikten, Klimaschocks, Dürren und den wirtschaftlichen Auswirkungen von Covid-19 und steigender Armut betroffen.
Der Krieg in der Ukraine hat jedoch zusätzlich Lieferketten und die Nahrungsmittelproduktion unterbrochen, was zu einer Verschärfung der bereits stark gestiegenen weltweiten Lebensmittelpreise geführt hat – mit schweren und sogar tödlichen Auswirkungen auf die Mangelernährung der bereits vulnerabelsten Kinder. Gleichzeitig wird der Preis für dringend benötigte therapeutische Zusatznahrung voraussichtlich um 16 Prozent steigen, wodurch rund 600.000 weitere Kinder, die hierauf angewiesen sind, keinen Zugang zu lebensrettender Behandlung gegen akute Mangelernährung haben könnten.

G7-Gipfel: Routineimpfungen in Venezuela

Kinder wie Karla Flores (7) aus Venezuela müssen Zugang zu Routineimpfungen haben.

© UNICEF/UN0517742/Poveda

Was fordert UNICEF konkret?

UNICEF ruft die G7-Staaten dringend dazu auf gemeinsam mit Partnern und der internationalen Gemeinschaft, Maßnahmen anzustoßen und umzusetzen, die sowohl wirkungsvoll auf die akuten humanitären Notsituationen weltweit reagieren als auch langfristig die Resilienz von Kindern und Gesellschaften stärken.

Hier die wichtigsten Forderungen im Überblick:

Die G7-Regierungen müssen sich verpflichten,

1) ganz konkret eine gerechte und prinzipiengeleitete humanitäre Hilfe zu stärken, die sich an den Bedarfen der schutzbedürftigsten Bevölkerungsgruppen weltweit orientiert und es den Akteuren der humanitären Hilfe ermöglicht, schnell, flexibel und vorausschauend auf akute Notsituationen zu reagieren.

2) der sich zuspitzenden Ernährungskrise weltweit schnell, aber auch vorausschauend und nachhaltig zu begegnen, zum Beispiel durch die Stärkung und auch Ausweitung der von Deutschland geplanten „Global Alliance for Food Security“. Die internationale Gemeinschaft muss sowohl im Hinblick auf die akute Krisensituation, aber auch im Hinblick auf die nachhaltige Stärkung der Ernährungs- und Gesundheitssysteme weltweit handlungsfähig zu sein.

3) sich sowohl durch ehrgeizige Emissionsreduzierungen, als auch durch zielgerichtete Klimaanpassungsmaßnahmen ambitionierter für Kinder und Familien einzusetzen, die von den Auswirkungen des Klimawandels am stärksten betroffen sind und betroffen sein werden. Investitionen in die Resilienz von Kindern sind die beste Investition in die Zukunft und einen nachhaltigen Planeten.

4) im Rahmen des Schwerpunkts für verstärkte globale Gesundheitsbemühungen, die Gesundheit von Kindern in den Mittelpunkt zu stellen. Hierzu gehören unter anderem verbindliche Verpflichtungen für den beschleunigten Zugang zu Routineimpfungen für Kinder sowie auch ein stärkerer Fokus auf dringend notwendige Investitionen in die psychische Gesundheit von Kindern.

5) mehr zielgerichtetes Engagement bei der Bewältigung der globalen Bildungskrise zu zeigen, beispielsweise durch die Konzentration auf die Bildung von Mädchen, der umfassenden Stärkung resilienter und inklusiver Bildungssysteme und der Verbesserung der Lernsituation, insbesondere nach den massiven Einschnitten durch Covid-19. Auch hier müssen vorausschauende Maßnahmen, die zukünftige Krisen und Schocks besser abfedern können, stärker in den Mittelpunkt rücken.

Hier alle Forderungen im Detail


G7-Gipfel: Umarmung vor zerstörtem Haus Ukraine

Olena (43) aus der Ukraine hält ihren Sohn Mikhailo (9) vor ihrem zerstörten Haus fest in den Armen. Die beiden waren durch den Krieg einen Monat getrennt.

© UNICEF/UN0632758/Gilbertson VII Photo

Welche Rolle spielt der Krieg in der Ukraine beim G7-Gipfel?

Der Krieg in der Ukraine wird und muss ein zentrales Thema des G7-Gipfels im Juni sein, da er nicht nur verheerende Folgen im Land und in den Nachbarländern, sondern auch massive weltweite Auswirkungen hat – vor allem auch für Kinder. Nach 100 Tagen Krieg benötigen drei Millionen Kinder in der Ukraine Humanitäre Hilfe, acht Millionen Menschen sind binnenvertrieben und über 5,9 Millionen Menschen aus der Ukraine geflohen. Rund zwei von drei Mädchen und Jungen wurden wegen der Kämpfe aus ihrem Zuhause vertrieben.

Das Ausmaß und das Tempo der Verschlechterung der humanitären Situation in der Ukraine, in den Nachbarländern und die weltweiten Folgen zeigen, dass ein gemeinsames internationales Handeln notwendig ist. Dabei geht es um die schnelle Hilfe, aber auch um langfristige Lösungen für Kinder, die dafür sorgen, dass sie wieder ins Leben zurückfinden können und langfristig geschützt und gefördert werden.

Gleichzeitig werden bestehende Herausforderungen in Folge des Klimawandels, der Covid-19 Pandemie und weiterer Krisen durch den Krieg in der Ukraine verschärft. Diese Krisen und Konflikte dürfen nicht aus dem Blick geraten und an Aufmerksamkeit verlieren. Die G7-Regierungen müssen daher ihrer Verantwortung nachkommen, sowohl klare Signale der Unterstützung an die ukrainische Bevölkerung zu senden als auch gleichzeitig konkrete und ambitionierte Verpflichtungen einzugehen, um die enormen Auswirkungen von Covid-19, dem Klimawandel und auch in anderen Regionen der Welt andauernden Konflikten zu begegnen.

G7-Gipfel: Ausgrenzung von Kindern mit Behinderung

15 Prozent der Weltbevölkerung – mindestens eine Milliarde Menschen – haben eine Form von Behinderung. Fast 240 Millionen von ihnen sind Kinder. Sie werden in vielen Lebensbereichen nach wie vor stark ausgegrenzt.

© UNICEF/UN0592190/

Was erwartet UNICEF vom Ausgang des G7-Gipfels?

UNICEF appelliert eindringlich an die G7-Regierungen die Chancen nicht verstreichen zu lassen, noch rechtzeitig zu handeln, um das Leben von Millionen von Kinder weltweit zu retten und sich gleichzeitig für eine sichere, gerechte und nachhaltige Zukunft für jedes Kind einzusetzen. Dabei muss es darum gehen, alle Kinder zu erreichen, einschließlich Mädchen, Kinder mit Behinderungen und Kinder auf der Flucht.


Die G7-Regierungen können hierzu im Juni 2022 die Weichen stellen und dafür sorgen, dass wichtige Initiativen und Investitionen auf den Weg gebracht werden. Im Rahmen weiterer zentraler internationaler Konferenzen und Gipfel in diesem Jahr, wie der UN-Generalversammlung einschließlich einer großen Bildungskonferenz im September, dem World Health Summit im Oktober oder auch der globalen Klimakonferenz im November, können und müssen weitere konkrete Verpflichtungen und Umsetzungserfolge folgen. Die G7 haben die Verantwortung, sich ambitioniert für Kinderrechte einzusetzen und somit wichtige Impulse für so dringend notwendiges Engagement für Kinder in diesen Krisenzeiten zu setzen – dies fängt auf der internationalen Bühne an und muss zeitnah bis zur lokalen Ebene für jedes Kind spürbar sein.

Susanne Hassel, UNICEF Deutschland
Autor*in Susanne Hassel

Susanne Hassel berichtet aus der politischen Kinderrechtsarbeit von UNICEF − vom Termin mit Abgeordneten bis zum Treffen mit internationalen Experten.