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Mohammeds Geschichte oder Hoffnung ist stärker


von Ninja Charbonneau

Jede syrische Familie hat eine eigene Geschichte zu erzählen.

Die von Mohammed (12) und seinen Eltern ist eine Geschichte von Schmerzen, Trennung, Angst – und unerschütterlichem Optimismus. Wenn Sie das lesen, werden Sie nicht anders können als diese Familie für ihre Stärke zu bewundern.

Syrische Flüchtlinge: Mohammed mit Familie
© UNICEF DT/Charbonneau

Im Flüchtlingscamp Azraq

Ich habe Mohammed (12), seine Mutter Nasreen und seinen Vater Sama vor kurzem im Flüchtlingscamp Azraq in Jordanien getroffen. Dieses erst sechs Monate alte Camp ist, wenn das überhaupt geht, noch trostloser als das größere Camp Za’atari. Weiße Container stehen dicht an dicht und Reihe um Reihe, so weit das Auge reicht. Sonst gibt es nichts, keinen Baum, kein größeres Haus, keine Stadt in der Nähe.

Flüchtlingscamp Azraq in Jordanien
© UNICEF DT/Charbonneau

Das Camp wird vom UN-Flüchtlingshilfswerk geführt, UNICEF sorgt für das Trinkwasser, hat Waschhäuser und Toiletten gebaut und betreibt eine Schule und mehrere Kinderzentren. Rund 14.000 Syrer haben hier Zuflucht gefunden, unter ihnen Mohammed und seine Eltern aus Sheikh Misqin in der syrischen Provinz Dera‘a.

Vater Sama: „Ich dachte, ich bin tot“

Sama ist ein freundlicher Mann, der uns stolz seine selbst gemachten Falafel anbietet und trotz der Schmerzen in seinem Bein viel lacht – was bewundernswert ist, denn seine Geschichte ist eigentlich nicht zum Lachen. Sama erzählt: „Am 25. Januar 2014 war ich in meinem Haus, als es von einer Bombe getroffen wurde. Schwer verletzt, halb tot und blutend war ich unter den Trümmern begraben, fünf Stunden lang. Später habe ich erfahren, mein eigener Vater hat mich gefunden und mit anderen Leuten zusammen aus dem zerstörten Haus gezogen. 24 Stunden war ich ohne medizinische Hilfe, verlor das Bewusstsein.

Als ich aufwachte, war ich in einem Krankenhaus in Amman in Jordanien. Ein Arzt sagte zu mir: Du bist jetzt in Sicherheit, aber du brauchst dringend eine Operation. Eine Arterie am rechten Bein war durchtrennt, die Knochen zertrümmert, die Nerven zerstört. Der Arzt sagte, wir müssen vielleicht das Bein amputieren. Ich war einige Tage im Koma. Als ich aufwachte, sagten sie zu mir: Du musst Gott danken, du bist am Leben und du hast noch dein Bein (Sama kommen bei dem Teil der Erzählung vor Dankbarkeit die Tränen). Ich dachte, ich bin tot. Ich habe ein neues Leben.“

Mutter Nasreen: „Mein Sohn war stärker als ich“

Nasreen ist Lehrerin, sie und Mohammed waren in der Schule, als ihr Haus zerstört wurde. Nasreen erzählt: „Als ich zu der Stelle kam, sah ich den Krankenwagen und für Bruchteile von Sekunden meinen Mann darin. Wochenlang wusste ich nicht, wie es ihm ging. Ich dachte, er ist tot. Ich bin mit Mohammed von Haus zu Haus bei Verwandten und Freunden gezogen. Wir kamen unter Belagerung, es gab nichts zu essen. Anfangs wollte ich in Syrien bleiben, weil ich hoffte, mein Mann würde noch leben und zurückkommen. Am 4. Mai sind wir schließlich aufgebrochen und am 2. Juni in Azraq angekommen. Vier Mal haben wir vergeblich versucht, zur Grenze zu kommen und mussten wegen der Kämpfe umkehren. Beim fünften Mal sind wir ein Stück gefahren, dann mussten wir 13 Stunden zu Fuß gehen durch eine Gegend, bei der das Militär schon öfter auf Flüchtlinge geschossen hat. Ich hatte große Angst.

Ein Lastwagen hat uns dann alle eingesammelt. Flugzeuge kreisten über unserem Kopf. Aber am schlimmsten war, als wir endlich die Grenze erreicht hatten und nicht rüber konnten. Wir hatten keinen Schutz vor der Sonne, den Schlangen und Skorpionen, nichts zu essen, nichts zu trinken. Fünf Tage mussten wir an der Grenze warten. Vor Erschöpfung habe ich geweint. Mein Sohn hat mich in den Arm genommen und mir gesagt: Wein nicht, Mama. Wenn wir hier sterben, dann ist es unser Schicksal. Er war stärker als ich.“

Mohammed: „Wenn ich an Syrien denke, denke ich an die guten Zeiten“

Mohammed im Flüchtlingscamp Azraq
© UNICEF DT/Charbonneau

Der zwölfjährige Mohammed ist ein schüchterner Junge und sagt wenig. Er ergänzt: „Ich hatte keine Hoffnung mehr. Ich dachte, ich sterbe hier und werde hier an der Grenze begraben.“ Aber er ist stark. Genau wie seine Eltern bleibt er lieber positiv: „Wenn ich an Syrien denke, denke ich an die guten Zeiten, an unser Haus und all unsere Verwandten und meine Freunde in der Schule. Ich denke oft an mein Fahrrad und meinen Computer, die ich zu Hause hatte. Meinen Computer vermisse ich am meisten.“

Mohammed ist froh, dass seine Familie hier im Azraq Camp nach Monaten der Trennung und Angst endlich wieder zusammen ist. Er geht gerne in die UNICEF-Schule, hat neue Freunde gefunden. Nasreen arbeitet in der Schule als freiwillige Aushilfslehrerin und bekommt von UNICEF dafür eine kleine Aufwandsentschädigung. Der Alltag ist nicht einfach: In ihrem Wohncontainer haben sie keinen Strom, sie kochen auf einem kleinen Gasofen und haben Solarlampen für die Abendstunden, das Wasser müssen sie in Kanistern tragen. Sama hat Schmerzen im Bein und kann nicht arbeiten. Aber nichts kann seinen Optimismus erschüttern.

Sama: „Ich habe beschlossen, glücklich zu sein“

„Du hast nur ein Leben und du musst es nehmen, wie es ist, gut oder schlecht“, sagt Sama. „Mir hat Gott ein zweites Leben geschenkt. Ich bin ein sehr positiver, optimistischer Mensch. Das Leben im Azraq Camp ist hart. Aber ich habe beschlossen, glücklich zu sein. Ich habe beschlossen, dass mein Bein wieder heilen wird, und ich werde mein Bestes geben, damit ich wieder arbeiten kann. Wir werden eines Tages nach Syrien zurückkehren und ich werde unser Haus wieder aufbauen.“

Mohammed und seine Familie haben schon so viel durchgemacht, aber ihre Hoffnung geben sie nicht auf. So lange es nötig ist, werden wir ihnen helfen, diese schwere Zeit zu überstehen.

Bitte helfen Sie mit!

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Autor*in Ninja Charbonneau