Sudan: Wie Kunst Kindern hilft, traumatische Erlebnisse zu verarbeiten
Die Lage für Kinder und Jugendliche im Sudan ist verheerend: Flucht, Hunger und Gewalt bestimmen ihren Alltag. UNICEF steht neben der Lieferung von Hilfsgütern mit psychosozialer Unterstützung an der Seite der Kinder. In einem Kunstworkshop lernen sie, Erfahrungen und Erlebnisse zu verarbeiten.
„Jedes Mädchen verdient einen Teddybären und kein Hochzeitkleid. Sie ist ein Kind und keine Braut“, beschreibt einer der Jugendlichen das Bild, das ein verzweifeltes Mädchen zeigt. Die Zeichnung ist während eines Kunstworkshops von UNICEF und Partnern im Sudan entstanden, an dem Kinder und Jugendliche im Alter von 14 bis 22 Jahren zur Verarbeitung von Erlebnissen basierend auf traditionellen Normen und geschlechterspezifischer Gewalt teilgenommen haben. Der Workshop ist Teil der von UNICEF unterstützten Initiative "Sudan gegen weibliche Genitalverstümmlung".
Psychosoziale Hilfe für Kinder im Sudan
Die Lage für Kinder im Sudan ist seit Jahren besorgniserregend. Etwa 14 Millionen Mädchen und Jungen sind dringend auf lebensrettende Hilfe angewiesen. Der im April 2023 ausgebrochene Krieg im Land verschärft ihre Situation zusätzlich. Bereits vor den Kämpfen lebten viele Familien in extremer Armut, litten an Hunger und Gewalt.
UNICEF ist seit Jahren im Sudan im Einsatz und leistet neben der Nothilfe mit Aufklärungsarbeit und gezielter Projektarbeit langfristige Hilfe für Kinder, die Gewalterfahrungen ausgesetzt sind. Dazu hat UNICEF psychosoziale Programme entwickelt, die Kindern helfen, traumatische Erlebnisse zu verarbeiten – wie den Kunstworkshop, in dem themenspezifisch Erfahrung zur weibliche Genitalverstümmelung und Kinderehe aufgearbeitet werden.
Kunst hilft Gefühlen Ausdruck zu verleihen
Unter der Leitung von Psycholog*innen aus dem Bereich Trauma-Therapie lernen Kinder und Jugendliche aus dem Sudan in einem von UNICEF und Partnern unterstützten Kunstworkshop das, was sie bewegt, beschäftigt oder belastet in Bildern zum Ausdruck zu bringen – denn Kunst bietet die Möglichkeit, auf kreative Art und Weise Zugang zu der eigenen inneren Welt zu bekommen. Das Zeichnen hilft Probleme zu kommunizieren, sich ein Stück weit von Ängsten und Sorgen zu lösen und positiv in die Zukunft zu blicken. Die Teilnehmer*innen lernen Strategien, um langfristig besser mit Gefühlen wie Wut, Angst und Trauer umgehen und diesen Raum geben zu können.
Kinderehen: sie zerstören die Zukunft von Kindern
„Kinderehe ist schädlich, denn sie zerstört die Zukunft der Kinder. Sobald Kinder verheiratet sind können sie nicht mehr am Unterricht teilnehmen und sind vielen Herausforderungen ausgesetzt. Während Gleichaltrige ihre Kindheit genießen, müssen verheiratete Kinder mit der Verantwortung, die sie für ihre eigenen Kinder haben, kämpfen“, sagt der 19-jährige Al-Mujtaba über das von ihm gemalte Bild. Sein Appell richtet sich an Eltern, die ihre Kinder vor Zwangsehe schützen und sie ihre Kindheit genießen lassen sollen. „Schenkt ihnen Liebe und Werte, die sie brauchen, um in Zukunft verantwortungsbewusste Menschen zu werden. Kinderehe zerstört ihre Zukunft."
Kinderehe ist ein schwerer Verstoß der fundamentalen Rechte von Kindern. In ihrer Not aufgrund von Flucht, Gewalt und Armut sehen sich viele Familien zu schwersten Entscheidungen gezwungen – darunter auch, ihre Kinder früh zu verheiraten, in der Hoffnung, dass sie so besser versorgt sind. Rund ein Drittel der Mädchen im Sudan werden vor ihrem 18. Geburtstag verheiratet. Viele von ihnen waren nicht einmal 15 Jahre alt, als sie verheiratet wurden. Ein Thema, das Kinder und Jugendliche bewegt – und sie belastet.
Ohne Bildung schwindet die Chance auf eine bessere Zukunft
Eine der Zeichnungen zeigt, dass verheiratete Kinder nicht am Schulunterricht teilnehmen können. Sie übernehmen viel zu früh eine Elternrolle, statt sich durch den Besuch einer Schule eine bessere Zukunft aufbauen zu können. Kinder sollten zur Schule gehen und ihren Weg selbstbestimmt gestalten können.
UNICEF unterstützt von Kinderehe betroffene Mädchen zum Beispiel durch Gesprächsgruppen speziell für Teenager. Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen klärt außerdem Familien, Dorfälteste und religiöse Führer über die Gefahren der Kinderehe auf. Jährlich werden weltweit schätzungsweise zwölf Millionen Mädchen vor ihrem 18. Geburtstag verheiratet.
Gemeinsam gegen weibliche Genitalverstümmelung
Neben dem Thema Kinderehe beschäftigen sich die Mädchen und Jungen in ihren Zeichnungen mit den dramatischen Folgen der weiblichen Genitalverstümmlung. Frauen, Mütter, Großmütter, Schwestern und Tanten – oder auch die Teilnehmerinnen selbst – leiden ihr Leben lang unter den massiven psychischen und physischen Schmerzen des gewaltsamen Eingriffs.
Als weibliche Genitalverstümmelung werden alle Praktiken bezeichnet, bei denen die äußeren weiblichen Geschlechtsorgane aus nicht medizinischen Gründen teilweise oder vollständig entfernt beziehungsweise verletzt werden. Im Englischen spricht man von "Female Genital Mutilation", kurz FGM.
Gesund an Körper und Geist, ganz, unversehrt, intakt, ursprünglich und unberührt, in einem gottgegebenen Zustand – das fasst der arabische Begriff „Saleema“ zusammen. Die Saleema-Initiative von UNICEF Sudan und Partnern setzt sich für eine gewaltfreie Zukunft von Mädchen und Frauen ein. Die Zeichnung eines Jugendlichen zeigt, dass Väter ihre Kinder vor Genitalverstümmlung schützen können, indem sie ihre Töchter nach den Grundsätzen, die der Begriff „saleema“ zusammenfasst, großziehen.
Veraltete Bräuche und Traditionen
„Diese schreckliche traditionelle Praktik basiert auf keiner religiösen oder medizinischen Grundlage, sondern vielmehr auf veralteten Bräuchen und Traditionen. Wir müssen diesen Kreislauf durchbrechen, denn er schadet Kindern", appelliert der 17-jährige Moataz, der aus Khartum vertrieben wurde.
UNICEF bezieht in seiner Aufklärungsarbeit über weibliche Genitalverstümmelung das männliche Geschlecht mit ein, denn häufig sind es Väter oder die Ältesten der Familie, die die Entscheidung der gewaltsamen Praktik an ihren Töchtern übernehmen. Die Gründe sind vielschichtig: Oft sind es traditionelle oder vermeintlich religiöse Überzeugungen, auf deren Grundlage die Entscheidung für die weibliche Genitalverstümmelung basiert. Eltern fürchten, dass ihre Töchter ausgegrenzt werden und nicht heiratsfähig sein könnten.
UNICEF setzt sich weltweit für das Ende der weiblichen Genitalverstümmelung ein
UNICEF unterstützt Länder bei der Erarbeitung und Umsetzung entsprechender Gesetze und Richtlinien zur Abschaffung von weiblicher Genitalverstümmelung und fördert durch Aufklärungsarbeit ihre Einhaltung.
Geschultes Personal klärt an Schulen und in Dörfern über die schwerwiegenden Folgen der Praktik auf. Dabei beziehen die UNICEF-Teams alle Generationen und Geschlechter mit ein – um langfristig und nachhaltig Erfolg für Mädchen und Frauen zu bewirken. Die weibliche Genitalverstümmelung muss endgültig beendet werden.
Im Sudan mussten rund 3,5 Millionen Kinder aufgrund des militärischen Konflikts, der im April 2023 ausgebrochen war, aus ihrer Heimat fliehen. Schon vor den Kämpfen war die Lage für Kinder im Sudan verheerend. Rund 14 Millionen Kinder sind auf humanitäre Hilfen wie Spezialnahrung zur Behandlung gegen Mangelernährung, Zugang zu sauberen Trinkwasser oder medizinischer Versorgung wie lebensrettende Impfungen angewiesen.
UNICEF ist seit Jahren im Sudan im Einsatz und leistet trotz großer Herausforderungen Hilfe, wo immer es die Sicherheitslage zulässt. So liefert UNICEF beispielsweise medizinische Ausrüstung, Medikamente und sauberes Wasser an Krankenhäuser und Gesundheitszentren.
Allein im Jahr 2023 erreichte die UNICEF-Hilfe im Sudan Millionen Menschen:
5,9 Millionen Menschen wurden mit Trinkwasser versorgt
313.400 schwer mangelernährte Kinder wurden behandelt
960.800 Kinder wurden gegen Masern geimpft
870.100 Menschen wurden mit psychosozialen Angeboten erreicht
Die Hilfe geht weiter – UNICEF bleibt an der Seite der Kinder.