© UNICEF/UNI545441/BomanNigeria: Kinder werden häufig aus Schule entführt
Kinder weltweit

Entführung in Nigeria: Tatort Schule

137 Kinder, vom Grundschul- bis Teenageralter, wurden auf einen Schlag entführt – mitten am helllichten Tag, aus ihrer Schule. So ist es Anfang März in Kuriga im Bundesstaat Kaduna im Nordwesten Nigerias passiert. Kinder und Eltern sind unter Schock und fühlen sich schutzlos. Das Ereignis weckt Erinnerungen an die Entführung von 276 Schülerinnen in Chibok vor genau zehn Jahren, im Nordosten von Nigeria. Was ist da los?


von Ninja Charbonneau

Zehn Jahre nach Chibok: Neue Massenentführung aus Schule in Nigeria

Fast genau zehn Jahre nach der Entführung in Chibok (Bundesstaat Borno im Nordosten Nigerias), die weltweit für Entsetzen sorgte, wurde im März bei einer Massenentführung wieder große Zahl von Kindern aus einer Schule in Nigeria verschleppt. Es gab zwar vereinzelte Meldungen auch in deutschen Medien, ein ähnlicher Aufschrei wie 2014 blieb aber aus.

Die gute Nachricht ist: Die Anfang März 2024 in Kuriga (Bundesstaat Kaduna im Nordwesten) entführten Kinder und Jugendlichen sind wieder frei. Die schlechte Nachricht: Auch wenn wir hier selten davon hören, kommen Entführungen von Kindern – und andere schwere Kinderrechtsverletzungen – in Nigeria und den Nachbarländern sehr häufig vor. Viele Eltern haben Angst davor, ihre Kinder in die Schule zu schicken. Und die Kinder fragen sich: Ist meine Schule sicher?

Nigeria: Kinder werden häufig aus Schule entführt

Kabiru (Name geändert) konnte fliehen, als seine Schule im Nordosten von Nigeria überfallen wurde. 137 Kinder und Jugendliche wurden bei dem Überfall im März 2024 entführt.

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Jumai (9) konnte Kidnappern entkommen

Jumai (Name geändert) steht noch unter Schock, als sie wenige Tage nach dem Überfall auf ihre Schule in Kuriga im Bundesstaat Kaduna einer UNICEF-Mitarbeiterin erzählt, was passiert ist. Für das neunjährige Mädchen war es ein ganz normaler Schulmorgen, bis eine große Gruppe uniformierter Männer auf Motorrädern angebraust kam. Zunächst hielten die Kinder sie für Militärangehörige, die zu ihrem Schutz in die unsichere Region geschickt wurden – doch das war ein fataler Irrtum. Plötzlich schossen die Männer in die Luft und umzingelten die Schülerinnen und Schüler.

Panik brach aus, und Kinder versuchten wegzurennen. Ein Angreifer packte Jumai an ihrem Hijab. Es gelang ihr in ihrer Verzweiflung, sich aus dem Hijab zu winden und zu entkommen. Jumai versteckte sich stundenlang, bevor sie sich nach Hause traute. Doch Jumais Bruder war unter den Entführten, die nicht rechtzeitig weglaufen konnten. In dem Chaos nach dem Überfall hieß es in ersten Medienberichten, bis zu 300 Kinder und Jugendliche seien entführt worden. Laut nigerianischer Regierung verschleppten die Entführer 137 Schülerinnen und Schüler. Nach zwei bangen Wochen konnten sie befreit werden und zu ihren Familien zurückkehren. Doch der Schock in Kuriga und anderen Gemeinden in der Region sitzt tief.

Obwohl Jumai vorerst in Sicherheit war, blieb die Angst. Sie kann nachts schlecht schlafen, hat Albträume. In die Schule geht das Mädchen vorerst nicht.

Eltern in Angst um entführte Kinder

"Wir mussten hilflos mit ansehen, wie unsere Kinder entführt wurden. Wir konnten nichts tun“, berichtet eine verzweifelte Mutter kurz nach dem Überfall auf die Schule in Kuriga. Ein UNICEF-Team hat wenige Tage nach der Massenentführung mit den Angehörigen der entführten Kinder gesprochen und psychosoziale Hilfe geleistet.

Nigeria: Kinder und Familien fühlen sich schutzlos

Bild 1 von 4 | Amina (Name geändert): „Wir haben die Männer in Militäruniformen gesehen und uns nichts dabei gedacht, bis sie plötzlich anfingen zu schießen. Wir hatten keine Ahnung, dass es Kidnapper waren. Wir mussten hilflos mit ansehen, wie unsere Kinder entführt wurden. Wir konnten nichts tun.“

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Nigeria: Eltern haben Angst vor Entführungen in der Schule

Bild 2 von 4 | Blick einer besorgten Mutter: Die fünf Kinder von Aisha Idris waren unter den 137 Kindern und Jugendlichen, die Anfang März 2024 aus einer Schule in Kaduna entführt wurden. Viele Eltern im Nordosten Nigerias haben Angst, ihre Kinder zur Schule zu schicken.

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Nigeria: Lehrer und Schüler haben Angst vor Entführungen

Bild 3 von 4 | Hauwas Ehemann, ein Lehrer, wurde zusammen mit 137 Schulkindern entführt – unter ihnen auch ihr gemeinsames Kind. Auch Hauwa wurde zusammen mit ihrem Mann schon einmal entführt – für den Lehrer ist es also bereits das zweite Mal.

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Nigeria: Hilfe für Familien von entführten Kindern

Bild 4 von 4 | Ein Mitarbeiter von UNICEF spricht mit einer Mutter im Bundesstaat Kaduna/ Nigeria und leistet psychosoziale Hilfe. Bei einem Überfall auf die Schule wurden ihre drei Kinder sowie ihr jüngerer Bruder – ein Lehrer – entführt. Ihre Kinder wurden befreit, aber haben Angst, zur Schule zu gehen. Auch Lehrpersonal traut sich wegen der häufigen Angriffe auf Schulen kaum in die Gegend.

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Entführungen von Schulkindern in Nigeria nehmen zu

Schon seit Jahren sind in Nigeria immer wieder Schulen das Ziel von Angriffen. Also gerade die Orte, die ein besonderer Schutzraum für Kinder sein sollten. Schüler*innen und Lehrer*innen werden angegriffen, eingeschüchtert, verschleppt und getötet. Mädchen und Frauen werden häufig Opfer von sexualisierter Gewalt. Zum Teil gehen die Entführungen in Nigeria auf das Konto von Terrormilizen, zum Teil sind die Täter kriminelle bewaffnete Gruppen, die Lösegeld erpressen wollen.

Die Folgen sind für Kinder gleich schrecklich: Unter der anhaltenden Gewalt und Unsicherheit leidet ihre körperliche und psychische Gesundheit – und ihre Bildung. Obwohl ihnen die Bildung ihrer Kinder am Herzen liegt, schicken viele Eltern ihre Mädchen und Jungen in manchen Regionen aus Angst nicht mehr zur Schule. Dabei ist Nigeria ohnehin ein Land, in dem viele Kinder im Schulalter von Bildung ausgeschlossen sind.

Die Leiterin von UNICEF Nigeria, Cristian Munduate, sieht in den häufigen Entführungen einen besorgniserregenden Trend: "Die alarmierende Häufigkeit solcher Vorfälle im ganzen Land signalisiert eine Krise, die sofortiges und entschlossenes Handeln auf allen Ebenen der Regierung und der Gesellschaft erfordert. Schulen sollen Zufluchtsorte des Lernens und der Entwicklung sein und keine Orte der Angst und Gewalt."

Entführung der "Chibok Girls" in Nigeria sorgte 2014 für Schlagzeilen

Die Entführung der Mädchen aus Chibok durch die Terrormiliz Boko Haram hatte 2014 international Schlagzeilen gemacht. Unter dem Hashtag #BringBackOurGirls setzten sich weltweit viele Menschen (darunter auch viele Prominente wie First Lady Michelle Obama und Hollywood-Stars) für die Freilassung der Schülerinnen ein. Trotz des weltweiten Drucks befinden sich zehn Jahre später noch etwa 90 der damals entführten Mädchen in Gefangenschaft. Andere junge Frauen konnten zwar befreit werden oder fliehen, sind aber durch die erlebte Gewalt schwer gezeichnet – und haben außerdem mit Misstrauen und Stigmatisierung zu kämpfen.

Nigeria: Zara wurde mit elf Jahren entführt

Zara (19) in Nigeria (Bundesstaat Borno) war erst elf Jahre alt, als sie entführt wurde. Nach mehreren Versuchen wurde sie schließlich vom Militär befreit – aber brachte ein Kind aus der Gefangenschaft mit. Zara erhielt psychosoziale Hilfe, Trauma-Beratung und eine Ausbildung zur Frisörin. „Ich möchte genug Geld verdienen, damit ich meine Tochter zur Schule schicken kann“, sagt Zara.

© UNICEF/ UNI505356/Onafuwa

UNICEF unterstützt Bildung in Nigeria

Die Kinder können nicht warten, bis Sicherheit hergestellt ist. Damit ihre Schulbildung nicht zu lange unterbrochen wird, unterstützt UNICEF alternative Lernangebote. Dazu gehören zum Beispiel Homeschooling mit solarbetriebenen Radios, Bildungsfernsehen, kleine Gemeinde-Lernzentren und die Ausweitung von "Nigeria Learning Passport", einer digitalen Lernplattform. Diese Angebote sollen nicht nur verhindern, dass die Schülerinnen und Schüler den Anschluss verlieren. Sie sollen ihnen auch ein Gefühl von Normalität und Hoffnung zurückgeben, was genauso wichtig ist.

Nigeria: Kinder haben ein Recht auf Bildung

So sollte es immer sein: Kinder in Maiduguri / Nigeria haben Spaß in der Schule. UNICEF-Mitarbeiterin Rukaiya Abbas sagt: „Es motiviert mich, Kinder zur Schule gehen zu sehen. Ich bin überzeugt, dass wir eine stabilere und friedlichere Zukunft haben werden, wenn mehr Kinder zur Schule gehen.“

© UNICEF/ UN0322355/Kokic
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Autor*in Ninja Charbonneau