Krise in Burundi: Kinder zwischen den Fronten
Aus dem kleinen ostafrikanischen Land Burundi dringen erschütternde Berichte zu uns durch. Zehn Jahre nach dem Bürgerkrieg galt das Land als Hoffnungsträger - jetzt eskalieren die Proteste gegen eine erneute Kandidatur von Präsident Nkurunziza, die als verfassungswidrig angesehen wird.
Vor zwei Jahren habe ich die Hauptstadt Bujumbura als quirlige und bunte Stadt erlebt – idyllisch gelegen zwischen den grünen Hügeln und dem Tanganjika-See. Jetzt brennen Straßenbarrieren, und die Nachrichten von gewalttätigen Auseinandersetzungen und Flüchtlingswellen in die Nachbarländer reißen nicht ab.
Was bedeutet die politische Krise für die Kinder in Burundi, einem der ärmsten Länder der Welt? Wie erleben meine Kollegen vor Ort die Situation? Ich habe mit Eliane Luthi von UNICEF Burundi gesprochen.
Seit dem Ende des Bürgerkrieges 2005 ist dies die schwerste Krise für Burundi. Wie ist die Situation sechs Wochen nach Beginn der Proteste?
Wir machen uns große Sorgen. Inzwischen haben sich die Unruhen in der Hauptstadt Bujumbura auch auf das Umland ausgeweitet. Das wahllose Eingreifen der Sicherheitskräfte verstärkt die Gewaltspirale. In Bujumbura sind Geschäfte geschlossen, wichtige Straßen blockiert und Busse fahren nicht mehr. Es wird immer schwieriger, lebenswichtige Dinge wie Essen und Medikamente zu bekommen.
Für UNICEF bedeutet das: Die Hilfe für die betroffene Bevölkerung hat jetzt Priorität. Vor allem die Straßenkinder in Bujumbura und die Kinder, die auf der Flucht vor der Gewalt sind, brauchen jetzt besonderen Schutz.
Du lebst und arbeitest in Bujumbura. Wie sieht es dort im Moment aus?
Die Krise ist allgegenwärtig. Regelmäßig sind Schusswechsel zu hören, auch Explosionen. Wir müssen die Situation permanent beobachten und sind alle sehr vorsichtig – das heißt zum Beispiel, betroffene Straßen und Stadtviertel zu meiden und nicht mehr nach Anbruch der Dämmerung unterwegs zu sein. Benzin und Lebensmittel werden knapper. Im Büro und zu Hause müssen wir uns also auf Engpässe vorbereiten.
Was bedeutet die aktuelle Krise für die Kinder?
Bei den Demonstrationen sieht man leider viele Kinder. Sie erleben die Gewalt hautnah mit – mit verheerenden Folgen für ihre körperliche und psychische Gesundheit. Kinder werden verletzt oder werden verhaftet. Fünf Kinder sind bei den gewalttätigen Auseinandersetzungen oder bei Schusswechseln gestorben.
In vielen Teilen der Hauptstadt wurden außerdem die Schulen geschlossen – das heißt, dass viele Kinder seit Wochen keinen Unterricht mehr besuchen.
Über 90.000 Menschen sind inzwischen in die Nachbarländer Tansania, Ruanda oder Kongo geflüchtet – zwei Drittel sind Frauen und Kinder. Sie brauchen dringend medizinische Versorgung, Essen und psychosoziale Betreuung.
Wie hilft UNICEF?
In Burundi kümmern wir uns um Kinder und Jugendliche, die in Untersuchungshaft genommen oder eingesperrt wurden und verteilen Decken, Medikamente und Essen an die Straßenkinder.
Zusammen mit den UNICEF-Kollegen in den Nachbarländern Tansania, Ruanda und Demokratische Republik Kongo haben wir Hilfsmaßnahmen für die betroffenen Bevölkerung gestartet – und registrieren zum Beispiel unbegleitete Kinder in den Grenzregionen, unterstützen die Versorgung der Flüchtlinge mit Nahrung, sauberem Trinkwasser und Medikamenten. Viele der Kinder sind erschöpft, von ihren Familien getrennt und brauchen besonderen Schutz.
Im Süden von Burundi, an der Grenze zu Tansania, sind vor kurzem die ersten Cholerafälle aufgetreten. UNICEF liefert Ausrüstung und Medikamente zur Behandlung in die Flüchtlingslager und verstärkt die Ausstattung von drei speziellen Behandlungszentren in Burundi.
Gefährdet die aktuelle Krise die langfristigen UNICEF-Programme in Burundi?
Glücklicherweise sind die Gesundheitszentren und Schulen im Landesinneren bisher nicht betroffen. Unsere Programme laufen also weiter. Aber die aktuellen Krise bringt täglich neue Not und wir haben alle Hände voll zu tun.
In der Grenzregion zu Ruanda, wo sich derzeit viele Flüchtlinge aufhalten, melden zum Beispiel die Mitarbeiter in Ernährungszentren, dass immer mehr mangelernährte Kinder zu ihnen kommen. Wir müssen jetzt schnell die akut mangelernährten Kinder identifizieren und rechtzeitig behandeln. Auch in den Flüchtlingslagern leiden viele Kinder an akuter Unterernährung und brauchen lebensrettende Zusatznahrung.
Eliane Luthi arbeitet seit über zwei Jahren für UNICEF in Burundi. Aktuelle Neuigkeiten von ihr erfahren Sie über ihren Twitter-Kanal @ElianeLuthi.