Wie Baby Aissata wieder gesund wurde – und warum das nicht selbstverständlich war
Als die sechs Monate alte Aissata aus Mali aufhörte, sich zu bewegen, war ihren Eltern klar: Sie braucht sofort Hilfe. Die Diagnose: schwere akute Mangelernährung. Heute ist Aissata über den Berg. Eine Nachricht, die Hoffnung macht – und die mit Blick auf die Lage in Mali alles andere als selbstverständlich ist.
Gestern hatte Aissata noch viel geweint. Doch dann wurde sie ganz still. Sie hörte auf, sich zu bewegen. Ihr Vater erinnert sich:
Aissatas Mutter Amissetou Maiga ging es genauso. Vor Sorge um ihre Tochter wurde die 20-Jährige selbst krank.
Die Diagnose
So schnell sie konnten, brachten die Eltern ihr sechs Monate altes Baby in das Gesundheitszentrum Mossinkore in Mopti, eine Stadt im Herzen Malis. Dort wurde Aissata von Krankenschwester Mariam Diarra Keita untersucht. Ihr Spezialgebiet: Mangelernährung.
Aissata hatte hohes Fieber, Durchfall und litt an Mundfäule. Weil sie seit Tagen keinen Appetit mehr gehabt hatte, war ihr Gewicht dramatisch gesunken: auf nur noch 4,4 Kilogramm. Viel zu wenig für ein Baby ihres Alters. Das Maßband um Aissatas Oberarm, mit dessen Hilfe Krankenschwester Keita sie auf Mangelernährung untersuchte, zeigte Rot.
Keine Zeit zu verlieren
Die Krankenschwester ordnete an, dass Aissatas Behandlung sofort beginnen müsse. Zuerst gaben die Helfer ihr die Spezialmilch "F-75", um ihren Zustand zu stabilisieren. Die Milch enthält vergleichweise wenige Proteine und Kalorien und wird mangelernährten Kindern gegeben, die so schwach sind, dass sie keine feste Nahrung zu sich nehmen können.
Durch die Spezialmilch kommt der Stoffwechsel der Kinder in Gang und ihr Appetit kehrt zurück. Aissata bekam zusätzlich Antibiotika. Während der zehn Tage dauernden Behandlung wichen ihre Mutter und ihre Großmutter nicht von ihrer Seite.
Im Ernährungszentrum während der Corona-Pandemie
Aissata kam ins Ernährungszentrum, kurz bevor die Corona-Pandemie Afrika erreichte. Doch seitdem ist die Arbeit der Helfer komplizierter geworden. UNICEF tut, was nötig ist, um alle Beteiligten vor dem Virus zu schützen und die Hilfe für mangelernährte Kinder trotzdem aufrecht zu erhalten. Abstand halten und Maske tragen: Das gilt auch in den Ernährungszentren in Mali, Mauretanien und Südsudan, wie die Bildergalerie zeigt. Dass die Hilfe trotz der Pandemie weitergeht, ist für mangelernährte Kinder wie Aissata überlebenswichtig.
Konflikte, Dürre, Covid-19: In Ländern wie Mali kommt alles zusammen
In Ländern wie Mali erleben die Menschen gerade mehrere Katastrophen gleichzeitig. In dem Land im zentralen Sahel tobt ein Konflikt. Viele Menschen fliehen vor der Gewalt oder werden vertrieben. "Sie haben oft nicht die Möglichkeit, ihren Kindern jeden Tag etwas zu essen zu geben. Der Ernährungszustand dieser Kinder ist sehr kritisch", sagt Cheikh Aoruna Diarra, technischer Direktor des Ernährungszentrums Mossinkore.
Zudem vernichten regelmäßige Dürren einen Teil der Ernte und bringen Familien um ihre Ernährungsgrundlage und ihr Einkommen. Auch die Corona-Pandemie wirkt sich in diese Richtung aus: Infolge von Lockdowns verlieren Eltern ihre Arbeit und können nicht mehr genug Lebensmittel für ihre Kinder kaufen.
In 2020 hat sich die Zahl der lebensbedrohlich mangelernährten Kinder in Mali bereits um 13 Prozent erhöht: Rund 188.000 Kinder brauchen dringend Unterstützung, um wieder zu Kräften zu kommen.
Endlich: Aissata darf das Krankenhaus verlassen!
Zurück zu Aissata: Nach zehn Tagen hatte sie sich so weit erholt, dass sie das Krankenhaus verlassen konnte. Doch auch wenn sie über den Berg war, musste sie dringend weiter an Gewicht zulegen. Dazu gaben die UNICEF-Helfer ihr Erdnusspaste.
Die extrem nahrhafte Paste – ein Päckchen enthält etwa 500 Kalorien – ist zusätzlich mit Mineralstoffen und Vitaminen angereichert. Sie gibt mangelernährten Kindern schnell neue Kraft. Ein weiterer Vorteil: Die Eltern können ihren Kindern die Erdnusspaste zuhause füttern. Aissata durfte das Krankenhaus verlassen!
"Ich werde nie vergessen, wie Aissata zum ersten Mal Erdnusspaste probiert hat", erinnert sich ihre Mutter Amissetou. "Sie war so hungrig, sie wollte gar nicht mehr aufhören zu essen." Zu diesem Zeitpunkt wog das Mädchen 5,1 Kilogramm – immer noch weit entfernt von einem normalen Gewicht für ihr Alter, aber schon deutlich gesünder als zuvor.
UNICEF liefert die Spezialnahrung Erdnusspaste und Spezialmilch an alle Verwaltungszentren in Mali. Diese Hilfe ist nur möglich dank Partnern wie der EU, aber vor allem auch dank der Unterstützung von privaten Spenderinnen und Spendern, auch aus Deutschland. Per Motorrad, mit dem Bus oder gar mit dem Fahrrad bringen Helfer die Spezialnahrung in die Ernährungszentren vor Ort.
Kontrolltermin: Wird Aissata wieder ganz gesund?
Einige Wochen später war Aissata noch einmal im Ernährungszentrum – aber kein Grund zur Sorge! Krankenschwester Mariam Keita wollte nur prüfen, ob sich das Mädchen gut entwickelte. Gemeinsam mit UNICEF-Ernährungsexperte Seydou Amara Dicko untersuchte sie Aissata. Die blauen Wände im Ernährungszentrum sollten dabei beruhigend auf das Kind wirken – und auch auf seine Eltern.
Keita hatte gute Nachrichten: Aissata wog nun 5,7 Kilogramm. Üblicherweise dauert die Behandlung eines mangelernährten Kindes zwischen sechs und acht Wochen. Aber die Krankenschwester war zuversichtlich, dass Aissata ihr Zielgewicht schon früher erreichen würde.
Ihre Eltern werden künftig alles tun, damit Aissata ausreichend und abwechslungsreiches Essen bekommt. Damit sie nie mehr ins Ernährungszentrum zurückkehren muss.
Helfen Sie mit Ihrer Spende Kindern wie Aissata
Aissata ist wieder gesund. Doch Hunderttausende Kinder brauchen weiter Hilfe. Vor allem in Ländern, in denen es Konflikte gibt oder Dürren, Überschwemmungen und Heuschreckenplagen die Ernten vernichten, leiden Mädchen und Jungen Hunger. UNICEF schätzt, dass als Folge der Corona-Pandemie 6,7 Millionen Kinder unter fünf Jahren zusätzlich von akuter Mangelernährung bedroht sind.
Sie können ihnen mit Ihrer Spende helfen. Die Behandlung eines mangelernährten Kindes mit Erdnusspaste kostet rund 30 Euro im Monat.
*Dieser Beitrag ist eine Adaption eines Originaltextes von Eliane Luthi, einer Kollegin von UNICEF International.