Zentralafrikanische Republik: Worum geht es in dem Konflikt?
von Daniel Timme, UNICEF-Mitarbeiter in der Zentralafrikanischen Republik (2014)
Die Bilder, die sich mir am Flugplatz von Bangui bieten, lassen mich kaum glauben, dass innerhalb kürzester Zeit so viele schreckliche Dinge geschehen sind.
Die Probleme begannen im März 2013, als aus dem Norden kommende mehrheitlich muslimische Seleka Milizen in einem Staatsstreich die Gewalt in der Hauptstadt Bangui an sich rissen und Angst und Schrecken verbreiteten. Im Dezember dann eroberte die Gegenbewegung, mehrheitlich christliche Milizen, die sogenannten Anti-Balaka (Anti-Macheten), in blutigen Kämpfen die Macht zurück. Beide Gruppen verübten schreckliche Massaker an der jeweils andersgläubigen Zivilbevölkerung.
Als die Gewalt dann kurz vor Weihnachten 2013 einen neuen Höhepunkt erreichte und sich hunderttausende Menschen im Lande auf die Flucht begaben, entschied sich UNICEF, die höchste Notfallstufe auszurufen. So können zusätzliche Mittel und Personal mobilisiert werden, um der notleidenden Bevölkerung sofort zu helfen.
Mehr und mehr wurde die Religionszugehörigkeit für den Kampf um die Macht im Land missbraucht, und die Bevölkerung musste es ausbaden. Christen und die muslimische Minderheit, die seit Jahrzehnten harmonisch zusammengelebt hatten, wurden plötzlich in einen blutigen Konflikt hineingezogen. Die meisten packten, was sie gerade tragen konnten, und begaben sich an sicherere Orte.
Paradoxerweise entstanden so in Bossangoa, nur einen Steinwurf voneinander entfernt, zwei provisorische Binnenflüchtlingslager: ein mehrheitlich von Christen bewohntes nahe der katholischen Bischofsresidenz und ein mehrheitlich von Muslimen besiedeltes neben dem Militärposten der Afrikanischen Union.
Aber Ende April musste das kleinere Lager aufgelöst werden. Die Gefahr für die rund 7.000 Muslime war zu groß geworden. Alle wurden in einem humanitären Konvoi zur 180 Kilometer nördlich gelegenen Grenze mit dem Tschad gebracht, wo sie in die Obhut des Flüchtlingshilfswerk UNHCR genommen wurden.
Seit dem traurigen Auszug der Muslime haben die Milizen ihre Präsenz reduziert, und die Sicherheitslage in und um Bossangoa entspannt sich etwas. Immer mehr Menschen wagen es nun, das mehrheitlich von Christen bewohnte Lager zu verlassen und in ihre verwüsteten Dörfer zurückzukehren.
Kinder brauchen dringend Hilfe
UNICEF und Partnerorganisationen waren von Anfang an da, um den Flüchtlingen zu helfen. Es ist eine enorme Herausforderung, alle Familien in Bossangoa mit Planen, Haushaltsgegenständen, Trinkwasser, Latrinen und Waschgelegenheiten zu versorgen. Ein nahegelegener Gesundheitsposten wurde aufgerüstet und zusätzliches medizinisches Personal gesandt, um der großen Anzahl von Menschen eine grundlegende medizinische Versorgung zu bieten. Schließlich wurden provisorische Schulen eingerichtet.
Meine Kollegin und Kinderschutzexpertin Marion erklärt mir, dass es für die psychische Gesundheit der Kinder sehr wichtig war, möglichst schnell wieder die Schule besuchen zu können. Die Kleinen bekämen alleine durch die tägliche Schulroutine ein kleines bisschen Normalität und Geborgenheit vermittelt.
Ihre Spenden machen Hilfe in Krisen- und Katastrophengebieten möglich
Natürlich haben die Kinder auch ein Recht auf ihre Schulbildung – und das am Boden liegende Land wird gut ausgebildete Menschen mehr denn je für den Neuanfang brauchen. In diesem Schlüsselsektor müssen enorme Investitionen getätigt werden. Zur Zeit gehen sieben von zehn Kindern nicht zur Schule und zwei Drittel aller Schulen sind zerstört und geplündert worden.
Der Alptraum von Kindern wie Felicien
Das Wichtigste ist, die Sicherheit in diesem Land, das ungefähr so groß wie Frankreich ist, wiederherzustellen. In der Zwischenzeit tun wir alles, um das Leid der Familien so gut wie möglich zu lindern. Ich werde wohl nie die Geschichte von Felicien vergessen, der mit seinen zehn Jahren mehr durchmachen musste, als eigentlich ein Mensch ertragen kann.