Jedes vierte Kind weltweit existiert offiziell nicht
UNICEF-Report zu Geburtenregistrierung
In den letzten zehn Jahren ist der Anteil der registrierten Geburten um fast 20 Prozent gestiegen, dennoch sind 166 Millionen Kinder unter fünf Jahren nicht offiziell erfasst.
Die Zahl der Kinder, deren Geburt offiziell registriert ist, ist weltweit deutlich angestiegen. Doch noch immer sind weltweit mehr als ein Viertel aller Kinder unter fünf Jahren – insgesamt 166 Millionen Kinder – in keinem Geburtenregister eingetragen. Dies geht aus einem Bericht hervor, den das UN-Kinderhilfswerk UNICEF heute anlässlich seines 73. Geburtstages veröffentlicht hat.
Für den Bericht „Birth Registration for Every Child by 2030: Are we on track?“ wurden Daten aus 174 Ländern ausgewertet. Der Report zeigt, dass der Anteil der registrierten Kinder unter fünf in den vergangenen zehn Jahren weltweit um fast 20 Prozent – von 63 auf 75 Prozent – gestiegen ist.
„Bis hierhin war es ein langer Weg. Aber noch immer fallen zu viele Kinder durch das Netz – nicht erfasst und unberücksichtigt", sagte UNICEF-Exekutivdirektorin Henrietta Fore. „Ein Kind ohne offiziellen Geburtsnachweis ist unsichtbar – in den Augen der Regierung oder vor dem Gesetz existiert es nicht. Wenn ein Kind seine Identität nicht nachweisen kann, ist es oft von schulischer Bildung und medizinischer Versorgung ausgeschlossen und einem höheren Risiko von Ausbeutung und Missbrauch ausgesetzt.“
Große regionale Unterschiede bei der Geburtenregistrierung
Der weltweite Anstieg bei der Geburtenregistrierung geht hauptsächlich auf große Fortschritte in Südasien zurück, insbesondere in Bangladesch, Indien und Nepal. So stieg beispielsweise in Indien der Anteil der registrierten Kinder von 41 Prozent in den Jahren 2005 und 2006 auf 80 Prozent in den Jahren 2015 und 2016. Gemeinsam mit der indischen Regierung hat UNICEF in den vergangenen Jahren die Geburtenregistrierung in allen Bundesstaaten gefördert, zum Beispiel durch einen verbesserten Zugang zu Registrierungszentren, durch Schulungen für Beamte und Angestellte von Gemeinden sowie Programmen zur Sensibilisierung der Bevölkerung.
Doch die regionalen Unterschiede sind weiter groß: Die Mehrheit der Länder in Afrika südlich der Sahara liegt hinter dem Rest der Welt zurück. Äthiopien (3 Prozent), Sambia (2013 – 2014: 11 Prozent) und der Tschad (12 Prozent) verzeichnen weltweit die niedrigsten Raten bei der Geburtenregistrierung.
Der Bericht zeigt, dass fast jedes dritte Land der Erde mit etwa einem Drittel aller Kinder unter fünf Jahren dringend mehr tun muss, um neugeborene Kinder zu registrieren. Die internationale Agenda für nachhaltige Entwicklung hat das Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2030 insbesondere durch die Registrierung der Geburten dafür zu sorgen, dass alle Menschen Ausweispapiere und eine rechtliche Identität haben.
Mehr als jedes dritte Kind besitzt keine Geburtsurkunde
Selbst wenn Kinder in einem Geburtenregister eingetragen sind, bedeutet dies noch nicht, dass sie auch eine Geburtsurkunde besitzen. 237 Millionen Kinder unter fünf Jahren – oder etwas mehr als jedes dritte Kind – sind derzeit nicht im Besitz dieses offiziellen Registrierungsnachweises.
Ursachen für die ausbleibende Geburtenregistrierung sind unter anderem mangelndes Wissen, hohe Gebühren für die Registrierung oder die Ausstellung einer Geburtsurkunde, Gebühren für eine verspätete Registrierung und große Entfernungen zur nächsten Registrierungsstelle. Auch die traditionellen Bräuche und Praktiken einiger Gemeinschaften – wie zum Beispiel der Brauch, dass junge Mütter nicht das Haus verlassen sollen – können die offizielle Registrierung von Geburten innerhalb der zulässigen Frist be- oder verhindern.
Forderungen von UNICEF
In dem Bericht fordert UNICEF folgende Maßnahmen zum Schutz aller Kinder:
- Jedem Kind muss bei der Geburt eine Geburtsurkunde ausgestellt werden.
- Alle Eltern müssen in der Lage sein, ihre Kinder – unabhängig vom Geschlecht – bei der Geburt registrieren zu lassen.
- Die Geburtenregistrierung muss mit anderen öffentlichen Dienstleistungen wie dem Gesundheits- oder Bildungssystem verknüpft werden, um nicht registrierte Kinder zu identifizieren und diese nachträglich offiziell zu erfassen.
- Es bedarf verstärkter Investitionen in sichere und innovative technologische Lösungen, um die Registrierung von Geburten zu erleichtern.
- Gemeinden müssen dazu gebracht werden, eine verbindliche Geburtenregistrierung für jedes Kind einzuführen.
„Jedes Kind hat das Recht auf einen Namen, eine Staatsangehörigkeit und eine rechtliche Identität. Gerade haben wir den 30. Jahrestag der UN-Konvention über die Rechte des Kindes begangen, in der dieses Recht verankert ist“, sagte Fore. „Um den Fortschritt bei der Geburtenregistrierung voranzutreiben, kommt es auf jede einzelne Maßnahme an. Wir dürfen nicht ruhen, bis die Geburt eines jeden Kindes erfasst ist."
Hintergrund
Die Geburtsregistrierung ist die offizielle Aufnahme einer Geburt durch eine Standesbeamtin oder einen Standesbeamten gemäß den gesetzlichen Bestimmungen eines Landes. Eine Geburtsurkunde ist eine Personenstandsakte, die von der Standesbeamtin oder dem Standesbeamten ausgestellt wird und die Geburt eines Kindes dokumentiert. Da es sich um einen beglaubigten Auszug aus dem Geburtsregister handelt, ist dies der Nachweis dafür, dass eine Registrierung stattgefunden hat. Damit ist dieses Dokument der erste und häufig einzige Nachweis der rechtlichen Identität, insbesondere für Kinder.
Die globalen Datenbanken von UNICEF beinhalten Schätzungen der Geburtenregistrierung für 174 Länder, hauptsächlich aus national repräsentativen Haushaltsumfragen wie den Multiple Indicator Cluster Surveys (MICS) und Demographic and Health Surveys (DHS). Weitere Datenquellen in der globalen Datenbank sind andere nationale Erhebungen, Volkszählungen und wichtige Statistiken aus Zivilstandsregistern.
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